Review Mindmovie – Happiness And Tears

Langweilige Entspannungsmusik oder sphärisches Kopfkino – so lautet die Frage beim zweiten Soloabum von Achim Wierschem, Gitarrist der in den späten Siebzigern gegründeten Artrocker Flaming Bess. In jedem Fall handelt es sich bei „Happiness And Tears“ um eine sehr aufwendige Produktion: Den Hörer erwartet ein Doppeldecker mit satten 157 Minuten Spielzeit, 27 Songs, vielen Gastmusikern als aller Welt und einem umfassenden, komplett farbigen Booklet.

Wierschem fühlt sich vor allem den leisen Tönen verbunden. Sein Stil erinnert an Gitarristen wie David Gilmour oder Andy Latimer – Fans von Pink Floyd und Camel werden sich schnell Zuhause fühlen. Eckpfeiler der überwiegend instrumentalen Stücke sind neben seinem gefühlvollen Gitarrenspiel zahlreiche sehr moderne Synthesizer, Elektro-Sounds und -Beats. Das so entstehende Soundgemälde erinnert deshalb auch an den modernen Mike Oldfield oder – in den flotten und treibenden Momenten – an die Ozric Tentacles.

In einigen Stücken tritt Gesang als zusätzliches Stilelement hinzu, wobei durch den Einsatz verschiedener Stimmen Abwechslung geschaffen wird. Allerdings überzeugen die Gesangsperformances nicht immer – sei es durch mangelnden Ausdruck oder Melodien, die nicht recht zu zünden wissen. Die vorzüglichen Nummern „The Cage“ „Value System“ oder „Our Human Innocence“ zeigen jedoch, dass es auch anders geht. Hier trägt der Gesang ganz entscheidend dazu bei, dass der Song zündet und baut eine packende Atmosphäre auf.

Besonders gut gelingen Wierschem die längeren Nummern, wie „When We Dream“, „Back To Planet Earth“ oder das schon erwähnte „Our Human Innocence“ – hier kann sich der Hörer richtig fallen lassen und in den dicht gewebten Klangteppich eintauchen. Hervorzuheben ist auch die hervorragende (Eigen-)Produktion, die die Songs klar und dynamisch zu Gehör bringt. Daran merkt man, dass ein Musiker mit langjähriger Erfahrung am Werk ist!

Kritikpunkte gibt es freilich auch – aber diese sind sehr subjektiv: So ist der eine oder andere Track eine Spur zu süßlich geraten („Another Me And You“, „I’m Free“) und generell bewegt sich Wierschem eher in seichten Gewässern und gemäßigt rockigen Regionen. „The Fight“ markiert hier als hektisch-aufputschende Nummer das Ende der Härteskala. Über die gesamte Spielzeit von mehr als 2 ½ Stunden betrachtet ist die Musik zudem nicht abwechslungsreich genug, um dauerhaft zu fesseln. Das muss sie aber auch gar nicht: Denn wer hat heute schon Zeit, sich regelmäßig so lang Musik am Stück anzuhören? Beim Durchhören einer der beiden Einzel-CDs stellt sich jedenfalls keineswegs Langeweile ein – und beide haben genau die richtige Spielzeit für eine abendfüllende Traumreise unter dem eigenen Kopfhörer. Dort sollte das Album übrigens bevorzugt genossen werden.

Insgesamt ein wirklich überzeugendes Gesamtpaket für alle, die auf sphärische, gefühlvolle und moderne Gitarrenmusik stehen und sich nicht von der Hektik unserer Zeit aus der Ruhe bringen lassen wollen. Ein persönliches Album, nicht nur durch die voller Herzblut dargebotene und detailverliebte Musik, sondern auch durch das perfekt auf die Soundkulisse abgestimmte Booklet, in dem Achim Wierschem ein paar Zeilen zur Entstehung jedes Songs geschrieben hat. Das Fazit lautet also ganz klar: Hier gibt es viel zu entdecken, nur nicht die anfangs erwähnte langweilige Entspannungsmusik!

Bestellen könnt Ihr das Album unter www.flaming-bess.de für sehr faire 15 Euro plus 2 Euro Versand. Alternativ gibt es „Happiness And Tears“ bei allen wichtigen und großen Downloadshops.

Anspieltipps fürs schnelle Reinhören: „Into The Shades Of A New Dawn“, „Value System“, „Our Human Innocence“, „A Million Miles Away“, „Utilities Dance“

Wertung: 8 / 10

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