Review Mechanical Poet – Creepy Tales For Freaky Children

Totgeglaubte leben länger! Es wäre wahrlich eine Tragödie gewesen, wenn es bereits 2005 endgültig vorbei gewesen wäre mit Mechanical Poet. Nach nur einem Album gingen die Bandmitglieder auseinander, doch Lex Plotnikoff, der bei „Woodland Prattlers“ bereits zu einem grossen Teil für das Songwriting verantwortlich war, besann sich eines Besseren und zog neue Gefährten ans Land. In besonders grosse Fussstapfen musste dabei Jerry Lenin treten, denn meiner Meinung nach ist es fast unmöglich einen Max Samosvat gleichwertig zu ersetzen. Ebenfalls neu an Bord waren Vladimir Ermakoff und Serge Khlebnikoff, so dass nur drei Jahre nach dem Debüt der Nachfolger erschien, die zwischenzeitliche Auflösung also so gut wie unbemerkt blieb.

Tja, erschienen ist „Creepy Tales For Freaky Children“ zwar 2007, aber zunächst nur in Russland. Hierzulande kriegt man es selbst jetzt, mehr als ein Jahr nach dem Release, bei keiner grösseren Internetseite. Glücklicherweise sichtete ich das Album irgendwann mal in einem Ebay-Shop und der Kauf war direkt beschlossene Sache. Ein wenig bereue ich diese Entscheidung, denn zum Einen gibt es bei der ganz normalen Version drei Songs in russischer Sprache und zum Andren ist das Booklet auch ziemlich spärlich ausgefallen im Vergleich zum Vorgänger, aber darauf komme ich später noch mal zu sprechen.

Mit dem Titel des Zweitwerks gibt man die Thematik für – bis auf Ausnahme des letzten Songs – jedes Stück vor, eigentlich handelt es sich bei „Creepy Tales…“ um recht trostlose Geschichten, die aber durch die Musik und dem beibehaltenen Stil der Texte nicht ganz so deprimierend wirken. Tod und seelische Schmerzen spielen oftmals eine Rolle, doch wenn man sich nur der Musik widmet, dann wirkt es meist verharmlost, eben comic-artig, wie es ja auch schon bei „Woodland Prattlers“ praktiziert wurde. In der Hinsicht bleiben Mechanical Poet für mich weiterhin einzigartig, da man sich fernab von heroischen Heldengeschichten bzw. tiefgründigen persönlichen Erfahrungen bewegt, sondern sich mit einem vollkommen anderen lyrischen Gebiet befasst.

Meine erste Aktion nach dem Erhalt des Albums bestand deshalb nicht darin die CD in die Anlage einzuwerfen, sondern das Booklet zu inspizieren. Denn dieses war beim Debüt ein wahrer Hingucker mit schönen, kurzen Comics die einem zum Schmunzeln bringen konnten. Davon ist dieses Mal rein gar nichts übrig geblieben, bis auf die drei in russischer Sprache gesungenen Songs sind die Texte nicht abgedruckt, mehr war wohl für die normale Version des Albums nicht übrig, aber bis die „Director’s Cut“-Version von „Creepy Tales…“ hier erscheint wird wohl auch noch einige Zeit verstreichen. Darauf befinden sich übrigens die in englischer Sprache vorgetragenen Versionen von Track 5, 9 und 10, sowie ein Bonus-Song namens „Aztec Zombies“.

