Interview mit Tobi von Caleya

Mit Trümmermensch liefert die Hamburger Band CALEYA ihr zweites Album ab. Sänger Tobi sprach mit uns über unmenschliches Flatulenzverhalten, Fleischfabriken und Oma. Dazu spendieren Midsummer Records noch je zwei Exemplare des aktuellen und des letzten Albums zur Verlosung.

Hey Tobi, schön, dass du dir die Zeit für ein Interview mit Metal1.info nimmst! Wie geht es euch?
Moin und vielen Dank!! Es geht ganz wunderbar, bei gutem Kaffee und Hamburger Sonne auch nicht so verwunderlich.

Ihr seid zwar schon eine Weile in der Musikszene unterwegs, es wäre trotzdem schön, wenn du euch noch mal kurz vorstellen könntest.
Klaro gern doch, wir sind also eine fünfköpfige Musikgruppe mit klassischer Besetzung. Da wären Dennis und Todde an den Gitarren, Eddie am Bass, Wolle am Schlagzeug und ich, also Tobi am Gesang.

Die Veröffentlichung von „Trümmermensch“ liegt direkt hinter euch. Die Produktion eines Albums ist immer eine sehr intensive Zeit. Welche Gefühle verbindest du rückblickend mit den Aufnahmen?
Es war in der Tat eine sehr intensive Zeit. Recht viele Menschen auf einem sehr eng begrenzten Raum irgendwo im Nirgendwo. Dazu noch die Tatsache, dass über dem Studio eine aktive Fleischfabrik ihren Taten nachging, mitsamt morgendlichem Besuch vom Metzgermeister, der uns frische Wurst aus dem Kessel darbot. Wir drei Vegetarier in der Band fanden das nicht so dolle. Dazu roch es bei der „Produktion“ recht eindringlich. Alter Schwede, noch nie im Leben haben wir sowas übel riechendes wahrnehmen müssen.
Wir waren recht isoliert mitten im Wald. Das macht natürlich was mit einem. Zum Beispiel, dass man sich draußen wieder findet, wie man mit kleinen Steinen versucht Baumstämme zu treffen, ohwei. Gefühle der Bedrängung und Zeitlosigkeit, da kein Tageslicht im Studio, kamen des öfteren bei mir auf. Trotz allem war es eine wundervolle und bereichernde Zeit mit Freunden, ganz viel Musik und Autorennspielen.

Ich habe ein paar Durchläufe gebraucht, mittlerweile bin ich von eurem neuen Album aber sehr angetan. Wie sind die sonstigen Reaktionen bisher ausgefallen?
Hmmm, bisher denke ich eher positiv. Du hast ja erwähnt, dass du ein paar Durchläufe gebraucht und dir genommen hast, da hast du vielen Rezensenten was voraus. Solche, die die Platte einmal durchhören und aufgrund dessen bewerten. Das finde ich persönlich schwierig, da sich die Platte dafür nicht so recht eignet. Wir haben aber auch Reviews bekommen, wo man merkt, dass sich jemand sehr intensiv mit unserer Musik auseinandergesetzt hat und auf seine ganz eigene Art interpretierte. Das war dann schon wirklich ein sehr schönes Gefühl, solche Zeilen zu lesen.

Und wenn wir schon beim Album sind: Was unterscheidet „Trümmermensch“ aus deiner Sicht vom Vorgänger „These Waves Will Carry Us Home“ – von dem Wandel in der Sprache mal abgesehen?
Ich denke, dass die Platte sich vielmehr noch als Gesamtwerk versteht und man es auch als solches wahrnehmen sollte. Es ist keine Ansammlung von Liedern, was bei unserem letzten Album auch nicht der Fall war, sondern ein emotionaler Grundtenor, der sich durch das Album zieht.
Was wir bei „These Waves Will Carry Us Home“ begannen, haben wir bei „Trümmermensch“ konsequent weitergeführt und fokussiert.
Songwriting, Texte und Kompositionen sind einfach noch homogener.

