Review Jochen Distelmeyer – Songs From The Bottom, Vol.1

(Akustisch) Spätestens wenn man an die fabelhaften Johnny-Cash-Versionen von „Hurt“ oder „Personal Jesus“ denkt, wird klar, dass Coverversionen in einigen Fällen eine sehr große Berechtigung besitzen: Oft entwickeln sich fremde Songs durch die Bearbeitung durch einen besonderen Künstler zu eigenständigen und beeindruckenden Stücken. JOCHEN DISTELMEYER wäre vermutlich von selbst dennoch nicht auf die Idee gekommen, sein Coveralbum „Songs From The Bottom, Vol.1“ aufzunehmen, geschweige denn zu veröffentlichen. Als er auf der Lesereise zu seinem Romandebüt „Otis“ einige seiner englischsprachigen Lieblingssongs alleine auf der Gitarre darbietet, wird er nach den Veranstaltungen allerdings oft mit der Frage konfrontiert, wo das eben Gehörte erworben werden kann. JOCHEN DISTELMEYER erfüllt nun den Wunsch seiner Hörer: Bevor sich einer der einflussreichsten und besten Texter Deutschlands an sein zweites „richtiges“ Soloalbum macht, erscheint Anfang 2016 „Songs From The Bottom, Vol.1“. Das Ergebnis ist ein schönes, ruhiges und kohärentes Album, das einen intimen Einblick in das Gemüt JOCHEN DISTELMEYERs ermöglicht und durch seinen Minimalismus den emotionalen Kern von Popmusik offenlegt.

Die Bandbreite an Künstlern, die JOCHEN DISTELMEYER für seine Sammlung von Lieblings- und Liebesliedern ausgewählt hat, könnte breiter nicht sein: Britney Spears trifft auf The Byrds, Kris Kristofferson steht neben Lana Del Rey und Aviciiist nur einen Katzensprung von Radiohead entfernt. In der hier enthaltenen Version von „Pyramid Song“ ist die legendäre Band aus England allerdings kaum wieder zu erkennen, da JOCHEN DISTELMEYER den Song ganz zu seinem eigenen Stück macht, das Anleihen an Blumfelds „Schmetterlings-Gang“ erkennen lässt. „Video Games“ wird durch JOCHEN DISTELMEYERs Stimme noch schöner als das bereits verzaubernde Original und in der hier vertretenen Version wird der Drive, die Leidenschaft und die Energie von Britney Spears „Toxic“ auch dem letzten Kritiker von Popmusik offenbart. Dass einige Nummern in einer mehr oder weniger Eins-zu-Eins Übernahme etwas blass bleiben, wie beispielsweise „Let’s Stay Together“, das ein bisschen zu überdramatisierte und auf Hall produzierte The-Verve-Cover „Bittersweet Symphony“ oder der Opener „Just Like This Rain“, wird durch den starken Gesamteindruck von „Songs From The Bottom, Vol.1“ kompensiert. Dass die Kombination aus sehr bekannten und stellenweise nur Insidern bekannten sowie zwischen neuen und alten Songs hin und her pendelt, ist umso schöner, zeigt dies doch die Verbindungslinien zwischen verschiedenen Epochen und Stilen auf.

Der musikalische Einsatz ist dabei absolut minimalistisch: Außer JOCHEN DISTELMEYERs Stimme, Akustikgitarre und Klavier sind keine Instrumente zu hören. Dieser Minimalismus zeigt, dass auch ansonsten überproduzierte Songs in ihrem Kern emotionale und intime Nummern darstellen. Sicher, die Abwechslung ist hier aufgrund der minimalen Mittel nicht sehr groß, aber das schmälert nicht den Hörgenuss.
„Songs From The Bottom, Vol.1“ ist genau das geworden, was man sich im Voraus erwartet hat: eine Fingerübung. Dass die meisten Nummern sich nicht wesentlich vom Original abheben, spielt dabei keine sonderlich große Rolle, kann JOCHEN DISTELMEYER doch mit seiner charakteristischen und leidenschaftlichen Stimme einigen seiner Lieblingsstücke einen ganz eigenen Stempel aufdrücken. Ein Vol.2 darf demnach gerne folgen – aber zunächst wird es spannend zu sehen, wohin JOCHEN DISTELMEYER die musikalische Reise zum regulären zweiten Album führt.

Wertung: 7 / 10

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