Review Xasthur – Inevitably Dark

Not kann große Kunst gebären. Der Verzweiflung und der Erfahrung einer Extremsituation hat manch Schriftsteller, manch Musiker oder Maler es geschafft, Werke für die Ewigkeit abzutrutzen. In den allermeisten Fällen bleibt von echter Not aber zumeist nur eines: Dreck, Aufgabe, der Kampf ums Überleben, der Nebensächlichkeiten wie „Musik aufnehmen“ kaum Zeit gibt. Das gilt für materielle wie psychische Not. Spitzwegs „Der arme Poet“ war schon immer kaum mehr als eine romantisierte Verklärung echter Armut und nur unter ironischen Gesichtspunkten zu verstehen.

Scott „Malefic“ Conner, Mastmind hinter XASTHUR, hat mindestens seit seiner bereitwilligen Innenschau in der Dokumentation „One Man Metal“ den Ruf des Schmerzensmannes des Black Metal inne und untermauerte diesen mit seinen Depressive BM-Werken nachhaltig. Nach einem Karrierehöhepunkt in der Kooperation mit Sunn o))) beerdigte Conner XASTHUR als Black-Metal-Band und wandte sich obskuren Genres wie Americana, Doomgrass und Dark Ambient zu. Mehrere Jahre verbrachte er, Eigenaussagen zufolge, obdachlos auf der Straße, wo er die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen mit den Versehrten und der „Rückseite des amerikanischen Traumes“ (Labelinfo) in das beinahe unkonsumierbare Vorgängeralbum „Victims Of The Times“ bannte.

Auch diesmal hat Scott wieder einen einfachen Mobil-Recorder benutzt, um 23 Stücke lang von den Straßen und dem Schlafen auf Steinen zu erzählen. Ob es sich dabei um Erfahrungen aus der Periode des letzten Albums oder um eine Bestandaufnahme der momentanen eigenen prekären Situation handelt, wird nicht ganz klar. Fakt ist jedenfalls: „Inevitably Dark“ erscheint in einer 3CD-Luxusedition mit 48-Seitigem Booklet, einem Essay von Scott Conner und Zeichnungen von Stanislav Krawczyk. Ob das mit der Erzählung des mittellos und verzweifelt durch die USA ziehenden Vagabunden mit psychischen Leiden passt, oder ob in dem Dreieck Künstler-Label-Konsument nicht irgendwer mit falschen Karten spielt, sei aufgrund der Möglichkeit echter Not dahingestellt. Ein Gschmäckle bleibt jedenfalls.

Vor allem, wenn durch die vermutlich schwierigen Entstehungshintergründe des Albums die „Qualität“ der Musik legitimiert oder zumindest erklärt werden soll. Was sich 23 Tracks und über 90 Minuten lang auf den Hörer ergießt, ist unter normalen Umständen jedenfalls eine gründliche Frechheit. Standen XASTHUR vor zehn Jahren noch für hypnotischen DSBM mit minutenlang ausgehaltenen, mändernden Riffs, so hat Scott diese Riffs diesmal simpel als einzelne Tracks deklariert und sie scheinbar wahllos zwischen andere Songskizzen und Genreversuche gestellt, anstatt daraus Songs zu komponieren. Denn komponiert ist an diesem Album de facto nichts und so ist es auch jede Nennung eines Einzeltitels müßig, weil völlig wahllos.

Atmosphäre, die an die alten Werke erinnert oder die neuen Thematik, das triste Grauen des Lebens auf der Straße, vertont, kommt somit allenfalls zufällig auf („A Future To Fear II“). Gerade Stücke aber, in denen sich eine verstimmte Akustik-Gitarre gegen neben der Tonart liegende Casio-Keyboards durchzusetzen versucht, sind von einem primitiven Dilettantismus, der an Computerspiele aus den 80ern erinnert, aber nicht an das gereifte Werk eines erwachsenen Mannes. Zwischenzeitlich verirrt sich noch ein völlig unpassendes Death-Metal-Stück unter diesen Reigen an Songversuchen („Another Gutter“) und vernichtet jegliche Atmosphäre nachhaltig.

Scott Conner hat in „One Man Metal“ dem überraschten Zuschauer gezeigt, dass er die Schlagzeugspuren der XASTHUR-Alben selbst eingespielt hat. Umso unverständlicher ist deshalb der völlig lausig programmierte Drumcomputer, der jedem, der etwas Ahnung vom Schlagzeugspielen hat, die Schamesröte ins Gesicht treibt. Das kann man „musikalische Freiheit“ und „Fuck-Off-Attitüde“ nennen, wenn man will. Man könnte aber auch „Arbeitsverweigerung“ dazu sagen. Denn der eigentliche Elefant im Raum ist noch gar nicht erwähnt: Kein einziges der „Stücke“ enthält Gesang. „Inevitably Dark“ ist ein reines Instrumental-Album. Und damit unverdaulich langweilig.

„Inevitably Dark“ ist nicht „real“, wie es der Promo-Text suggeriert. „Inevitably Dark“ ist ganz einfach ein schlechtes Stück Musik mit einem dubiosen Entstehungshintergrund. Es mag stimmen, dass Scott Conner durch extrem harte Zeiten ging und physisch wie psychisch nicht in der Lage war, Musik im klassischen Sinne aufzunehmen. Dann sind die vergangen zwei XASTHUR-Alben seine Bewältigungsstrategie, was völlig verständlich ist und einen gewissen Respekt abnötigt. Aber diese Alben sind für Hörer damit höchstens von pathologischem Interesse. Musikalisch hat „Inevitably Dark“ nicht mehr zu bieten als den Inhalt jener Mülltonne, den verzweifelte Gestalten gerade ausgekippt haben, um ihn nach einzelnen Resten Verwertbaren zu durchsuchen.

 

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Wertung: 1 / 10

Redaktion Metal1.info

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2 Kommentare zu “Xasthur – Inevitably Dark

  1. Ja krass, ich erinnere mich noch vor locker einer Dekade da reingeholte zu haben und hatte Xasthur eher positiv konnotiert abgespeichert.

  2. Xasthur war schon immer ein Projekt, dessen Dilettantismus ich eher ätzend als künstlerisch wertvoll fand. Ich mag dem ganzen auch sicher nicht den künstlerischen Wert absprechen, aber das Ding klingt halt einfach als ob er gemerkt hat, dass den letzten Kram keiner gekauft und für gut befunden hat und er jetzt Mal wieder einen auf Black Metal machen muss, damit er zumindest eine Handvoll Platten verkauft…sperrig, nervig und kaum interessant genug um die Spielzeit zu rechtfertigen. Als aus der Situation heraus geschaffenes Kunstwerk mag das Album Gegenwert haben, dennoch bezweifle ich die Spontanität des Ganzen, um es als hörenswert zu erachten. Nichts für mich, wüsste jetzt auch nicht, wer das Album feiern würde…

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