Wie kam es denn zu dem Schritt plötzlich deutsche Texte zu machen?
Der sprachliche Wandel war für mich einfach ein wichtiger und logischer Schritt. Meine Texte entstehen zuerst auf Deutsch, für die „Waves“ habe ich sie ins Englische übersetzt. Dabei viel mir auf, dass einige Formulierungen und Ausdrücke nicht das transportieren, was ich mit ihnen ausdrücken wollte. So fing ich an, zum ersten Mal auf Deutsch zu singen, was sich anfänglich sonderbar anfühlte, dann aber ganz natürlich wurde.

Widerspricht das aber nicht der Tatsache, dass man so gut wie nichts von dem versteht, was gesungen wird, auch wenn man weiß dass es Deutsch sein soll?
Das ist zu Recht eine Kritik, die ich nachvollziehen kann und der ich mich versucht habe anzunehmen. Es ist nicht leicht druckvoll und artikuliert zu schreien. Da stoße ich schon an meine Grenzen. Ich persönlich finde schon, dass man recht viel verstehen kann – in Kombination mit den Texten vor Augen fällt es jedoch leichter, das muss ich zugeben.

Das Artwork von „Trümmermensch“ gefällt mir ausgesprochen gut. Kannst du uns mal ein paar Takte über das Konzept des Albums erzählen und auch wie sich das optisch im Artwork niederschlägt?
Das Artwork von Chris Dettmer (nebenbei ein wahnsinnig begnadeter Tätowierer) spiegelt und transportiert die Grundemotion des Albums sehr exakt. Das Dreieck, als Zeichen für die Sonne, das erleuchtete Gute, dem Streben nach Höherem, ist bei uns, genau wie die Welt der Texte, verstört, auf den Kopf gestellt, in Schieflage gebracht. Auslaufend und ergebend steht es als monolithisches Konstrukt des Menschen, dem Trümmermenschen.

Und warum beginnen alle Liedtitel mit „A“?
Damit wollte ich die Idee des Konzepts noch weiter in den Vordergrund stellen. Dazu sind es alles Bezeichnungen der pathologischen Psychologie und Philosophie, die im Kontext der Emotionalität von Text und Musik ihr Dasein, ihren Ursprung erklären.

Euren Musikstil zu beschreiben finde ich recht schwierig. So richtig passen will da keine Schublade. Hast du selbst eine treffende Beschreibung?
Ich beschreibe sie einfach gerne als, „verzerrte Stromgitarrenmusik mit Schreigesang“. Mensch braucht ja nun mal Schubladen, so soll sich lieber jeder selber seine eigene für unsere Musik aufmachen.

Mir vielen immer wieder Vergleiche zu Screamo Bands ein, vor allem auch wegen des starken Wechsels von Klar- und Schreigesang. Vielleicht liegt es an der Sprache aber die umbenannten Kill.Kim.Novak (heute Andora Atkins) kamen mir oft in den Sinn. Kennst du die Band und siehst du auch Ähnlichkeiten zu deren damaligen Alben?
Ehrlich gesagt kenne ich sie nur vom Namen, Andora Atkins habe ich mir auf jeden Fall schon mal angehört und fand das auch richtig gut.
Intensiv habe ich mich, muss ich zu meiner Schande zugeben, nicht mit deren Musik auseinandergesetzt.

Die Metal- und die Hardcore-Szene trennt manchmal Welten, trotzdem könnten sich Anhänger beider Gruppen in eurer Musik wiederfinden. Wo fühlt ihr euch mehr zugehörig?
Ich kann da leider nur grad von mir sagen, dass ich mich zu keiner der aufgeführten Gruppen zugehörig fühle. Meine musikalischen Wurzeln liegen eher im Alternativ-Bereich (die alten Smashing Pumpkins) zum Beispiel. Natürlich bin ich auch mit Metal, Punk und Hardcore sozialisiert. Gefühl der Zugehörigkeit empfinde ich dennoch nicht. Es gibt Richtungen, Ideale und Vorstellungen mit denen ich sympathisiere. Pauschal würde ich die Frage aber nicht verstehen und beantworten.

