Review Indukti – Idmen

Gerade im Progmetal ist Innovation heutzutage ein Fremdwort; dass es auch anders geht, beweisen die polnischen Instrumentalweltmeister INDUKTI mit ihrer zweiten Platte „Idmen“:

Eckpfeiler des Sounds der fünfköpfigen Combo sind die omnipräsente Violine von Ewa Jablonska, ein Stilmix, der seinesgleichen sucht und die Tatsache, dass die Band auf einen festen Sänger verzichtet und stattdessen wechselnde Gastsänger engagiert, wenn sie solche für ihre hauptsächlich instrumentale Musik benötigt. Auf dem aktuellen Longplayer geben sich Michael Luginbuehl (Prisma), Nils Frykdahl (Sleepytime Gorilla Museum) und Maciej Taff (Rootwater) das Mikrofon in die Hand. Auf dem Debüt „S.U.S.A.R.“, das 2005 erschien, veredelte noch der mittlerweile nicht mehr gänzlich unbekannte Mariusz Duda von Riverside einige Kompositionen.

Der einzigartige Stil, den die experimentierfreudigen Polen fahren, mischt brettharte Riffs, virtuose Violine, komplexe Rhythmen, folkloristische Klänge und schrägen Avantgarde mit einer gehörigen Portion Wahnwitz. Düstere, brachiale Klanggewitter wie im achtminütigen Opener „Sansara“ erinnern mit ihren eintönig, aber rhythmisch vertrackten Gitarrenwänden an Meshuggah, bevor der Song nach fünf Minuten urplötzlich zur Ruhe kommt und mit einem wundervoll harmonischen Akustikgitarrenpart mit zauberhafter Geige endet. Ein fulminanter Einstieg in „Idmen“, der eindrucksvoll die melancholische Atmosphäre und Anspannung von INDUKTI klar macht, aber den Hörer auch an die Hand nimmt und am Ende aus der musikalischen Unruhe erlöst.

„Tusan Homichi Tuvota“ ist nach der instrumentalen Eröffnung der erste Track mit Gesang. Hinter dem Mikro steht Nils Frykdahl – und wer Sleepytime Gorilla Museum kennt, den dürfte es nicht verwundern, dass er die expressionistischste Gesangsdarbietung aller hier beteiligten Sänger hinlegt. Eine ziemlich improvisiert klingende Vocalline paart sich mit düsteren, gegrowlten Vocalakkrobatiken, Sprechgesang und seltsamen Grunzlauten. Dadrunter riffen die Gitarren in bester Zero Hour-Manier. Klingt interessant, ist es sicher auch; aber sicher ist auch, dass es nicht jedermanns Sache sein dürfte. Finster, kraftvoll und ziemlich durchgeknallt. Sollte man gehört haben.

„Sunken Bell“ ist lediglich ein 2 ½ minütiges, percussives Zwischenspiel, das dem Aufbau von Atmosphäre dient. Düstere, indische Klänge kommen aus dem Nichts und kehren dorthin auch wieder zurück, ohne Aufsehen zu erregen. Recht belanglos und unnötig.

„…And Who’s The God Now?!“ startet mit Tribaldrums ala Tools und atmosphärischen Gitarren, die an Oceansize erinnern und steigert sich langsam. Gesang mit beinahe tiefenpsychologischer Wirkung benebelt den Hörer, bis sich der Spanungsaufbau in eine progmetallisch-folkloristische Soundlandschaft entlädt, die Maciej Taff mit kraftvollem, bösem Gesang untermalt. Dazu gesellen sich Kreischlaute und „Hey“- und „Yayaya“-Rufe. Alles klar? Als instrumentale Vergleichspunkte lassen sich hier vielleicht Orphaned Land ausmachen, aber nicht ohne Grund steht auch Ensiferum im PR-Text, auch wenn die Ähnlichkeiten eher über zwei Ecken zu suchen sind.

Nach der extrem eigenartigen, seltsam faszinierenden, aber auch manchmal leicht anstrengenden ersten Hälfte der Platte mögen sich zartbesaitete Seelen jetzt eine Ruhepause wünschen. Die gibt es aber nicht: Es geht mit „Indukti“ gleich endzeitlich-apocalyptisch weiter, treibend, mit geilen Grooves und überdeutlichen King Crimson-Remiszenzen (Zeitalter: „ConstruKction Of Light“, „The Power To Believe“). Seltsame Sounds, die klingen wie Synthesizer, aber auch eine extrem verfremdete Gitarre oder Geige sein könnten, geben dem Hörer den Rest oder den absoluten O(h)rgasmus. Die letzten 50 Sekunden gibt es nochmal Akustikgitarre, der Vollständigkeit halber. Geil!

Die Akustikgitarre mündet abrupt in das panische „Aemaet“. Schon wieder keine Ruhepause. Monströse Riffs ohne Ende, aber leider auch eine wiederkehrendes Grundrezept, dass allmählich die Wirkung der majestätischen Klänge abschwächt. Als hätten INDUKTI um diesen Effekt gewusst, folgt ein verhältnismäßig ruhiger Mittelteil, in dem der Bass die Hauptrolle übernimmt, unterstützt vom virtuosen Schlagzeugspiel von Wawrzyniec Dramowicz. Dieser Teil ist vielleicht ein kleinwenig zu lang geraten, bietet aber zumindest kurzzeitiges Verschnaufen.

In „Nemesis Voices“ ist es dann Zeit für den Gastauftritt von Michael Luginbuehl, der Schweizer-Ausgabe von Maynard James Keenan, dem Sänger der Düster-Progger Tool. Für Anhänger der Combo dürfte dieser Song ein gefundenes Fressen sein, kommt er allein durch den Gesang schon nah an das Original. Der Mittelteil erinnert einmal mehr an die ebenso grandiosen Oceansize – melodisch, sehnsüchtig, leidenschaftlich und dennoch mit unbändiger Energie.

Das abschließende „Ninth Wave“ ist mit 11 ½ Minuten der längste Track auf „Idmen“ und ein krönender Abschluss für ein 63-minütiges musikalisches Abenteuer. Immerhin drei Minuten lässt sich die Band jazzig-psychedelisch treiben, ehe es zurück geht zu den messerscharfen Riffs, die aber durch sehnsüchtige Violinenklänge und freejazzige Trompete unterbrochen bzw. ergänzt werden.

„Idmen“ ist ein Album, das viel vom Hörer verlangt, an seinen Kräften zerrt und direkt auf seine Seele einwirkt. Die Band schafft das Kunststück, verschiedene Einflüsse klar und deutlich einzuweben und doch ein eigenes Gesicht zu bewahren.

Definitiv nicht gemacht für jedermann. Fans der genannten Bands (Ensiferum ausgenommen) betrachten die Platte bitte als Pflichtkauf, reingehört haben sollten allerdings alle, die auf komplexe, harte Musik stehen. Euch erwartet etwas Besonderes, dass allerdings über Albumdistanz ein klein wenig abwechslungsreicher ausfallen dürfte.

Wer nur mal kurz reinhören möchte und was möglichst Griffiges sucht: „Indukted“.

Wertung: 8 / 10

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