Review Quidam – Saiko

Melancholisch, luftig und zeitlos – drei Wörter, die mir beim Hören der neuen Platte der polnischen Artrocker QUIDAM sofort in den Sinn kamen. Die sechsköpfige Band um Sänger Bartosz Kossowicz spielt lyrischen, ruhigen New Artrock auf eine erfrischend unaufgeregte und abgeklärte Art. Während ihre Landsmänner und Genrekollegen Riverside zu regelrechten Senkrechtstartern mutierten, sind QUIDAM bis heute ein Geheimtipp und haben damit anscheinend überhaupt kein Problem. Sie wollen nicht hoch hinaus; sie machen einfach ihr Ding. Da passt es perfekt ins Bild, dass die Band erstmals seit 2002 wieder ein Album in Landessprache aufgenommen hat – schließlich wird dadurch den meisten internationalen Hörern der emotionale Zugang zu der Musik enorm erschwert. Und Emotionen spielen in den Songs von QUIDAM eine große Rolle.

Im Gegensatz zum 2007er Vorgänger „Strong Together“ gibt sich das Sextett auf „Saiko“ noch songdienlicher und weitaus weniger ausladend. Die Neoprog-Wurzeln der Band sind völlig verschwunden, eine ungeheure Natürlichkeit und Selbstsicherheit durchzieht die zwölf neuen Kompositionen, die nach wie vor von perkussivem Schlagzeugspiel, folkloristischen Flötentönen und edlen Melodien getragen werden. Wie durch Magie ergeben die einzelnen Instrumente ein stimmiges, homogenes Ganzes, das völlig selbstverständlich vor sich hinfließt und wie ein lebendiger Organismus zu atmen scheint.

Ja, QUIDAM sind unaufgeregt. Manch einer mag es langweilig nennen. Das ist teil ihres Programms. Wer Härte, Ecken und Kanten sucht, darf weiterziehen. Wer virtuosen Musikern lauschen will, die wissen, worauf es bei Musik wirklich ankommt, der sollte sich „Saiko“ hingegen dringend auf den Einkaufszettel schreiben. Hier hat jeder Ton seinen Platz, seinen Sinn und Zweck. Es ist ein Werk, das sich nicht aufdrängt, das am Hörer schnell vorbeiziehen kann, ohne Eindruck zu hinterlassen. Es ist aber auch ein Album, das mit jedem konzentrierten Hördurchgang an Tiefe gewinnt, inspiriert, vitalisiert und nachhaltig begeistert. Die sanfte Stimme von Bartosz Kossowicz tönt oft nachdenklich und klagend, die Musik mal entrückt und mal modern, ohne technokratisch zu sein. In dieser Hinsicht erinnert „Saiko“ sehr deutlich an die schwedische Combo Paatos, die auf ihrem Debüt „Timeloss“ sehr ähnlich, wenn auch noch ruhiger, klang. Am Ende von beiden Alben hat man das Gefühl, eine Erfahrung gemacht zu haben, etwas unheimlich Bedeutungsvolles miterlebt zu haben. Es ist toll, wenn Musik eine solch übersinnliche Kraft und Wirkung entwickelt.

Ganz klar, unterhalten wollen QUIDAM nicht. QUIDAM wollen dich mitnehmen. Schließ die Augen und lass dich davontragen. Dich erwartet Musik, bei der du für fast eine Stunde Zeit und Raum vergessen kannst. Brillant!

Wertung: 9 / 10

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