Review Caleya – Trümmermensch

Gerade mal ein Jahr ist es her, da überraschten uns die Hanseaten von CALEYA mit ihrem Album „These Waves Will Carry Us Home“. Ein interessantes, vielseitiges aber an manchen Stellen auch noch ausbaufähiges Album. Mit „Trümmermensch“ legen sie nun nach kurzer Zeit gleich das nächste Album vor und schon der optische Eindruck zeigt, dass die Jungs diesmal unbedingt alles richtig machen wollen. Ein schön gestaltetes Digipack in Grautönen, bildet den optischen Rahmen von „Trümmermensch“ und auch der Titel des Albums weißt auf eine wichtige Neuerung hin: Ab sofort wird auf Deutsch gesprochen, geschrien und gesungen. Was dem Verständnis der teilweise etwas kryptischen Texte beim Nachlesen gut tut, ist für die Musik von CALEYA völlig unerheblich, hört man ihnen den Sprachenwechsel über weite Strecken nämlich gar nicht an. Wer sich aber gerne näher mit den Texten einer Band auseinandersetzt, findet im Booklet ein paar schöne Zeilen, die sich mit Scheitern, Verzweiflung und den übrig bleibenden Trümmern auseinandersetzen. Offensichtlich fand die Band und Produzent/„The Hisch Effekt“-Sänger Nils Wittrock im Nachhinein, dass die Texte doch etwas mehr Gehör verdienet hätten. Bei den einschlägigen Sozialen-Netzwerken kursiert deshalb eine „Lesung“ von „Trümmermensch“ von Nils Wittrock – nette Idee.

Doch genug zu den Texten. Am musikalischen Konzept hat sich in der kurzen Zeit seit „These Waves Will Carry US Home“ nicht so viel getan. Noch immer dominiert wuchtiger, leicht chaotischer (Post-)Hardcore/Screamo das Hörerlebnis und noch immer kann ich Vergleiche zu Cult Of Luna kaum nachvollziehen. Vielmehr lassen sich CALEYA bei den Screamo Bands der 90er Jahre inspirieren. Der schnelle Wechsel (oft auch innerhalb eines Wortes) von Screams und Sprechpassagen rückt dieses Genre immer wieder ins Gedächtnis. Sänger Tobias hat sich zum Vorgängeralbum eindeutig gesteigert. Er klingt zwar immer noch stark verzweifelt, bisweilen weinerlich, schafft es aber die Ausflüge in zu hohe Tonlagen, die beim Vorgänger noch meinen Missmut auf sich zogen, einzudämmen.
Aber nicht nur der Gesang variiert den Härtegrad. Schon der Opener „Aporie“ kann mit zwei wirklich schönen, sehr ruhigen Passagen punkten. Hier lässt sich die Band in bester Post-Rock Manier richtig Zeit, baut Atmosphäre auf und bereitet so den Boden, auf dem die anschließenden, wuchtigen und leicht dissonanten Riffs umso besser zur Geltung kommen. Dieser Wechsel zieht sich durch die kompletten sechs Stücke von „Trümmermensch“ und sorgt so dafür, dass in der Musik neben aller Härte auch die Emotionen des lyrischen Konzepts ihren Platz finden. An mancher Stelle sogar fast zu viel. „Akrasia“ bspw. schrammt, begünstigt durch den weinerlichen Vortrag von Sänger Tobias hart an der Kitsch-Grenze entlang.

Die starken Wechsel des Härtegrades, begleitet von kleinen stilistischen Experimenten, lassen eine konkrete Genreeinordung kaum zu. Bei „Archetype“ klingen „The Hirsch Effekt“ durch, „Apogaeum“ überrascht durch doomiges Riffing in Kombination mit Effektspielereien, bei „Anima“ wird Geige gespielt und dem Prog-Rock gehuldigt und „Amygdala“ wird mit dezentem Glockenspiel verfeinert. Alles samt natürlich in Kombination mit heftigen und leicht chaotischen Post/Hardcore/Screamo/Noise-Attacken – die trügerische Ruhe hält nie lange an. Die Gewissheit des nächsten Wechsels bleibt, gegen Ende fast schon vorhersehbar.

Die Zusammenarbeit von CALEYA mit „The Hirsch Effekt“ tut der Band eindeutig gut. Besonders die ruhigen Teile lassen immer wieder die Nähe zu den Hirschen erkennen, die Dank dem prägnanten Gesang von Sänger Tobias aber nie zu deutlich wird. „Trümmermensch“ ist reifer als „These Waves Will Carry Us Home“. Man merkt der Band eine Entwicklung an, auch wenn es noch nicht der große Befreiungsschlag ist. Nach der vorzeitigen Veröffentlichung von „Amgydala“ hatte ich mir noch ein wenig mehr versprochen. Die Hanseaten können mit „Trümmermensch“ überzeugen, ich bin mir aber sicher, sie können noch mehr!

Wertung: 8.5 / 10

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