Review Emerald – Unleashed

Mir scheint, es liegt ein Fluch auf den Schweizern von EMERALD: Von der Kritik wird fast jedes ihrer Alben bejubelt, von den Käufern werden sie aber größtenteils verschmäht. Und so sind die sechs Eidgenossen ein Geheimtipp geblieben, obwohl sogar der Rock Hard ihre Alben regelmäßig mit Höchstnoten prämiert. Das ist nicht nur irgendwie ungerecht, es ist auch schade – denn wer dieser Power Metal-Band keine Chance gibt, verpasst etwas.

Seit 1997 sind EMERALD nun schon unterwegs und haben sechs Alben unter die Leute gebracht. Brandaktuell erscheint jetzt ihr siebter Langspieler, der zugleich das zweite Album mit dem neuen Sänger Thomas Winkler ist. Wer die Band noch gar nicht kennt: Power Metal, inzwischen mit amerikanischem Einschlag, steht auf dem Programm. Es gibt also schnelles Geriffe im Hintergrund, hohen Gesang mit gelegentlichen Screams und astreine, flinke Gitarrensoli, die gerne auch mal im Iron Maiden-Stil mit zwei Gitarren gegenläufig gespielt werden. Bei EMERALD kommt noch ein angenehm abwechslungsreiches Songwriting dazu, das den Hörgenuss deutlich steigert – man höre nur einmal „F.T.M.“, „Harleking“ und „Wrath Of God“ hintereinander. Viele Altmeister des Genres klingen monotoner.

Überhaupt ist das Album voller guter Songs, die zum Teil richtig Ohrwurmpotential haben. Besonders sticht „A Past Never Born“ hervor, das genauso gut auf einem Iced Earth-Album hätte stehen können – eine großartige Halbballade mit stimmungsvollem Gesang, emotional und doch nicht kitschig. Spätestens hier zeigt sich auch, dass Sänger Thomas Winkler eine hervorragende Wahl für die Band war. Mehr nach eisernen Jungfrauen klingt es hingegen auf „Eye Of The Serpent“ oder „Blessed“. Zwischen diesen Stilen changieren die Musiker sehr geschickt, allerdings manchmal etwas wenig eigenständig.
Das wäre auch der Hauptkritikpunkt an dem Album: Es mangelt ein wenig an der eigenen Linie, weshalb ein paar Songs Schwierigkeiten haben, ihren Charme zu entfalten und richtig auf den Punkt zu kommen – „Ancient Mystery“ ist so ein Fall, eingeschränkt auch „Blessed“. Und die ordentliche Schippe Pathos, die auf den Song „Wrath Of God“ gelegt wurde, wird sicher nicht jedermanns Geschmack sein, obwohl sie durchaus stimmig ist und dem Album einen interessanten Schluss beschert. Das alles soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier insgesamt exzellenter Power Metal geschmiedet wurde.

Man dürfte es gemerkt haben: Ich habe meine anfangs beschriebene Rolle als begeisterter Kritiker pflichtbewusst auszufüllen versucht. Vielleicht überlegt es sich ja der eine oder die andere von euch noch einmal, ob er nicht aus der Rolle des verschmähenden Käufers ausbrechen will – es lohnt sich.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

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