Review Roine Stolt – Wall Street Voodoo

  • Label: InsideOut
  • Veröffentlicht: 2005
  • Spielart: Rock

ROINE STOLT hat mit seinen Flower Kings dem klassischen Retroprog, neben Neal Morse mit Spock’s Beard, zu einer Art Wiedergeburt verholfen. Die Alben „Retropolis“ und „Space Revolver“ seiner Stammband sollten bei jedem Proghörer im Schrank stehen. Kritiker und Fans erfreuen sich gleichermaßen an solch großartigen Alben wie „Stardust We Are“ oder „Unfold The Future“. Dieses Jahr hingegen gibt es kein neues Flower Kings-Album, ROINE STOLT versucht es mal wieder alleine. Und ganz anders!

Sein neues Album, übrigens sein insgesamt schon fünftes Solowerk, beschäftigt sich voll und ganz mit den Ursprüngen der interessanten und anspruchsvollen Rockmusik.„Wall Street Voodoo“ zelebriert fast volle zwei Stunden mal mehr, mal weniger experimentellen Bluesrock und lässt sich dabei auch gern mal Zeit für ein paar ausführliche Improvisationen und Psychedelic-Einschübe. Nun ist ROINE STOLT sicherlich ein Gitarrist mit hohem Wiedererkennungswert, sein Stil ist einzigartig und interessant. Nie hatte er demzufolge mehr Zeit, sich und sein Können vorzustellen, als hier. Für Fans seines Gitarrenspiels ist die Scheibe also bestimmt ein gefundenes Fressen.
Für mich, als durchaus großen Freund der Flower Kings, ist das hier vorliegende Material jedoch insgesamt mehr als einschläfernd. Problematisch ist noch nicht einmal das Songwriting an sich. Die Songs sind zumindest teilweise mit sehr schönen Melodien versehen. Allerdings erscheinen sie endlos lang, künstlich gestreckt und besitzen eben nicht den tollen Spannungsbogen und Ablauf von manchem Flower Kings-Longtrack.
Der Gesang von Roine ist zudem ja bekanntlich nicht jedermanns Geschmack. Seine rauchige, undynamische Stimme wirkt hier auch nicht aufmerksamkeitssteigernd. Vielleicht hat er sich deshalb auch Kollege Neal Morse ins Boot geholt, der bei ein paar Nummer singt, jedoch aufgrund von verschiedensten Effektgeräten stimmlich meistens nur sehr schwer rauszuhören ist. Wahrscheinlicher aber ist die interne Absprache „Spielst du bei mir, sing ich bei dir!“, denn Roine war ja auch als Gitarrist auf Neals „?“ beteiligt. „Everyone Wants To Rule The World“ erinnert mit seinen beatlesken Harmonien und der Instrumentalgestaltung arg an „Suite Charlotte Pike“ von Transatlantic, was so manchen Freund der ehemaligen Supergroup freuen dürfte. Hier geht das Rezept – im Rahmen eines kurzen, knackigen Songs – auch mal auf! Von CD1 ist ansonsten noch „Spirit Of The Rebel“, „Sex Kills“ und, mit Einschränkungen, der Opener „The Observer“ zu empfehlen, der unter der oben beschriebenen Langatmigkeit leidet. Bleiben also gut 28 Minuten Musik auf CD1, der man das Prädikat „okay“ vergeben kann.

Also weiter mit CD2: Auch hier setzt sich das Bild der brilliant gespielten Langeweile fort. Die Songs haben größtenteils keinerlei Wiedererkennungswert, alles klingt gleich. Wirklich schade! „Remember“ macht hier noch mal eine Ausnahme. Neal und Roine singen hier zusammen. Klingt einfach toll! Auf CD2 haben sich scheinbar die etwas freakigeren, psychedelischeren Nummern eingefunden. Das war dann aber auch schon der einzige Unterschied. Der Abschlusstrack „People That Have The Power To Shape The Future“ ist auch noch mal ganz nett.

ROINE STOLT ist meiner Meinung nach viel zu sehr ein Perfektionist, als das er jemals die Erdigkeit und den Rotz des Blues verkörpern und leibhaftig spielen könnte. Das Material auf „Wall Street Voodoo“ ist größtenteils schlicht zu brav. Lustig und das wohl Spannendste an der Platte: Hinter den Synonymen „Slim Pothead“, „Gonzo Geffen“ und „Victor Woof“ verstecken sich angeblich namhafte Musiker aus anderen Genres, die hier aus Vertragsgründen nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden durften. Mit Marcus Liliequiest und Hasse Bruniusson sind auch zwei Flower Kings-Kumpels dabei.

Von den etwa 110 Minuten Spielzeit bleiben gut 45 Minuten, die man zumindest einmal gehört haben sollte. Das sollte aber auch reichen. Ein zweites Mal wird es dann wohl nicht geben. Der Rest ist unnötiges Füllmaterial. Da ROINE STOLT aber als Musiker unabdingbare Qualitäten aufweist, das Album handwerklich gesehen topfit ist und zudem absolut perfekt zu einem Abendessen mit Wein und Kerzenschein passt, kann ich nicht unter die angegebene Punktzahl gehen.
Tipp an Roine: Demnächst mit etwas mehr Power, bitte! Und lass dir gesagt sein: Du musst nicht jedes Jahr mindestens 1 ½ Stunden Material auf den Markt werfen. Sorry!

Wertung: 5.5 / 10

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