Review The Shadow Theory – Behind The Black Veil

Nach acht Jahren und fünf Alben unter dem Banner Deadsoul Tribe verspürt Devon Graves anscheinend den Drang, seinen musikalischen Alleingang zu beenden. Dafür spricht nicht nur die kürzlich verkündete Reunion mit Psychotic Waltz, sondern auch sein neues Projekt THE SHADOW THEORY, für das er zwei bekannte Namen der Prog- und Metal-Szene gewinnen konnte. Zum einen Drummer Johanne James, der normalerweise die Felle bei den Power-Proggern Threshold bearbeitet, zum anderen Kristoffer Gildenlöw, der bei Pain Of Salvation die Bass-Seiten zupfte, bevor der mit seiner Frau die Band Dial gründete. Gitarrist Arne Schuppner und Keyboarder Demi Scott haben zweifellos weniger große Namen, was allerdings bekanntlich nicht unbedingt etwas über ihr Können aussagen muss.

Wer nun die große musikalische Revolution erwartet, der sollte seinen Hoffnungen vermutlich eher in die neue Psychotic Waltz-Scheibe setzen. Auch THE SHADOW THEORYs Debütwerk „Behind The Black Veil“ lässt sich spätestens nach dem ersten Gesangseinsatz ganz klar Devon Graves zuschreiben – seine Songwriter-Handschrift und sein Gesang sind einfach zu typisch. Die düstere, leicht morbide Stimmung der Deadsoul Tribe-Werke herrscht auch auf dieser Platte vor, die übrigens eine Geschichte über einen drogensüchtigen Rockstar erzählt, der von Traum zu Traum wandert, ohne zu wissen, ob er noch träumt oder schon zurück in der Realität ist. Das einzige verbindende Element, das in allen Ebenen auftaucht, ist wieder eine Frau, wer hätte es gedacht. Davon mag man halten, was man möchte.

Musikalisch jedenfalls profitiert Graves‘ urtypischer Stil unheimlich von der Kooperation mit anderen Musikern. Zwar ist der Gesamtsound ein klein wenig Progmetal-typischer geworden, das fällt hier aber keineswegs negativ ins Gewicht. Der Variantenreichtum, die Frische und die Authentizität, die vielen Deadsoul Tribe-CDs fehlten, sind plötzlich wieder da. „A Lullaby For The Devil“ (2007), der letzte Deadsoul Tribe-Output, zeigte schon in die richtige Richtung – die Arbeiten am vorliegenden Album scheinen auch direkt danach begonnen zu haben. Graves und seine Kollegen kochen einen schönen Brei aus Thrash-, Psychedelic- und Symphonic-Metal, vermengen das Ganze gekonnt mit progressiven und folkloristischen Elementen und garnieren das Soundmenü mit der schaurig-schönen Atmosphäre von Geistergeschichten, auf die schon das Cover überdeutlich hinweist. Das schwindelerregend druckvolle und mit mächtig Double Bass veredelte Drumming von Johanne James passt ganz hervorragend zum Sound und hievt das Material auf eine gänzlich neue Stufe.

Die Songs funktionieren hervorragend als Album, packen den Hörer schon beim ersten Durchgang und sind stellenweise mit erstaunlich melodischen Gesangslinien ausgestattet, die schnell zu Ohrwürmern werden – hier hat Devon klar dazugelernt. Der Tribal-Aspekt, der auf Devons Solowerken immer so stark betont wurde, ist beinahe gänzlich über Board geworfen worden. Das dürfte damit begründet sein, dass der glatzköpfige Flötenspieler nicht mehr auf die Dienste seines langjährigen Schlagzeugers Adel Moustafa zurückgreift. Insgesamt vergehen die 57 Minuten Spielzeit wie im Fluge, was so ziemlich das größte Lob sein dürfte, das man Herrn Graves ausstellen kann. Abgesehen von dem krassen Riff-Klau im Intro von „Snakeskin“ (Dream Theater-Fans wissen, was ich meine!) und dem leider immer noch nicht optimalen Sound der Scheibe, ist „Behind The Black Veil“ eine ziemlich runde Sache. Die Produktion krankt wie schon „A Lullaby For The Devil“ an einem viel zu dumpfen, muffeligen und ziemlich drucklosen Sound. Sehr schade, planiert die Musik doch stellenweise recht ordentlich.

Fazit: Unerwartet starke Scheibe, auf der Devon Graves es erstmals schafft, seinen typischen Stil mit massenkompatiblem Unterhaltungswert zu kombinieren. Das Ergebnis fesselt, rockt und ist atmosphärisch dicht, ohne zu erdrücken. Wie gehabt einen Punkt Abwertung für den Sound. Dennoch: Kauftipp!

Wertung: 8 / 10

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