Review Unheilig – Große Freiheit

Bis zum Jahr 2010 fristete Unheilig mit seiner Mischung aus Gothic und Elektro (zusammengefasst als „Synth Rock“) eher ein Nischendasein. Kaum beachtet von der Öffentlichkeit experimentierte der Graf (in Personalunion Texter und Produzent) mit treibenden Synthieklängen, Neuer Deutscher Härte und zuletzt auch ruhigen Balladen. Sein letztes Album „Puppenspiel“ erreichte 2008 dennoch Platz 13 der deutschen Albencharts. Nun steht der Nachfolger „Große Freiheit“ in den Regalen und stieg direkt in der ersten Woche auf Platz 1 ein. Was war geschehen?

Begleitet von einer umfangreichen Medienkampagne veröffentlichte Unheilig seine erste Single „Geboren um zu leben“ bereits einige Wochen vor dem neuen Album und schielte damit offenkundig wie nie zuvor auf den Mainstream. Der sehr poppige Song nebst Kinderchor im Refrain wurde zu einem Erfolg auf breiter Front und schaffte es sogar auf die 2. CD der aktuellen Bravo Hits sowie in die Rotation größerer Radioanstalten wie Bayern 3. Der folgende Longplayer „Große Freiheit“ schwimmt nun auf dieser Euphoriewelle mit, wobei der Graf glücklicherweise seinen musikalischen Wurzeln treu bleibt und dennoch Neuland entdeckt.

Als zentrales Thema wählte Unheilig ein bereits vielfach behandeltes Thema: die Seefahrt. In einzelnen Songs und teils auch kompletten Alben haben sich u.a. In Extremo und Rammstein diesem Themenbereich bereits auf vielfache Art und Weise angenommen.Nach dem pompös-orchestralen Intro „Zum Meer“, das zusammen mit „Neuland“ den ruhigen Rahmen von „Große Freiheit“ bildet, wird das poppig-moderne „Seenot“ durch härtere Elektroklänge eingeläutet, die sich als Motiv konsequent durch das gesamte Stück ziehen. Viele Texte und Songs offenbaren schon nach den ersten Hördurchgängen eine unglaubliche Eingängigkeit. Aus den Arrangements spricht eine musikalische Leidenschaft und Hingabe, die man von einer Nummer 1 in den Media Control Charts so nicht kennt und erwartet. Unterstützt wird diese Wirkung auch davon, dass die Schlagzeugklänge zum ersten Mal nicht aus der Konserve stammen.

Ältere Fans dürften sich besonders über die härteren Stücke wie „Für immer“, „Unter Feuer“ und „Ich gehöre mir“ freuen, während die neue Generation der Unheilig-Anhänger, die sich primär an der Singleauskopplung orientieren, mit „Halt mich“, „Große Freiheit“ und „Sternbild“ genau das bekommen, was sie erwarten: vertraute Melodien und frei interpretierbare Texte, in denen man sich selbst erkennen kann.
Mit einigen Stücken wie „Abwärts“ versucht der Grad wiederum den Spagat zwischen Alt und Neu. So erhält man zusammengefasst ein buntes Potpourri aus allem, was Unheilig war und ist – verpackt im allgegenwärtigen Seefahrergewand, welches sich allerdings nie negativ auswirkt.

Leider kann der Graf das konstant hohe Level und die Individualität der Songs nicht bis zur Hafenankunft seiner Seereise halten. So offenbaren „Heimatstern“ und „Unter deiner Flagge“ als ruhige Balladen eine gewisse Austauschbarkeit, da man sich an ähnlichen Songs zuvor bereits satt gehört hat. Außerdem steckt vereinzelt zu viel Rammstein, Charts und Pop und zu wenig Unheilig in den Songs.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass Unheilig mit „Große Freiheit“ wohl seinen endgültigen Durchbruch geschafft hat. Ob sich der Graf allerdings mit der steigenden Popularität und dem damit wachsenden Interesse an seiner Person auf Dauer arrangieren kann, wird sich sehr bald zeigen. Das zurückgezogene Leben fernab des öffentlichen Lebens dürfte mit einigen Charterfolgen nur noch schwerlich zu realisieren sein.

Wertung: 8.5 / 10

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