Review The Big 4 – Live From Sofia, Bulgaria (DVD)

  • Label: Universal
  • Veröffentlicht: 2010
  • Spielart: Thrash Metal

METALLICA sind seit knapp drei Jahrzehnten nicht nur eine, beziehungsweise die Größe in der Metal-Welt, sondern auch dafür bekannt, eine Band der Superlative zu sein. Insofern ist der Umfang der vorliegenden, aktuellen Veröffentlichung mit 2 DVDs und sage und schreibe 5 CDs (in der Ltd. Deluxe-Edition) auch keine große Überraschung – man denke nur zurück an die „Livesh*t: Binge & Purge“-DVD, die auch schon ordentlich was hermachte.
Das wirklich überraschende an dieser DVD-Box ist vielmehr, dass sie überhaupt existiert.

THE BIG 4 – ein großer Name, der für noch größeres steht: Unter diesem Begriff verbündeten sich erst im Juni diesen Jahres mit ANTHRAX, MEGADETH, SLAYER und METALLICA die vier Veteranen des Bay Area-Thrash und spielten gemeinsam eine Minitour – wer hätte das je gedacht. Denn was auf den ersten Blick schlicht nach einem unglaublich geilen Billing aussieht, ist in Wirklichkeit weit mehr – man denke nur an die Querelen zwischen MEGADave und seinem im vergangenen Jahrungert kurzzeitigen Gitarristen Kerry King sowie natürlich den Herren von METALLICA, denen vorzuwerfen, sein Leben ruiniert zu haben, er auch 27Jahre nach seinem Rausschmiss nicht müde wird. So gesehen ist es, von wem auch immer auf die Beine gestellt, durchaus als eine Leistung der Superlative zu werten, dass die Konzerte in dieser Form überhaupt stattfanden. Wie viel Geld in die Hand genommen wurde, um alle Beteiligten von der Aktion zu überzeugen, will man wohl besser garnicht wissen – statt dessen redet man sich lieber einfach ein, hier stünden die Veteranen des Bay-Area-Thrash verbrüdert auf einer Bühne. Und diese Vorstellung wirkt bei dem hier Gebotenen fast glaubhaft…

Auf DVD gebannt wurde hierbei der Konzerttag am 21.06.2010 in Sofia, Bulgarien – dass die DVD bereits jetzt, kein halbes Jahr später, in den Läden steht, hat man wohl nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass das Material ja bereits am Konzerttag weltweit in verschiedenen Kinos übertragen wurde – auch das eine so noch nicht dagewesene Weltneuheit. Neben sämtlichen Auftritten der vier Bands vom Sonicsphere Festvial 2010 auf insgesamt zwei DVDs gibt es für diejenigen, die etwas mehr Geld in die Hand nehmen wollen, in der Deluxe-Edition alle vier Konzerte auch als Live-Mitschnitt auf insgesamt fünf CDs – zusammen mit einem schönen Booklet, einer Autogrammkarte jeder Band, einem doppelseitigen Poster sowie einem THE BIG 4-Gitarrenplektrum weiß diese Edition also durchaus trotz des Preises zu gefallen – zumal die Audio-Qualität der Live-CDs wahrlich keine Wünsche offenlässt…

Der Konzerttag beginnt mit ANTHRAX, welche man wohl als modernste der BIG 4 bezeichnen kann: Auch mit dem neuen alten Sänger Joey Belladonna, welcher nach einigem Besetzungschaos nun zum dritten Mal bei ANTHRAX das Mikrophon befeuchtet, wird die Truppe um Scott Ian den Skate-Punk-Flair nicht ganz los, selbst bei einer Setlist, die durchaus als Oldschool-lastig bezeichnet werden kann. Doch was solls: Die fünf Musiker scheinen Spass zu haben, Belladonna beweist, warum er eine gute Wahl war, und auch sonst läuft alles rund – gelungener Einstieg.

Weiter gehts auf der ersten DVD mit MEGADETH, der wohl größte Überraschung im THE BIG 4-Lineup… wer hätte gedacht, dass Mustaine das Traumatische Erlebnis seines Metallica-Rauswurfes jemals so weit überwinden könnte, gemeinsam mit METALLICA wieder die Bühne zu teilen…
Doch nicht nur darüber können sich Fans der Truppe freuen: Nachdem die gerade erst erschienene „Rust in Peace – Live“-DVD sich ja ausschließlich auf das titelgebende Album sowie einige Klassiker beschränkte, gibt es nun mit „Headcrusher“ immerhin einen Song des starken, aktuellen Albums „Endgame“ in Bild und Ton verewigt. Klassiker hin oder her, eigentlich hätte man sich diesbezüglich mehr erwartet – schließlich schaffen es andere auch, aktuelles Material in der Setlist unterzubringen.

