Review Cancel The Apocalypse – Our Own Democracy

Vieles kann man sich vorstellen. Aber manches muss einfach ausprobiert werden. Wie es wohl klingt, wenn man Post-Hardcore-Atmosphäre vornehmlich mit klassischer Konzertgitarre und Cello kreiert, beispielsweise. Wie gut, dass sich in Frankreich CANCEL THE APOCALYPSE zusammengefunden haben, um genau dieser Frage auf den Grund zu gehen.

Hinter CANCEL THE APOCALYPSE stecken der Sänger Matthieu Miegeville (My Own Private Alaska, Psykup, The Black Painters) sowie die beiden klassisch geprägten Musiker Arnaut Barat (Konzertgitarre) und Audrey Paquet (Cello). Mit anderen Worten: Hardcore aus Toulouse trifft auf Klassik aus Bordeaux. Was zunächst absurd klingt, fügt sich im überaus bemerkenswerten Resultat „Our Own Democracy“ absolut schlüssig zu einem schlichtweg beeindruckenden Gesamtkunstwerk: Mal rasant, mal bedächtig, stets jedoch virtuos gespielt, gibt die Akustikgitarre, mal von Piano („A Bunch Of Roses With Thorns“), öfter vom Cello unterstützt, in den Kompositionen stets den Ton an.

In Kombination mit dem oft geflüsterten, manchmal geschrienen Gesang lässt das automatisch an Dornenreich denken – allerdings nicht, wie man jetzt vielleicht denken könnte, dahingehend, dass CANCEL THE APOCALYPSE klingen, als wären sie von Dornenreich inspiriert. Wären Dornenreich so avantgardistisch, wie oft geschrieben wird, könnten sie viel mehr wie CANCEL THE APOCALYPSE klingen. Ähnliches ließe sich auch über die Frühwerke von Hexvessel sagen: Was der Band auf „Dawnbearer“ noch an Geschick für Eingängigkeit, Dynamik und Schmiss fehlte, bringen CANCEL THE APOCALYPSE bereits auf ihrem Debüt mit.

Viel von der Energie, von der „Our Own Democracy“ geradezu strotzt, resultiert jedoch auch aus dem Gesang – der CANCEL THE APOCALYPSE erst so einzigartig macht. Denn statt nur ahnungsvoll zu flüstern oder verzweifelt zu schreien, erweitert Matthieu Miegeville das gesangliche Spektrum um waschechte Post-Hardcore-Screams. Was zunächst verstörend klingt, entwickelt im Laufe der halben Stunde Spielzeit eine solche Eigendynamik, dass man das Stilmittel bald als Selbstverständlichkeit wahrnimmt und sich schlussendlich nicht einmal mehr wundert, dass CANCEL THE APOCALYPSE im abschließenden „We Were Young“ schlussendlich bei Akustik-Hip-Hop angekommen sind.

Der Kundenkreis für diese Art von Musik mag klein sein. Wer sich jedoch bei den akustischen Werken von Dornenreich immer schon gefragt hat, was daran „Avantgarde“ sein soll, dem ersten Hexvessel-Album etwas abgewinnen kann und keine Probleme mit Gesang im Screamo-Stil hat, ist bei CANCEL THE APOCALYPSE genauso richtig wie jeder, der seine Ohren einfach mal wieder mit einer frischen, unverbrauchten und innovativen Band durchputzen will.

https://www.youtube.com/watch?v=LZGvDWg6A54

Wertung: 9 / 10

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