Wo siehst du die Haupteinflüsse auf die Musik von CALEYA und was hört ihr so privat?
Alle Mitglieder von CALEYA kommen aus unterschiedlichen Richtungen und bringen andere Einflüsse mit, was ich als große Bereicherung empfinde. Den Haupteinfluss sehe ich eher an der gemeinsamen Leidenschaft Musik zu machen um sich darüber ausdrücken zu können.

Privat sind wir alle ebenfalls an unterschiedlicher Musik interessiert. Das geht von Singer/Songwriter Folk über 60er/70er Rock bis hin zu Hardcore und Punk. Ach ja, Todde und Eddie gehen gern zu Drum ’n Bass tanzen…hehe.

Und wenn wir schon beim Privaten sind: Da ihr von der Musik nicht leben werdet, womit verdient ihr euch die Brötchen?
Wir kommen alle aus eher sozialen Berufen, scheint ja auch irgendwie weit verbreitet unter Schreimusikern, wäre mal spannend zu fragen, warum das so ist. Wir haben Krankenpfleger, Heilerziehungspfleger, nen Sozialpädagogen und nen Literaturwissenschaftsstudenten bei uns.

Ihr wart gerade auf Tour mit euren Labelkollegen von AKELA. Ich kann mir vorstellen, dass es bei so einer Tour zu unheimlich vielen Erfahrungen kommt.
Was war das schönste Ereignis?

Kann man pauschal gar nicht so sagen. Ich denk ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass die ganze Tour eine wahnsinnig wundervolle Zeit war. Wir hatten die Möglichkeit mit Freunden durch halb Deutschland zu fahren und das zu tun was wir lieben – was könnte es Besseres geben!?

Was war das unangenehmste Ereignis?
Der Tag nach der Tour, wenn man in seinem Bett aufwacht und sich denkt: Willkommen zurück im Alltag.

Und was das skurrilste Ereignis?
Das Flatulenzverhalten einiger Mitglieder von AKELA. Das war teilweise echt unmenschlich, hehe.

Wie geht’s jetzt weiter in den nächsten Monaten?
Es liegen viele schöne Konzerte vor uns, sogar ein paar Festivals im Sommer, worauf wir uns schon wahnsinnig freuen. Dann fangen wir grad wieder an neue Songs zu schreiben. Für den Oktober ist zudem eine Tour geplant.

Die beiden bisherigen Alben erschienen beide bei Midsummer Records. Wie zufrieden seid ihr bisher mit der Zusammenarbeit und habt ihr schon weitere gemeinsame Pläne?
Man fühlt sich bei Midsummer Records einfach wie in einer kleinen, schönen Familie und DAS ist nicht untertrieben. Auf der Tour mit AKELA saßen wir alle zusammen mit Tim (unserem Chef, hehe) am Frühstückstisch. Das war schon was Besonderes, als seine Schwester und Oma noch dazu stießen, war das Familienbild dann gänzlich komplementiert. Es ist einfach eine herzliche und wundervolle Zusammenarbeit mit Midsummer Records. Zu vielen weiteren Künstlern pflegen wir teilweise sehr intensive Freundschaften. Alle Künstler von Midsummer Records verbindet einfach die Leidenschaft an der Musik und zu Star Wars…hehe.

Bevor wir zum Ende kommen gibt’s jetzt aber noch schnell unser traditionelles Wortspiel: Was fällt dir zu folgenden Begriffen ein:
Sommer: Dringend Notwendig
Grün: Die Farbe der Hoffnung, kann man immer gebrauchen
Dead Flesh Fashion: Weltuntergang und Nutella
Fukushima: Weltuntergang
Angela Merkel: Weltuntergang….zumindest im Mikrokosmos Deutschland

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen! Viel Erfolg mit dem Album, die letzten Worte gehören dir.
Vielen Dank an Dich und an Metal1.info für euer Interesse und das tolle Interview. Bei Zeit und Laune einfach mal in die Platten rein hören und bei Gefallen uns mal live besuchen, da freun ma uns! In dem Sinne sagt man in Hamburg schüüss…

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