Review Haggard – Eppur Si Muove

Nach zwei Konzeptalben über den Seher Nostradamus macht sich Asis Nasseri mit seinem inzwischen auf 17 Leute plus Gastmusiker angewachsenem Orchester mit „Eppur Si Muove“ („und sie bewegt sich doch“ – die berühmten, angeblichen letzten Worte von Galileo Galilei) auf zu einer weiteren Reise ins finstere Mittelalter, um dieses Album eben jenem Menschen zu widmen. Bandkopf Asis Nasseri erfüllt sich damit einen lang gehegten Traum.
Wie von Haggard gewohnt, dienen die vielen klassischen Instrumente wie Violine, Cello und Oboe sowie mehrere Sopran- und Tenor-Sänger/innen nicht nur als schmückendes Beiwerk, sondern sind vielmehr das Grundgerüst der Band. Im Vergleich zum Vorgänger „Awaking The Centuries“ haben die klassischen Teile hier sogar noch zugenommen. Gleichzeitig muss der metallische Teil naturgemäß etwas zurückstecken, doch hier ist dieser einer der innovativsten deutschen Bands eine nahezu perfekte Mischung gelungen, an die wohl höchstens noch Therion mit ihrem neuen Doppelschlag „Lemuria / Sirius B“ anschließen können.

Doch auch wenn der metallische Part etwas mehr in den Hintergrund gerät, klingen Haggard wieder härter als letztens. Wenn in einem Moment die orchestrale Fraktion einen großen Auftritt hat, kann im nächstem Moment schon wieder ein sägender Riff und mächtige Doublebassschläge über dem klassischen Klangteppich liegen. Die Drums hätten zwar etwas weniger dumpf klingen dürfen, doch auch so drückt das Zeug gewaltig.Bei vielen anderen Bands werden klassische und metallische Parts oft nur leblos zusammengestückelt, doch das ist bei Haggard nicht der Fall. Klassische, mittelalterliche Musik fügt sich mit Metal zwischen Heavy und Death wunderbar zu einem Ganzen zusammen, wie man es kaum besser machen kann.

Einfach ist „Eppur SI Muove“ jedenfalls nicht, man muss dem 50-minütigem Werk schon ein gutes Stückchen an Zuneigung entgegenbringen, wenn es sich voll entfalten soll. Bei manchen kann das schon nach dem zweiten, bei anderen erst nach dem vierten oder fünften Hördurchgang passieren. Die vielen Elemente und vielfältigen Eindrücke müssen jedenfalls auch erst mal richtig verdaut werden. Unübersichtlich oder kompliziert wird’s aber auch nicht.
Textlich wird wieder bei mehreren Sprachen geplündert. Neben den englischen, deutschen und lateinischen Lyrics fügen sich diesmal auf italienische Worte mit ein. Explizit hervorheben braucht man keines der fünf Lieder und drei Instrumentals, aus dem Rahmen fallen hier lediglich die beiden Versionen des traditionellen Volksliedes „Herr Mannelig“, die hier in einer düsteren und kuscheligen Version mit genial dazu passendem Soprangesang aufgenommen wurde. Bei der zwei Minuten langen kürzeren Version am Ende der CD schleichen sich die Gitarren und die Tenorstimme gleich zu Anfang des Stückes ein, bei der um drei Minuten längeren Fassung lässt man sich damit etwas mehr Zeit und setzt auf Gänsehautatmosphäre pur.

Wer Klassik und Metal gerne vermischt hört, der kommt an Haggard nicht mit reinem Gewissen vorbei. Die Truppe liefert hier ein Album ab, dass ich ihnen in dieser Schönheit und Genialität nicht zugetraut hätte. Da bei der Erstauflage im Schuber noch eine halbstündige, professionell gefilmte DVD enthalten ist, sollte man also nicht lange zögern und zugreifen! Ähnlich großes Kino haben in letzter Zeit höchstens noch Disillusion mit ihrem Debüt „Back To Times Of Splendor“ auf einen Silberling gebrannt. Die haben mit Haggard zwar kaum was zu tun, aber sind nicht weniger gut.
Doch nun holt euch erst mal dieses von 26 Männern und Frauen eingespielte Popcornkino für die Ohren in die heimischen Kopfhörer und genießt dieses Meisterwerk!

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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