Nachdem das Booklet also eine erste Enttäuschung ist, kommt die Frage auf wie Mechanical Poet im Jahre 2007 denn klingen. Hierbei stellt man ziemlich schnell fest, dass eingesessene Fans sich direkt heimisch fühlen dürfen, denn es regiert weiterhin der Mix aus recht simplem, knackigem Gitarrenspiel und den einprägsamen Keyboard-Kompositionen von Lex Plotnikoff. Nach dem orchestralen Intro geht es direkt mit drei potenziellen Ohrwürmern los, die allesamt im flotten Tempo und ohne grosse Schnörkel daherkommen. Positiv ist das Schlagzeug herauszuheben, die Produktion ist viel druckvoller und etwas mehr im Vordergrund als auf „Woodland Prattlers“, was den Songs viel Antrieb gibt.
Jerry Lenins Stimme wirkt zunächst ein wenig eintönig, doch im Verlauf des Albums merkt man, dass er durchaus bemüht ist den Songs auch Charakter zu verleihen, bei der Ballade „Vesperghosts Of Milford Playhouse“ kann er sein Potenzial erstmals richtig ausschöpfen und wechselt zwischen bedächtiger, ruhiger Stimme und dem inbrünstigen Vortragen des Refrains, so dass mal wieder ein Hauch von Magie in der Luft liegt. Bei „Dolly“ darf er dann die traurige Geschichte einer Puppe erzählen, die von ihrer Besitzerin ausrangiert wurde und in einem Sexshop landet, ganz im Stile der „Swamp-Stamp-Polka“ wird die Rolle der Puppe mit einer eigenen Note versehen, die einem ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann.

Das Dreierpack ab „Lamplighter“ fängt was das Ambiente angeht die düstere Thematik des Albums am Besten ein, der nächtliche Charme kommt sehr deutlich zur Geltung und die Arrangements von Plotnikoff fallen auch mal etwas länger aus. Insgesamt muss man jedoch sagen, dass er auf „Creepy Tales…“ niemals so komplex und ausschweifend wird wie auf dem Vorgänger, die Spielzeit der Songs pendelt zwischen drei und fünf Minuten, ein Stück à la „Natural Quaternion“ oder auch „Old Year’s Merry Funeral“ wird man hier nicht finden. Das ist sehr schade, denn grade bei den Instrumental-Passagen konnte man sehr gut ins Träumen geraten, hier hingegen wirkt alles doch ein wenig komprimiert, als hätte man um der Eingängigkeit willen auf Tiefe verzichtet. „Once Upon A Day“ als Abschluss ist leider das unrühmliche Paradebeispiel dafür. Ich weiss nicht wirklich was man sich bei dem Song gedacht hat, wollte man unbedingt in die russischen Charts kommen, oder warum spielt man hierbei so unglaublich uninspiriert, als wäre man eine junge Pop-Rock-Gruppe, der es noch vollkommen an Identität fehlt. Ein Outro wäre wohl um einiges besser als Ausklang gewesen, so endet das Album mit einem faden Beigeschmack.

Es fällt mir nicht leicht „Creepy Tales…“ einzustufen. Es ist mit Sicherheit ein grundsolides zweites Album, das man sich gerne öfters mal anhört. Es ist aber auch meilenweit davon entfernt an die Grossartigkeit vom Debütwerk ranzureichen, dafür fehlen einfach fast komplett die grossen Momente, von denen es auf „Woodland Prattlers“ noch zuhauf welche gab. Jeder macht seine Arbeit prinzipiell gut, aber kaum mal herausragend. Jerry Lenin ist keine schlechte Wahl gewesen als Sänger, aber er ist halt auch kein Max Samosvat. Vielleicht lässt das Thema des Albums auch nicht ganz so viel Tiefe zu, aber mit zu hohen Erwartungen sollte man jedenfalls nicht an „Creepy Tales…“ herangehen. Wem die Art der Musik gefällt, dem sollte man aber mit Sicherheit ans Herz legen mal reinzuhören, es ist ja wie gesagt kein schlechtes Werk und man kann durchaus seinen Spass damit haben.
Jerry Lenin hat sich übrigens inzwischen auch schon wieder verabschiedet, ob Lex Plotnikoff ein unangenehmer Zeitgenosse ist oder ob er sich einfach nur um Abwechslung bemüht ist mir nicht bekannt, auf dem dritten Album von Mechanical Poet wird es aber somit bereits den dritten Sänger zu hören geben. Und vielleicht schafft man es bis dahin ja sich auch mal um einen ordentlichen internationalen Vertrieb zu bemühen.

Wertung: 7 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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