Review Redcraving – Lethargic, Way Too Late

Puhhh, was für ein Brocken! Naja gut, bei knapp 30 Minuten eher Bröckchen – aber trotzdem – was einem REDCRAVING auf ihrem Debutalbum „Lethargic, Way Too Late“ vorlegen, ist alles andere als leicht verdaulich. Waren die ersten Hördurchläufe noch geprägt von ablehnendem Unverständnis, totaler Verworrenheit und irritierter Verwunderung habe ich mitlerweile einen mehr oder weniger ausgeprägten Zugang zu dem Werk gefunden. Dabei machen es einem die fünf Berliner nochmal besonders schwer, verstecken sie doch die Höhepunkte des Albums in der zweiten Hälfte.

Los geht’s mit einem unkonventionellem Country-Intro, der tiefere Sinn oder Zusamenhang zum Album erschließt sich mir zwar nicht, nett ist die Idee trotzdem. Ganz im Gegensatz zum eröffenden „We Sleep In Silence“. Anstrengend und sperrig aber auch groovig, präsentiert sich das Quintett gleich im ersten Song von seiner heftigsten Seite und könnte den Einstieg in das Album kaum hörerunfreundlicher gestalten. Dabei bedienen sich die fünf Hauptstädter nicht mal unorthodoxer Methoden, im Gegenteil: Das Dargebotene lässt sich am Besten als typisch vertrackter Post-Hardcore mit Scremo/Emo Shouts und Ausflügen in die Noisewelt mit ihren schreddernden Gitarrenwänden beschreiben. Eine Mischung die derzeit recht an vogue ist und gerade deshalb besonders hohe Anstengungen an die Musikern stellt um sich von der Masse abzuheben. Dessen scheinen sich REDCRAVING aber durchaus bewusst zu sein. Schon im folgenden „Delete“ werden Ambient/Elektro-Schnippsel in die Musik gestreut um dem Ganzen einen eigenen Stempel aufzudrücken, was auch gelingt. Startet der Track noch eher langweilig gewinnt er ab dem Mittelteil immens und verweist auch das folgende „The Delayed“, was leider trotz allen Chaos wieder viel zu austauschbar geraten ist, in die Schranken. Doch REDCRAVING legen mit „…His Queen As Well“ nochmal deutlich nach und zeigen warum der Deal mit Midsummer Records mehr als berechtigt ist. Das bewährte Stilgerüst wird in dem Song über weite Strecken mit Elektrosounds angereichert und zudem nach 3 Minuten noch mit einem dermaßen eingängigen Instrumentalteil versehen, dass die Komplexität des Stückes plötzlich schlüssig, weil auflösbar erscheinen lässt. Dass dann mit „Separate“ noch eine sehr kurze aber auch sehr ruhige und vor allem sehr gelungene Nummer folgt, unterstreicht noch einmal die Qualität der Berliner bevor das abschließende siebenminütige „The Gorge“ sogar noch in progressiv rockige Gefilde abdriftet.

Glücklicherweise werden bei uns EPs nicht Bepunktet! Zu schwer ist hier eine objektive Wertung. Einerseits finden sich wirklich großartige Momente auf (der zweiten Hälfte) der Scheibe, die einen, sobald man sie sich erarbeitet hat, den Player immer wieder gerne anwerfen lassen. Andererseits klingen die Berliner an vielen Ecken noch zu gewöhnlich bzw. zu unausgereift. Der Ansatz mit den elektronischen Einflüssen ist sicher ein Weg den die Herren weiter beschreiten sollten, ebenso das Münden ihrer chaotisch apokalyptischen Ausbrüche in irgendetwas, seien es eingängige, ruhige oder verspielte Teile. Zu groß ist sonst die Gefahr, dass die unkanalisierte Wucht der sperrigen Komposition den Hörer schlicht überfordert. Gelingt es REDCRAVING an die Höhepunkte von „Lethargic, Way Too Late“ anzuküpfen, werden wir noch öfter von ihnen hören, wenn nicht, bleibt wohl eher ein Dasein in der derzeitigen Masse an Post-Hardcore Acts. Wer gern mit Musik ringt und sich einen Zugang erst erarbeiten will, sollte mal reinhören. REDCRAVING liefern hier ein Album ab, dass definitiv nicht für die Masse geeignet ist.

Keine Wertung

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