Ein erneuter Griff in die Mottenkiste der 80er/90er-Jahre. Und so wie man manchmal auf Opas Dachboden einen Rembrandt findet, hält der geneigte Hörer mit INVADERs gleichnamigem Debüt ein echtes Re-Release-Perlchen in den Händen – vielleicht nicht vom Format des niederländischen Meisters, aber doch immerhin vom Rang eines hervorragenden bis nahezu eigenständigen Kopisten. Gelehrige Schüler waren INVADER allemal und man muss wohl dem Promo-Zettel zustimmen: Hätte die Grunge-Welle nicht den noch jungen Metal-Bands in Amerika und sonstwo auf der Welt wirtschaftlich das Wasser abgegraben, aus INVADER hätte vielleicht eine ziemlich große Nummer werden können.
Denn: Der erwähnte Kopist, der sich seinem Meister nähert, wird hier zum Kopisten, der sich seinen Meistern nähert – und der Plural ist hierbei von tragender Bedeutung. Anders formuliert: Wer sich nur einen Stil zum Vorbild nimmt, kopiert; wer sich an sehr vielen Stilen orientiert, schafft Kunst. Und INVADER hangeln sich an diesem Leitfaden durch ihr Album, auf dem sich nicht nur US-Metal wiederfindet, sondern auch geschliffener Hard Rock, frühe Doom-Metal-Elemente à la Black Sabbath oder den kauzigen Pentagram und auch ziemlich epische, durch Keyboards hervorgerufene und teils an Mercyful Fate erinnernde Parts.
Nach den ersten Stücken „Master Of Suspence“ und „Living Scared“, die recht unbefangen drauflos rocken, hätte man noch kaum erwartet, dass diese CD einen so packenden Spannungsbogen bereithalten würde. Zwar sind beide Songs kompositorisch überdurchschnittlich – auffallend sind die High-Pitched-Gesänge und das manchmal etwas hektische Gitarrenspiel –, aber vollends umwerfende Kracher sind sie nicht. Aber schon das folgende „Victims Of Terror“ ist atmosphärischer, nachdenklicher. Ab „Infinite Quest“ tauchen dann erstmals Keyboards auf und die Songstrukturen werden spürbar vielschichtiger, setzen deutlicher stärker auf Stimmung und Tiefgang und dieser Umschwung reißt letztlich die Qualität der Scheibe steil nach oben.
Immer wieder scheinen in den besten Momenten die großen Klassiker von Crimson Glory, den bereits erwähnten Mercyful Fate oder Metal Church durch; keine Frage, für Genre-Fans ist „Invader“ ein gefundenes Fressen. Am besten gefallen die Stücke „Glass Castle“ mit seiner süchtig machenden Strophenmelodie und das abschließende „Legends“, einem wunderschönen Stück, das ausgehend von nachdenklichen Tönen zu Beginn immer mehr an Härte gewinnt und die CD mit einem langen, eingängigen Instrumentalpart ausklingen lässt. Ganz ehrlich: Das ist richtig groß.
Zwar trifft Sänger Gary Cobb in den hohen Lagen nicht immer jeden Ton, ab und an klingts auch mal richtig schräg und natürlich hätte die Produktion mehr Druck vertragen können. Aber was solls: Die Songs versprühen ein großes Maß an musikalischer Magie. INVADER haben mit dieser ihrer bis dato einzigen Scheibe, die bereits 1992 das Licht der Welt erblickte, eine kleine Sternstunde des vielschichtigen, atmosphärischen Heavy Metals auf CD gebannt, authentisch und ehrlich. Wer ein stimmungsvolles und abwechslungsreiches Album sucht, das sich in der Schnittstelle oben genannter Bands bewegt, muss INVADER eine Chance geben.
Wertung: 8.5 / 10