Review Wÿntër Ärvń – Abysses

Obwohl man es ob ihrer grundverschiedenen Klangqualitäten nicht vermuten würde, verbinden Black Metal und Folk bereits seit einiger Zeit viele Anknüpfungspunkte. Sich als Black-Metal-Musiker*in in einem Nebenprojekt den sanften Akustiktönen zu widmen, ist schon lange nichts Aufsehenerregendes mehr. Dennoch stechen Wynter Arvn (Aorlhac) und Vittorio Sabelli (Dawn Of A Dark Age) mit ihrer gemeinsamen Band WŸNTËR ÄRVŃ aus dem Gros der gleichgearteter Folk-Musikgruppen heraus. Auf ihrem zweiten, gerade mal eine halbe Stunde langen Album „Abysses“ lassen der Franzose und der Italiener nämlich nicht nur Merkmale der Neoklassik einfließen, sondern auch ein in ihrer Musikrichtung nur selten anzutreffendes Instrument erklingen: die Klarinette.

Trotz seines abgründigen Titels und des künstlerischen Hintergrunds seiner Erschaffer ist „Abysses“ gar keine so finstere Platte. Vielmehr vermitteln WŸNTËR ÄRVŃ in den weitgehend instrumentalen Stücken eine sanfte Melancholie, mitunter aber auch nostalgische und sogar freudvolle Gefühle. Im Zentrum der Songs stehen die vielseitigen, jedoch stets feinfühligen Akustikgitarrenarrangements und das besänftigende Klarinettenspiel.

Kompositorisch umgehen WŸNTËR ÄRVŃ die von vielen Black-Metal-Interpret*innen bevorzugte Urtümlichkeit des Pagan Folk und gerieren sich stattdessen mit der klassisch anmutenden Eleganz von Empyriums romantischen Akustik-Werken. Darüber hinaus besitzt nahezu jeder der acht Tracks eine Besonderheit, die ihn von den übrigen abhebt. „Aux Aurores“ beeindruckt zum Ende hin beispielsweise mit seinen schluchzenden Streichern und imposanten Perkussionen, während das schwermütige „Contemplation“ mit der Zeit stark an Dynamik gewinnt und von zartem Frauengesang gesäumt wird.

In den letzten beiden Tracks lassen WŸNTËR ÄRVŃ sogar ihre schwarzmetallische Ader zum Vorschein kommen: Hinter „Marcheurs De Mondes Dissonants“ verbirgt sich ein stimmig umgesetztes Cover von Xasthurs „Walker Of Dissonant Worlds“ und „Quand Tombe Le Jour“ trumpft zum Abschluss nicht nur mit urigen Dudelsacklauten, sondern auch monströsen Screams auf. Den zeitlosen Grundsound des Albums wissen WŸNTËR ÄRVŃ also auf äußerst einfallsreiche Weise auszuschmücken, ohne dabei aus dem Rahmen zu fallen. So bleibt als einziger Makel anzumerken, dass die Band sich hin und wieder dezent im Ton vergreift, sodass den Liedern ein Stück ihrer Anmut verlustig geht.

Mit „Abysses“ haben WŸNTËR ÄRVŃ ein interessantes musikalisches Wechselspiel aus Licht und Schatten kreiert, was sich beispielhaft in ihrer Version des Xasthur-Tracks zeigt. Der bodenlosen Tristesse des Orginalstücks hat das Duo einen sanfteren, melancholischen Anstrich verpasst, wodurch sich der Song nahtlos in den Folk-Klassik-Hybridsound der Platte einfügt. Alles in allem hätten WŸNTËR ÄRVŃ zwar noch etwas an der Genauigkeit ihrer Aufnahme feilen sollen, ihr ansprechend unaufgeregtes, aber keineswegs langweiliges Songwriting lässt darüber jedoch gerne hinwegsehen. An leicht rumpelige Performances sollte ihre Black-Metal-affine Zielgruppe wohl ohnehin gewöhnt sein.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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