Nach den zwei Demos „Travelling Minds“ (2001) und „Behind Your Eyes“ (2002) ist nun das erste Album der „Violin-Rock“ Band Regicide aus Oldenburg erschienen. „Viorus“ hält 10 Songs mit einer Spiellänge von insgesamt 53 Minuten bereit, wobei einige Titel bereits von den Demotapes bekannt sind und für das Majorlabel-Debüt neu aufgenommen wurden. Dank Konzerten im Vorprogramm von solch namhaften Bands wie Uriah Heep, Manfred Mann’s Earth Band, Saga und Haggard konnte sich die Band einen Plattenvertrag mit BMG/Fame Recordings sichern.
Eckpfeiler des Sounds der Oldenburger sind sowohl Bezüge auf den Artrock der 70er Jahre als auch eine generell sehr rockige und bombastische Grundatmosphäre, die mit modernen Sounds durchsetzt ist. Erweitert werden diese durch die schönen Violinenparts von Jonna Wilms und das epische Klavierspiel von Keyboarder Heiner Jaspers. Eine Besonderheit von REGICIDE liegt darin, dass die Band mit zwei Sängern agiert: Frauke Richter ist für die eher verträumten Melodien zuständig, Timo Südhoff sorgt mit seiner tiefen, dunklen Stimme das ein oder andere Mal für einen leichten Gothictouch.
Wer jedoch jetzt denkt, wir hätten es mit einem Aufguss von Nightwish, Evanescence oder Kansas zu tun, hat falsch gedacht. Regicide sind viel komplexer als Evanescence, lange nicht so in Metal- und Gothicklischees gefangen wie Nightwish, schreiben aber auch symphonischen, progressiven Instrumentalpassagen nicht so viel Raum zu wie Kansas. Sie unterwerfen sich nicht den Regeln dieser Stile, sondern nutzen sie nur dann, wenn sie für den Song geeignet erscheinen. So dürfte der Opener „Behind His Eyes“, natürlich mit passendem Video ausgestattet, durchaus Singlepotential haben. Mit „The Fragrance“ findet sich hingegen ein progressiv angehauchter, perfekt durcharrangierter Rocksong, der auch live ziemlich zu überzeugen weiß. Für den Proghörer von zentraler Bedeutung ist „An Embracing Space“: Ein zweiteiliger Longtrack, der in sich sehr geschlossen ist und im ersten Teil hauptsächlich sehr atmosphärisch und düster daherkommt, ehe das Thema im zweiten Teil namens „Paths Within Outselves“ in ein symphonisch-progrockiges Gewand gekleidet wird. So sollte ein echter Longtrack gemacht sein. Auch auf dem Balladensektor weisen Regicide ein sicheres Händchen auf. Das kurze „Lonely Voices“ erinnert ausnahmsweise wirklich an „My Immortal“ von Evanescence und hätte sicherlich als Singleauskopplung auch gute Chancen auf Charterfolge. „Along The Way“ hingegen präsentiert sich als rein traditioneller, sehr zarter und zerbrechlicher Folksong mit mystischer Ausstrahlung; hier hat man die härteren Momente zu Gunsten von Gänsehaut und Melancholie einfach weggelassen. Meiner Meinung nach findet sich hier auch die beste Gesangsleistung von Frauke Richter. „Biography“ schließlich beendet das Album überzeugend und mit positiver Grundstimmung.
Doch es gibt auch einen Kritikpunkt: Der Song „Mastery Demise“ ist auch bei aller Liebe zum Bombast etwas sehr kitschig und überzogen geraten. Hier wird mit einer Sprechstimme eine Atmosphäre erzeugt, die kurzzeitig an Powermetal und die Fantasy-Epen von Bands wie Rhapsody erinnert. Natürlich ist so etwas Geschmackssache, aber es passt einfach nicht zu REGICIDE und wirkt aufgesetzt. Generell sollte vielleicht noch hinzugefügt werden, dass man für „Viorus“ schon ein ausgesprochener Bombast-Fan sein sollte; ist dieses Kriterium jedoch erfüllt, wird man an dem Album einen Heidenspaß haben. Da die CD auch ansprechend produziert ist und die Band sich sowohl im Netz als auch bei Livekonzerten sehr sympathisch präsentiert, wäre ihnen auf jeden Fall weiterer Erfolg zu wünschen. Regicide sind eine dieser Bands, die es schaffen können, mit ihrer Musik einen größeren Hörerkreis anzusprechen, auch außerhalb des Progressive Rock.
Kleiner Wehrmutstropfen: Bassist Christian Hanke hat sich nach den Aufnahmen zu „Viorus“ aus bandinternen und privaten Gründen leider von der Band getrennt. Da er den Auftritten von Regicide immer eine gehörige Portion Ironie und Fun verliehen hat und dazu noch ein guter Musiker war, ist das gleich doppelt schade.
Wertung: 8 / 10