So auch SLAYER, die Sofia in die Nacht hinein geleiten: Drei der ersten vier Tracks des Sets entstammen dem aktuellen Langspieler „World Painted Blood“, und auch „Christ Illusion“ ist immerhin noch durch „Jihad“ vertreten – erst für die restlichen zwei drittel der Show greifen die Mannen um den sympathischen Fronter Tom Araya auf ihre alten Heldentaten zurück. Und das ist, gerade im Bezug auf die DVD auch gut so: Sicherlich, niemand will von einem SLAYER-Konzert nach hause gehen, ohne „Angel Of Death“ gehört zu haben – jedoch braucht auch keiner die vierte DVD im Schrank, auf der SLAYER auf einer Bühne stehen und das gleiche Set zocken.
Insofern: Alles richtig gemacht und nebenbei eine wirklich gute Show abgeliefert. Schade ist hier nur, dass „Angel Of Death“, bei welchem Tom Araya den Gesang über weite Strecken dem offenbar nicht all zu textsicheren (oder einfach nicht abmikrophonierten) Publikum überlässt, auf DVD, mehr jedoch noch auf der Live-CD, eher Lückentext-Charakter hat. Aber hey: It’s not a bug, its a feature – aufgewacht und mitgemacht heißt die Devise, da freut sich sicher auch Herr Nachbar.

Was soll nach diesen drei Konzerten schon noch folgen? Richtig: Der Höhepunkt.
Denn nicht anders ist das, was METALLICA in den folgenden zwei Stunden auf die Bretter Bulgariens zaubern, nicht zu beschreiben. Bereits das legendäre Intro lässt Gänsehaut-Feeling aufkommen – welche jedoch vom eröffnenden „Creeping Death“ sogleich davongeblasen wird: Mit gutem Sound, einer Tracklist, die mit einer gelungenen Mischung aus alt und neu keine Wünsche offenlässt und einer Spielfreude, wie man sie von dem Quartett aus Kalifornien gewohnt ist, zeigen METALLICA exemplarisch, wie man die Menge begeistert: Ob ruhig, ob laut, ob langsam ob schell: Die Menge feiert ihre Helden, als gäbe es kein Morgen, und diese zeigen sich durchaus angetan. Legendär wird der Auftritt jedoch erst mit dem Diamond Head-Cover „Am I Evil?“, für welches METALLICA sämtliche Musiker der anderen Bands (Randnotiz: ausser Kerry King) auf die Bühne holen: Wie eine große Familie zocken hier Hetfield mit Rob Caggiano Gitarre, dreschen Ulrich, Drover, Benante und Lombardo auf die Becken von Ulrichs Kit sowie die zusätzlich aufgestellten Trommeln, und wechseln sich Mustaine, Belladonna und Hetfield am Gesang ab. Und auch, wenn wie bei einer echten Familie so auch hier vielleicht nicht alles so romantisch Friede-Freude-Eierkuchen ist, wie es den Anschein erweckt, und mittlerweile Blabbermouth wieder im gewohnten Stundenrhythmus Streitigkeiten, Lästereien und Abneigungsbekundungen breittritt, herrscht hier zumindest für den Moment die Einigkeit, die sich die Metal-Gemeinde immer gewünscht hat.

Fassen wir für alle, die es aus dem bisherigen nicht herausgelesen haben, oder sich den langen Text sparen wollen, und gleich zum Fazit gesprungen sind (Pfui!), zusammen:
Wer ANTHRAX, MEGADETH, SLAYER oder METALLICA mag, und dem Live-DVD beziehungsweise CD-Konzept nicht grundsätzlich generell abgeneigt ist, sollte hier zugreifen:
Jede der vier Shows ist es wert, gesehen zu werden, und weil es wohl nur wenige Thrash-Fans gibt, die nur eine der drei Bands mögen, bekommt, wer hier zugreift, wirklich viel für sein Geld. Und zwar sowohl bei der Standard-, aber auch der Collectors Edition. Dass es das gute Stück darüber hinaus für alle, denen es nicht scharf genug sein kann, auch noch als Blue-Ray gibt, bestätigt nur das bisher gesagte: THE BIG 4 ist eine Veröffentlichung der Superlative.

Wertung: 10 / 10

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