Originalität ist in der Musik kein Wert an sich – aber schaden tut sie nicht. Oder anders formuliert: Wer kopiert, der sollte sich vielleicht zumindest die Mühe machen, nicht sämtliche Fehler zu kopieren oder sogar NUR die Fehler zu kopieren. Das Produkt könnte sonst an einem Übermaß an Peinlichkeit kranken – und genau das tut „Overdrive“, seines Zeichens das Debüt der schwedischen Melodic Rocker DIAMOND DAWN. Mit Haut und Haar tauchte die Band in die 80er Jahre hinein und als man wieder an die Oberfläche kam, hatte man sich in Schaufensterpuppen des Stadion-Rocks verwandelt. Kann man das wirklich wollen?
Musikalisch (aber auch optisch und bezüglich der gesamten Attitüde) hat man es mit einem wackligen Kniefall vor Bands wie Europe, Def Leppard und Dokken zu tun, aber eben auch mit noch so manch anderer Größe, die in den golden eighties die Dauerwelle in den Adelsstand erhoben hatte. Die Riffs, die DIAMOND DAWN jedoch präsentieren, sind dermaßen ausgelutscht, dass man noch nicht einmal mehr davon sprechen kann, dass die Songs zwar altbacken wirken, aber eben Spaß machen. Nein, das hier macht keinen Spaß!
Das einzige, was ich ohne zu mäkeln anerkennen kann, ist das technische Können der Herren; sowohl instrumental als auch gesanglich wird eine souveräne Leistung geboten. Kompositorisch reiht sich aber eine Peinlichkeit an die nächste. Schunkelrock-Rhythmen, ausgetretene Melodie-Pfade und teils schier unerträgliche Refrains fließen aus den Boxen, dass es einem Angst und Bange werden kann. Jede Kitschfalle, die diese Musik schon seit ihren Gründungstagen aufzuweisen hatte, wird ohne Umschweife eingepackt, dreimal angehaucht, abgewischt und: Voila, fertig ist der nächste, leider völlig überflüssige Hard-Rock-Song, der in dieser Form vielleicht schon vor 20 Jahren nur Kopfschütteln erzeugt hätte. Hier wird permanent an der Schmerzgrenze musiziert.
Zudem: Ich will ja nicht gerade behaupten, dass die Größen dieses Genres lyrisch versiert gewesen wären, Gott bewahre, auch bei denen finden sich Haarspray-geschwängerte Liebesnummern, die erst ab 3,0 Promille erträglich werden; aber bei Stücken wie „Don’t Walk Away“ weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt so viel trinken könnte, um das gut zu finden. Das ist so schamlos zusammen geklaut, dass es nur so kracht. Und dass man in dem post-pubertären Hormonausstoß, der auf den Namen „The Hunter“ hört, auch noch die mehr oder weniger unsterbliche AC/DC-Textstelle „Don’t need reason, don’t need rhyme“ verwurstelt, geht schlicht gar nicht. Auf „Overdrive“ wird eine Zeit zelebriert, in der noch schamlos „desire“ auf „higher“ und „fire“ gereimt wurde und das auch noch mit dem Anspruch, dezidiert nicht peinlich zu wirken – eine Gratwanderung, die schon damals nicht jedem gelang. Hier verkommt das Ganze für den Hörer aber zum reinen Spießrutenlauf.
Abseits der technisch makellosen Seite, hat diese CD nichts zu bieten, wofür es mir einfiele, Geld auszugeben! Nicht nur unzeitgemäß, sondern überflüssig.
Wertung: 3.5 / 10