Review Diorama – Zero Soldier Army

  • Label: Ascension
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Electronic

Seit wann ist Gothic eigentlich politisch? Sind Goths nicht eigentlich die Eskapisten schlechthin? Angesichts dessen, was es momentan konzeptuell aus der Schwarzen Szene zu hören gibt, kann man schon mal verwundert aufhorchen. Auch die Electro-Gothic-Popper von DIORAMA sehen die Welt offensichtlich vor die Hunde gehen. Ihr neuntes Album „Zero Soldier Army“ rechnet auf poetische Art und Weise mit den Wirren des Zeitgeschehens ab. „Wir haben keine Waffen. Aber wir haben Liebe, Freiheit und Musik. Und Gin“, erklärt die Band das Konzept. Ein Schelm, wer da an die letzte Diary-Of-Dreams-Scheibe denkt. Doch wie klingt sie denn nun, die Armee ohne Soldaten?

Im Titelsong „Zsa“, der auch gleichzeitig Opener ist, schleicht sie sich vielmehr auf Katzenpfötchen an, als im Stechschritt einzumarschieren. Der Synthesizer blubbert, behutsam-trippige Beats gesellen sich dazu, die Streicher schluchzen – schließlich betritt Torben Wendts düster-warme Stimme die musikalische Szenerie: „Are you serious? Do you think I’m such a smog-brained teflon-hearted easy target? Ever prone, ever accepting?“ In den letzten zweieinhalb Minuten explodiert die Nummer und zeigt, dass DIORAMA nicht nur als Samt-Buben, sondern auch als scharfzüngige Ankläger eine gute Figur abgeben. Damit erfinden sie das Rad gewiss nicht neu, die im Promo-Text angepriesenen Progressive-Rock-Elemente muss man mit der Lupe suchen. Doch das macht gar nichts. „Zero Soldier Army“ funktioniert gut als das, was es ist.

Der Härtegrad bleibt über weite Strecken verhältnismäßig hoch. „Off“ und „Beta“ dringen beinahe in Aggrotech-Gefilde vor. Doch trotz harter Beats kommen die Melodien nicht zu kurz. Die Refrains von „Polaroids“ und „Defcon“ etwa sind großes Pop-Kino der Marke Depeche Mode und Ultravox. Viel Spaß dabei, das wieder aus den Ohren zu bekommen. Dazwischen sorgen experimentellere Titel für Abwechslung: Das unheilvoll vor sich hin lodernde „Smolik“, das mit ungewohnt sinistren Metal-Gitarren daherkommt,  die spärlich instrumentierte Ballade „&“ oder das Instrumental  „Nebulus“, das der Band Raum zum Spielen mit dem Electro-Baukasten gibt.

DIORAMA finden auf „Zero Soldier Army“ den idealen Spagat zwischen anspruchsvollen Arrangements und Tanzbarkeit, Melancholie und gesellschaftskritischen Positionen. Erfreulicherweise lassen die vier Schwaben dabei den erhobenen Zeigefinger weitestgehend stecken und geizen auch mit allzu überbordendem Kitsch. Wer elektronischer Musik nicht ganz abgeneigt ist und nicht sofort das Weite sucht, wenn er eine poppige Melodie hört, für den stehen die Chancen gut, dass „Zero Soldier Army“ schließlich unter den Alben des Jahres landet.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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