Review Unheilig – Große Freiheit live (DVD)

Unheilig – das neue Massenphänomen. So oder so ähnlich waren meine Gedanken, als ich am 01. April am Münchner Zenith ankam und die mehrere hundert Meter lange Schlange am Eingang sah, die ungeduldig auf den Einlass wartete. Auf der vor kurzem veröffentlichten Live-DVD zur „Große Freiheit“-Tour gibt es ein Wiedersehen mit diesen Fans – und gleichzeitig eine Erklärung für den Hype rund um den Grafen, der nicht nur das Konzert in der bayerischen Landeshauptstadt mitfilmen ließ, sondern auch einen weiteren Auftritt wenige Tage später in Köln.

Aber der Reihe nach: Während sich die Show aus dem Kölner Palladium lediglich auf die Musik und die Menschen beschränkt, wurde München als „musikalische Reise“ inszeniert, so wie es bereits auf den Leinwänden bei den Konzerten der Fall war. Kleine Einspieler vor, während und nach den Songs zeigen den Grafen am Meer, im Hotel und in verschiedenen anderen Situationen – stilvoll inszeniert entsteht so ein kleiner Musikfilm. Vor dem Opener „Seenot“ sieht man den Unheilig-Mastermind beispielsweise einsam am Meer stehend eine Flaschenpost mit dem Text „SOS“ öffnen. Dabei werden diese atmosphärischen Szenen größtenteils in den Farben Schwarz und Weiß gehalten und leiten parallel zu den Ansagen durch die 19 Lieder umfassende Setliste.
Diese ist natürlich geprägt von den Auf und Abs der Seefahrt, doch auch der „Astronaut“ und die „Maschine“ sind Teil der Reise, die schließlich in einem etwas zu pathetischen Moment ihr Ende findet: eine kleine Flagge schwenkend steht der Graf auf einem kleinen Schiffsbug, der zum Bühnenbild gehört, und singt „Mein Stern“.

Zuvor durchlebt Unheilig auf seiner emotionalen Reise zusammen mit den Fans ein Wechselbad der Gefühle, ohne dabei zu lange auf einer einzigen Welle zu schwimmen. Laut und lebendig geht es „Abwärts“, lachend werden Wunder (sowie tausende Handküsse) verschenkt und schließlich sieht man einige Tränen bei „An deiner Seite“ – sowohl beim Künstler selbst als auch beim Publikum, die diesen Song mit minutenlangem Applaus krönen. Nur ein paar Minuten später bricht allerdings das Lampenfieber aus und der Graf ist in seinem Element: frivol tanzt und zappelt er zu seinen Klängen und geht darin völlig auf. Für die „Geboren um zu leben“-Fangeneration mit Sicherheit ein gewöhnungsbedürftiger Anblick, aber genau diese Show ist ebenso ein fester Bestandteil von Unheilig wie der Anzug nebst Hemd und Krawatte.
Selten bzw. eigentlich nie habe ich einen Künstler gesehen, der seine Musik so sehr fühlt und lebt. Dieser Enthusiasmus und diese Euphorie wurden von den verschiedenen Kameras gut eingefangen und die vielen Schnitte zwischen Bühnengeschehen, Videos und Fans wirken nie überladen, sondern wohl platziert. Der satte Sound ist wahlweise in Dolby Digital 2.0 Stereo oder Dolby Digital 5.1. verfügbar.

Im Fall von „Große Freiheit“ war die Seefahrerthematik zwar nicht der kreativste Wurf aller Zeiten, doch bis dato wurde dieses Gebiet auf DVD nie liebevoller und mit mehr Sinn für Details umgesetzt. Umso überraschender ist es, dass die Qualität der Köln-DVD sehr zu wünschen übrig lässt: farbige Streifen, merkwürdige Hell/Dunkel-Effekte und eine generell sehr schwankende Bild- und Tonqualität vermiesen den Spaß am Bühnengeschehen deutlich. Wie diese Aufnahmen es in den Handel schaffen konnten, ist mir besonders bei der ansonsten vorherrschenden Akribie der Band ein großes Rätsel. Die Setliste ist auf beiden DVDs komplett identisch und somit hätte man sich die Zusatz-DVD schenken können bzw. sogar sollen, obwohl das Kölner Publikum größtenteils für eine bessere Stimmung sorgt und das Palladium als Location mehr Charme versprüht als das alte Münchner Bahngebäude.

Da die Shows erst vor gut 2 Monaten stattfanden und somit in weniger als 60 Tagen auf DVD gepresst wurden, entsteht der zweifelhafte Eindruck, dass man bei der momentanen Euphoriewelle schnell weiteres Material nachlegen wollte. So erschien die „Große Freiheit“-DVD auch in seiner limitierten Special Edition mit einem kleinen Buch: zum übertriebenen Preis von knapp 60 Euro.
Diese Tatsachen können zwar das Konzerterlebnis an sich nicht abwerten, wohl aber diese DVD – und auch das neu gefundene Massenphänomen.

Wertung: 7.5 / 10

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