Review Harpyie – Blindflug

„Alles hat seinen Sinn“, lautet ein häufig von betagten Menschen sehr glaubwürdig vorgetragenes Credo. Doch man muss noch kein Jahrhundert auf dem Buckel haben um zu erkennen, dass auch das Debütalbum der Folk-Rock-Newcomer HARPYIE seinen Namen leider nicht zu Unrecht trägt. „Blindflug“ heißt das Werk und passender kann dieser absolut blinde und naive Einstieg ins mittelalterliche Musikgeschäft kaum betitelt werden. Es lässt sich nur hoffen, dass am Ende dieses Fluges kein böser Absturz steht.

Die Homepage der 2011 gegründeten Truppe verspricht einiges: reißerische Stücke, kombiniert aus modernem Metal, klassischen Spielweisen und mittelalterlichen Klängen. Doch was bekommt der Hörer tatsächlich auf die Ohren? Eine Platte mit zehn Songs, die vor Eintönigkeit bestehend aus krachigen Gitarrenriffs, Dudelsäcken und nicht gerade überzeugendem Gesang nur so strotzen. Gewiss mag hier der ein oder andere Gesichtspunkt reine Geschmackssache sein, doch unbestreitbar ist, dass sich nahezu alle Lieder verblüffend ähnlich sind. Während der Einsatz der Instrumente eigentlich eher ein Lob verdient, so muss dringend am Abwechslungsreichtum der Melodien und vor allem am Gesang gearbeitet werden. Der springende Punkt ist nicht, dass die männliche Singstimme bereits auf der Homepage selbst schon euphemistisch als „ganz eigene Erzählstimme“ beschrieben wird und man demzufolge bereits an dieser Stelle eine unangenehme Vorahnung davon bekommt, wie passend die beiden Komponenten Musik und Stimme zueinander sind. Nein, vielmehr geht es darum, dass sie jedem Song exakt denselben Touch verleiht und zudem nicht sonderlich vielseitig wirkt. Es ist unmöglich, beim unbewussten Hören den Übergang von einem Track zum nächsten festzustellen, da die komplette Instrumentenverteilung äußerst unkreativ erscheint und immer wieder aufs Neue an das vorangegangene Stück erinnert. Dementsprechend müssen hier keine Beispiele für herausstechende Lieder gebracht werden, da quasi jede Aussage auf (beinahe) jeden einzelnen Titel zutrifft. Lediglich „Hundertdreyssig“ kann positiv hervorgehoben werden. Aber gut, auch das ist kein Wunder. Denn dieses Stück wurde bestimmt nicht unbegründet zum Promo-Track auserkoren und kann so etwas wie Wiedererkennungswert vorweisen, was dem Rest der Platte gänzlich fehlt.
Man sollte meinen, dass es einer Band mit sieben Mitgliedern möglich sein sollte, kreativ mit der Instrumentenzusammensetzung und dem melodischen Aufbau zu spielen. Stattdessen entsteht der Eindruck der allumfassenden Demokratie: Alle haben das gleiche Recht, sowohl gleich laut zu spielen als auch vergleichbar bedeutende Passagen zu übernehmen und auch ein Track mit einer weiblichen Singstimme darf dann natürlich nicht fehlen. Dass sich alle Titel noch dazu in nahezu der gleichen Oktave bewegen und auch dort Variationsreichtum absolute Fehlanzeige ist, soll hier gar nicht eingehender behandelt werden.

Eigentlich kann kaum mehr über diese Scheibe berichtet werden, da es schlicht und ergreifend nichts zu berichten gibt. Deshalb, um es kurz zu machen und das Ganze auf den Punkt zu bringen: 2-3 der dargebotenen Tracks sind hörbar und würden jedem Folk-Rock-Album gut tun. Doch kann aus acht sehr verwandt klingenden Liedern (ausgenommen sind das Intro „Gen Siebenbyrgen“ sowie der letzte Track mit Namen „Irrlichter“) kein überzeugendes Album gezaubert werden. Die Basis des Ganzen scheint rein vom Handwerk her solide zu sein, der Spielraum nach oben bezüglich Gewichtung der Instrumente, Melodieführung und Variation des Gesangs ist allerdings mehr als gewaltig. Da die Band und ihre Mitglieder noch sehr jung sind und bei wenigen Passagen durchblitzt, dass die Jungs und Mädels prinzipiell das Potenzial mitbringen um vernünftige Musik zu machen, besteht glücklicherweise noch Hoffnung, den Blindflug der Harpyien im Laufe der Jahre in einen Steilflug zu verwandeln.

Wertung: 2.5 / 10

Publiziert am von Uschi Joas

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