Review Inspirit – Moon (EP)

Neben allen negativen Folgen der Corona-Pandemie auf die Musikkultur gibt es doch ein paar positive Nebeneffekte. Einer davon dürfte auf jeden Fall die neu gefundene Zeit und Langeweile sein, die aufgelöste Bands dazu bewegt, wieder Musik zu machen. Eine dieser Truppen sind die unter dem neuen Namen INSPIRIT auferstandenen Vanna – und das sogar im Original-Lineup ihrer ersten Full-Length „Curses“ aus dem Jahr 2007 – zum Ende der Band im Jahr 2017 waren davon nur noch Lead-Gitarrist Nick Lambert und Bassist Shawn Marquis übrig.

Eines der Markenzeichen Vannas war es, dass Fans nie wussten, was sie mit jedem neuen Output erwarten sollten. Auf jedem Album überzeugte die Band mit anderen Charakteristika – auf dem Debüt mit chaotischen Riffs à la Norma Jean, auf „And They Came Baring Bones“ mit einem tollen Sinn für Melodien oder auf der vorletzten Platte „Void“ mit klassischem Hardcore-Einschlag. Die einzige Konstante war dabei die Handschrift von Songwriter Nick Lambert, der stets mit klarer Vision ein in sich stimmiges Gesamtwerk erschaffen konnte.

Bei der jetzt erschienenen „Moon“-EP ist es nun erstmals so, dass der Fan genau weiß, was er erwarten darf. Denn INSPIRIT, so viel war von vornherein klar, wollen genau das machen, womit sie ihre Karriere begonnen haben: chaotischen Post-Hardcore mit Mathcore-Einflüssen und eingängigen Refrains. Dieses Mid-2000’s-Post-Hardcore-Revival ist dabei selbstverständlich absoluter Fan-Service, doch INSPIRIT ausschließlich darauf zu reduzieren wäre wiederum unfair. Denn von Beginn an merkt man dem Quintett an, dass sich hier fünf Freunde zusammengefunden haben, um endlich wieder gemeinsam Musik zu machen.

Mit großer Spielfreude legen sie auf „Fold“ los, springen dem Hörer mit einem knackigen Hardcore-Riff in den Nacken, beißen umgehend mit einem druckvollen Breakdown zu und besänftigen einen wieder mit der unverändert wundervollen Stimme von Rhythmus-Gitarrist und Clean-Sänger Evan Pharmakis – alles innerhalb der ersten 60 Sekunden. Den Spaß, den INSPIRIT selbst dabei haben, kann man nicht nur im Musikvideo zu „Fold“ sehen, sondern auch hören: Drummer Brandon Davis wirbelt über die Felle und sorgt mit einem so simplen wie eingängigen Fill vor dem Refrain für einen der Höhepunkte des Openers, die Saitenfraktion spielt mit einer Leichtigkeit auf, als wäre es 2007 und sie noch Anfang 20 und das Zusammenspiel der heiseren Shouts von Preece und der sanften Stimme von Pharmakis befindet sich nach wie vor auf hohem Level.

Bevor der zweite Track „Deep Cove“ überhaupt richtig anfangen kann, keift Shouter Chris Preece schon wieder drauflos, die Gitarren setzen mit dissonanten Akkordfolgen und Tönen ein und nur für Pharmakis‘ Stimme kehrt auch an der Saitenfront etwas wie Melodie und Harmonie ein. Für aufmerksame Fans bieten INSPIRIT auch mit dem Breakdown ein echtes Schmankerl, der eine Hommage an den Vanna-Song „Magnetic Knives“ darstellt.

Insgesamt halten INSPIRIT das Tempo auf allen fünf Tracks hoch und lassen dem Hörer keine Verschnaufpausen. Mit „Northern Light“ beweisen die Bostoner, dass sie all ihre Trademarks auch in unter zwei Minuten in einen Song packen können und für „Holy Voltage“ wird der Vorschlaghammer herausgeholt und ein Loch in das Raum-Zeit-Kontinuum geschlagen – denn INSPIRIT befördern einen schlichtweg in eine Zeit zurück, in der gerade das erste iPhone auf den Markt kam. Für den Abschluss haben sich die Amerikaner mit „Drawing Down The Moon“ nicht nur den mit 3:24 Minuten längsten Track aufgehoben, sondern auch den geradlinigsten. Zwar verfolgt die Band mit dem dissonanten Main-Riff klar weiter ihre Linie, doch sorgen ein abermals schöner Refrain, ein klassischer Two-Step-Part und eine ans Ende gesetzte Clean-Passage mit anschließendem Breakdown für eine gewöhnlichere Songstruktur.

So entlassen INSPIRIT ihre Fans nach gerade einmal 13 Minuten wieder zurück in die Gegenwart. Der kurze Trip in die Vergangenheit erfüllt einen jedoch mit viel Nostalgie und Freude – und INSPIRIT liefern dafür den optimalen Soundtrack. Klar, das originale Vanna-Lineup zielt hier nicht darauf ab, viele neue Fans für sich zu gewinnen – dafür entspricht die Musik schlichtweg nicht mehr den Standards der aktuellen Zeit – mit der „Moon“-EP hat es allerdings ihren alten Fans und sich selbst ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk bereitet. Ob INSPIRIT es bei dieser einen Zusammenkunft belassen, als reines Studioprojekt weitermachen oder man vielleicht sogar auf Auftritte hoffen darf, ist derzeit noch unklar. Mit dem Zuspruch vieler alter Fans sollte Letzteres aber hoffentlich drin sein.

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Publiziert am von Silas Dietrich

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