Review The Lovecraft Sextet – Black + White (EP)

Nein, die Bar war mir von Anfang an nicht geheuer vorgekommen. „Charles“, hatte ich gesagt, „Charles Dexter, es ist spät und wir sollten hier eigentlich gar nicht mehr sein“. Doch Charles hatte darauf bestanden. Ein letzter Absacker in Innsmouth. Nur ein Glas noch. Das dauere doch nicht lang.

Es war wirklich schon spät, ein Schatten hatte sich über die Stadt gelegt. Und die kleine „Black + White“ Bar mit dem etwas schiefen Gemäuer, dessen Winkel mehr als die üblichen 360 Grad zu besitzen schienen, machte mit dem eitrig-gelben Licht, das aus ihren kleinen Fenstern floss, nicht den Eindruck, dass wir hier willkommen seien. Doch ich war noch nie gut darin gewesen, Charles einen Wunsch abzuschlagen.

Die Holztür ließ uns mit einem spitzen Quietschen in das Innere vordringen. Nur wenige Gäste hatten sich an einigen speckigen Tischen eingefunden; jeder an einem einzelnen. Ihre Gesichter, die mir seltsam fremdländisch vorkamen, duckten sich in die Schatten, die scheinbar willkürlich über den Raum gelegt waren, als wären sie nicht Ergebnis einer Lichtquelle, sondern führten ein Eigenleben. Eine Band hatte ihre Instrumente in ihrer Ecke aufgebaut und machte gerade eine Pause. Ein Flyer stellte sie als THE LOVECRAFT SEXTET vor. Doch nur zwei Gestalten duckten sich auf der niedrigen Bühne und zupften hintereinander alle Instrumente kurz an.

„Die Band hört in zehn Minuten auf! Nur zwei Songs noch! Dann ist Schluss“, raunzte uns der Barkeeper an. Sollte mir recht sein. Wir bestellten zwei Gläser Dagon Lager, die er uns mit einem „Ia! Ia!“ auf den Tisch knallte. Wir setzten uns stumm an die Bar und stießen an. Ich konnte mir nicht helfen, ich mochte das Dagon Lager nicht. Irgendein ferner Geschmack von Fisch hatte sich in das Glas gelegt.

Mittlerweile hatte die Band angefangen zu spielen. Aus dem Zwielicht drangen leise, dunkle Jazztöne zu uns hinüber, zart am Anfang, doch irgendeine schwere Düsternis trugen die Noten mit sich in den Raum. Sie drang über mein Ohr wie eine namenlose Krankheit in meinen Körper ein, um es sich irgendwo zwischen Nieren und Gedärmen bequem zu machen. Mein Magen wurde flau.

Um mich abzulenken, betrachtete ich die Wand neben mir. Bilder und Photographien hatte irgendwer hier aufgehängt. Das waren Landschaften in fernen Ländern. Ich erkannte den Kilimandscharo, den Fitschi; hohe Berge. „Wahnsinn“, sagte Charles plötzlich, „wer hier schon alles gespielt hat!“ Bands hatten sich verewigt. Erich Zann hatte hier gespielt, wo wir nun saßen. Ein anderes Bild war scheinbar von einem großen Fettfleck überdeckt worden, jedenfalls konnte ich keine Konturen mehr erkennen, die menschlich aussahen. „Shoggoth“, erklärte eine Unterschrift. „Hat der nicht mal bei Dimmu Borgir gespielt?“, fragte Charles. „Die Dark-Jazz-Combos heißen doch alle gleich“, erwiderte ich und konzentrierte mich wieder auf die Musik, deren Präsenz mir immer unheilvoller vorkam. Sollten Jazzgruppen eigentlich Blastbeats verwenden? Irgendetwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung.

„Igitt“, hörte ich plötzlich Charles rufen. „Da schwimmt ein Tentakel in meinem Bier!“ In diesem Moment landete mit einem deutlich vernehmbaren „Platsch!“ ein Tropfen einer dunkelroten Flüssigkeit in meinem Glas, der sich von der Decke abgesetzt hatte. Die Wände sahen anders aus. Als würden sie schwitzen; einen dunklen, zähen Schleim. Das war’s. Wir mussten hier raus. Die Band hatte aufgehört zu spielen, aber die verfluchte Musik klang einfach immer weiter. Ich stieß meinen Stuhl zur Seite. Die Gäste hatten sich von ihren Plätzen erhoben und starrten uns stumm an. Ich schien das Bier nicht vertragen zu haben, denn meine Füße fanden auf dem nassen Boden wenig Halt. War der Weg zur Tür schon immer so weit gewesen? Und drehte da jemand einen Schlüssel in der Tür? Verstört begann ich, loszulaufen.

Irgendwo im Hintergrund begannen leise Trommeln zu schlagen …

Keine Wertung

Redaktion Metal1.info

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