Ihr kennt das bestimmt. Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder. Man legt ein Album von einer Band auf, von der man noch nie was gehört hat, geht dementsprechend mit keinerlei Erwartungen heran und wird dann nach Strich und Faden weggeblasen. So kürzlich geschehen mit dem Debüt von OBRERO. Spanischer Name („Arbeiter“), lateinischer Albumtitel – man muss etwas näher hinschauen, um herauszufinden, dass es sich hier um eine schwedische Band handelt.
Das heißt, fast: Sänger Martin Missy, der früher bei den heute aufgelösten Wolfsburger Thrashern Protector hinterm Mikro stand und derzeit, neben anderen Gruppen, noch eine Protector-Coverband am Laufen hat, kommt ursprünglich aus Deutschland, wohnt aber heute in Schweden. Die restlichen Bandmitglieder kommen ebenfalls aus dem härteren Metal-Bereich, wodurch die Jungs schon mal was mit ihren Landsmännern Spiritual Beggars gemeinsam haben, von denen sie stilistisch auch nicht allzu weit entfernt sind. Bei OBRERO ist die Stoner-Ausrichtung jedoch eher zweitrangig bis nicht existent, denn hier wird vor allem eins absolut phänomenal zelebriert: Dooooooooom!
Das unheimliche Intro des Openers „The Wolf’s Hook“ deutet bereits an, was sich im Laufe des Albums mehr als bestätigt: OBRERO zocken astreinen Doom Metal in der Tradition der frühen Black Sabbath, und das auf durchweg beeindruckendem Niveau. Hier stimmt wirklich alles. Das Soundgewand kommt zeitgemäß und frisch daher, ohne an Retro-Spirit und Wärme einzubüßen. Das Songwriting ist durch die Bank originell, wodurch die acht größtenteils überlangen Tracks mit ihren gekonnt eingesetzten Tempowechseln und Spannungsbogen mitreißend und kurzweilig rüberkommen. Die schaurigen, eindringlichen Riffs von Lundquist und Öjermark, die zäh wie Lava aus den Boxen fließen, sind teilweise simpel gestrickt, aber dafür umso effektiver und die Tatsache, dass jeder, aber wirklich jeder Song eine fantastische Hookline hat, spricht eine eindeutige Sprache. Untermalt und verstärkt wird das Ganze hin und wieder von Synthie-Begleitung im Hintergrund.
Auch die kreativen Texte fügen sich in die morbide Atmosphäre, die der Albumtitel (lat.: „Die Toten lehren die Lebenden.“) suggeriert, ein. Beim Hören schwankt man dabei zwischen Geschichtsstunde und Schauerroman-Lektüre. In diesem Aspekt bewegen sich OBRERO also ebenfalls in den Fußstapfen der Großmeister aus Birmingham, aber in ihren eigenen neuen, nicht eingestaubten Schuhen. Da geht es mal um Werwölfe, vergessene Welten und Monster aus 70er-Jahre-Horrorstreifen, aber auch um altägyptische Pharaonen, fränkische Herrscher aus dem Mittelalter und slawische Gottheiten. Die helle, kraftvolle Stimme von Sänger Missy ergänzt dabei perfekt die groovende, lässige bis zackige Begleitung seiner Mitmusiker, die hörbar Spaß an der Sache haben.
Anspieltipps werde ich hier keine geben, denn „Morturi Vivos Docent“ ist von vorne bis hinten eine starke Platte geworden. Wer wie ich die ersten vier Sabbath-Alben vergöttert, darf sich an dieser Stelle gerne ein zweites Loch in den Hintern freuen. Auch Hörern, die Bands wie Pentagram, Witch und Candlemass nicht nur vom Hörensagen kennen und die aktuelle Welle der Retro-Bands in der Szene wie Graveyard und Orchid mit Interesse verfolgen, sollten in diese Platte unbedingt reinhören, denn ansonsten entgeht ihnen eine straighte, ehrliche und leidenschaftliche Aufsteiger-Band, mit der in Zukunft sicherlich zu rechnen ist.
Wertung: 9 / 10