Review Reverend Bizarre – III: So long Suckers

  • Label: Spikefarm
  • Veröffentlicht: 2007
  • Spielart: Doom Metal

Hier ist es nun, traurig aber wahr: Das letzte Album von REVEREND BIZARRE. Aus, Ende, vorbei. Es handelt sich hier tatsächlich um den allerletzten Output des finnischen Trios; es wird keine Tour mehr geben, das mit Galgenhumor betitelte „III: So long Suckers“ („Bis dann, Trottel“) zieht einen Schlussstrich unter die acht Jahre lange Geschichte des bizarren Geistlichen – er steigt in eines der Gräber, die er geschaufelt hat. Aber er hat uns etwas hinterlassen! Der Finnen-Dreier vermacht uns dieses Doppelalbum mit der kolossalen Länge von 130 Minuten.

Leute, das hier ist ein verdammtes Schwergewicht. Wie lang ist Dream Theaters „A Change of Seasons“? 23 Minuten? Bah! REVEREND BIZARRE machen die halbe Stunde gleich mit dem Opener voll. Und schon hier zelebrieren die Herren wieder den Retro-Doom, den sie so unverwechselbar gut draufhaben. Es beginnt mit schleppenden, undefinierbaren Bassgeräuschen und hypnotischem Drumming, bis dann die Gitarre in den Trott einfällt. Fort und immerfort erklingt immer wieder der gleiche Ton, als schließlich bei 2:49 das erste Gitarrenriff ertönt, und siehe da – es ist schnell! Nunja, schnell ist bei REVEREND BIZARRE selbstverständlich ein sehr relativer Begriff, mehr als Midtempo gibt’s hier nicht, aber dafür groovt das Riff einfach wie Hölle, und für die Dauer, die es anhält, entsteht bei mir, wie seinerzeit auch schon beim Kollegen Krüger, ein gewisser Drang zu tanzen. Doch schon bald weicht das Tanzen einem monotonen Kopfnicken, wenn hier wirklich Doom aufgetischt wird. Es wurde zwar wahrscheinlich schon oft gesagt, aber ich habe einen Heidenrespekt vor den drei Finnen, dass sie so dermaßen langsam spielen können. Die Musiker unter euch wissen, wovon ich rede – schnell frickeln oder knüppeln kann jeder, aber willentlich so lahm zu spielen ohne zu eiern erfordert eiserne Disziplin und Beherrschung. Schon der erste Song auf „III: So long Suckers“ (und damit die erste halbe Stunde) ist eine absolute Doom-Lehrstunde – Leute, so geht’s!

„Sorrow“ schließt fast an die Länge des vorherigen Liedes an. Und doch ist es ganz anders – hier beginnt man nicht fröhlich. „Fröhlich“ ist für die Dauer dieses Songs im Hirn des aufmerksamen Hörers ein Fremdwort. Diese 25 Minuten sind das zu Liedgut geronnene Trübsal. Wer selbiges eh schon bläst, sollte sich dieses Lied besser nicht antun, besser wird’s davon sicher nicht, eher schlimmer. Es ist einfach nur überwältigend, wie REVEREND BIZARRE es schaffen, mit gerademal vier Instrumenten und minimalem Aufwand eine derartig dichte Atomsphäre zu erschaffen, die einen so in ihren Bann ziehen kann. Besonders bei „Sorrow“ empfehle ich den Genuss mit Kopfhörern. Die gedoppelten Gitarrenlinien sind einfach nur göttlich.

Ich könnte mich jetzt in dieser Weise über jeden der Titel auslassen, aber das würde dann wohl doch ziemlich den Rahmen sprengen. Jedes der Mini-Epen ist zumindest grundsolide, hinzu kommt in jedem Lied mindestens ein starker Moment. Seien es das Gitarrensolo bei „One last Time“ (irgendwo muss der Gitarrero ja auch mal den Dicken raushängen lassen), das insgesamt rockige „Kundalini Arisen“, das mit seinen viereinhalb Minuten aus der Reihe fällt oder die erhabenen, zum Titel passend kaiserlichen Synthesizerklänge am Ende von „Caesar Forever“ und die hypnotisch wiederholte Titelzeile („Christs may come and christs may go, but Caesar is forever – come, my son, and you will know, tonight we hunt together“), alles passt wie Arsch auf Eimer. „Anywhere out of this World“ glänzt zum Abschluss mit dem einlullenden Intro, herrlich anklagendem Gesang im Mittelteil und irgendwie Hoffnung suggerierenden Klängen am Ende.
Allgegenwärtig sind die mal hypnotischen, mal klagenden, mal rockig-groovigen Gitarrenriffs einerseits und der kongeniale Gesang des Magister Albert andererseits. Das Organ dieses Mannes ist unheimlich wandelbar von Anklage über trauer- und wahnsinnsgeschwängertes Flüstersingen bis zu kraftvollem Normalgesang bekommt er alles bravourös hin und es ist ein Genuss, ihm zuzuhören. Ergänzend sei gesagt, dass die meisten Texte auf „III: So long Suckers“ aus seiner Feder stammen – und tatsächlich seine Gefühlswelt wiederspiegeln. Wäre es anders möglich, solche Musik zu erschaffen? Ich möchte es bezweifeln…

Nach 130 Minuten sitze ich gebannt da und denke über die Musik nach, die ich gerade gehört habe, und ich bin einfach nur fasziniert und begeistert. Mit „Sorrow“, „Caesar Forever“ und „Anywhere out of this World“ finden sich auf dieser Scheibe gleich drei Anwärter auf meinen persönlichen „besten Song aller Zeiten“, das ist einfach die pure Genialität. Natürlich muss ich anmerken, dass jemand, der nichts von der zelebrierten Langsamkeit des Doom Metal hält, mit diesem Album wenig Freude haben wird, denn für Freunde des Uptempos ist das hier schlicht zu lahm. Wer sich aber damit anfreunden kann und auf vor Atmosphäre berstende Musik steht, könnte Gefallen an „III: So long Suckers“ finden. Und für Doom-Freunde ist dieses Album eh ein absoluter Pflichtkauf, wie auch der Vorgänger „II: Crush the Insects“. Der Reverend liegt jetzt im Grab, aber sein Erbe wird in Form seiner Musik weiterleben. Dieses Album ist einfach großartig und kassiert von mir einen glatten Zehner für extrem dichte Atmosphäre, hervorragendes Songwriting und erstklassige Instrumental- und Gesangsleistungen.

The Reverend is dead – all hail the Reverend!

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert