Review Neurosis – Honour Found In Decay

Wenn jemand auf der Suche nach der Vertonung des Jüngsten Gerichts ist, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis er auf NEUROSIS stößt. Seiner Zeit Jahre voraus waren das ´92er Werk „Souls at Zero“ oder das bahnbrechende „Through Silver in Blood“. Heute ordnet man die Truppe dem Post-Metal zu – ein Genre, das sie selbst erschaffen haben. Doch eigentlich ist die Musik der Kalifornier zu vielseitig und einzigartig um sie in Schubladen zu stecken. Die Wut des Hardcores, verschmolzen mit der Schwere des Sludges und außergewöhnlichem Schlagzeugspiel, bilden das monumentale Soundfundament NEUROSIS´, das Einfluss auf unzählige andere Bands hat. Auch das neue Album „Honour Found In Decay“ steht auf diesem Fundament, angereichert mit Quäntchen aus Folk und Ambient und ist düster bis ins Mark – auch wenn die Apokalypse nicht mehr so radikal den Hörer zu bedrohen scheint, wie in früheren Tagen.

„We All Rage in Gold“ eröffnet das Album und ist einer der stärkeren unter den sieben Songs. Im Mid-Tempo durchzieht ein groovendes Riff den Opener und die dezenten, von Synthesizer erzeugten Violinenklänge lassen den Hörer in das Album eintauchen. Produzent ist einmal mehr Steve Albini, der schon seit „Times Of Grace“ mit NEUROSIS zusammenarbeitet. Die knapp sechzig Minuten zu verdauen, braucht einige Durchläufe, denn Eingängigkeit muss dem (wie immer) schwierigen Songwriting weichen. Ruhige, erzählerische Passagen gehen unter dem NEUROSIS typischen Tribaldrumming in düsteres, verstörendes Riffing über. Darüber steht der erschütternde Gesang von Steve Von Till und Scott Kelly. Kaum eine andere Band schafft es mit ihrer Musik, derart düstere Klangwelten zu erschaffen.
Doch fehlt in manchen Momenten die allerletzte Vehemenz und Ausdruckskraft, die Großtaten der Männer aus Oakland ausgezeichnet haben. „My Heart for Deliverance“ zum Beispiel fällt, verglichen zu anderen Songs, ab und ist nicht fesselnd genug, um den Hörer über knapp zwölf Minuten hinweg voll bei der Stange zu halten. Trotzdem ist die Bandbreite an Einflüssen groß und die Kreativität an allen Ecken präsent. In „Bleeding The Pigs“ schimmern sogar Space-Rock-Anleihen durch, wie immer durchzogen von Jason Roeders wirbelndem Trommeln und dem Einsatz eingespielter Samples. Die ersten Minuten von „Casting the Ages“ sind von düsterem Folk geprägt.

Die Truppe setzt in einem Song mehr Ideen um als manche Musiker in ihrer ganzen Karriere. Und weil sie die Messlatte selbst immer höher gesetzt haben, geht man an ein neues Werk mit ganz anderen Erwartungen heran. Auch nicht neu ist die Tatsache, dass NEUROSIS keine Band ist, die nebenbei im Auto funktionieren kann, sondern eine, mit der man jedes Mal neu auf Tuchfühlung gehen muss. Wer bereit ist diesen Weg zu gehen, wird auch mit „Honour Found in Decay“ glücklich werden – auch wenn es sich nicht um eines der ganz großen Alben der Bandgeschichte handelt. Eine schwache Veröffentlichung hat man von NEUROSIS noch nie vorgelegt bekommen und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich das jemals ändern wird.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Michael

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