Interview mit Andy Brings von Double Crush Syndrome

Es ist nicht übertrieben, DOUBLE CRUSH SYNDROME den aufsteigenden Stern am deutschen Rock-’n‘-Roll-Himmel zu nennen. Mit einer Mischung aus Punk und Glam legt die Band um Mastermind Andy Brings seit 2013 bundesweit die kleinen und großen Bühnen auf sehr unterhaltsame Weise in Schutt und Asche und sorgt hiermit für Begeisterungsstürme und reichlich fliegende Schlüpfer. In einer seiner wohl eher seltenen ruhigen Minuten liefert der ehemalige Gitarrist der Ruhrpott-Thrasher Sodom pikante Einblicke in den kreativen Exzess, pardon, Prozess der Band.

 

 

Wie würdest du jemandem eure Musik beschreiben, der  noch nie zuvor von DOUBLE CRUSH SYNDROME gehört hat?
Punky Powerpop ’n‘ Roll.

Was möchtet ihr mit eurer Musik bei den Hörern bewirken?
Der Hörer soll den Alltag vergessen, Lust auf ein Konzert von uns bekommen und spätestens dort dann einfach pure Lebensfreude empfinden und zelebrieren. Wir sind ja selber auf der Suche nach den schönen Stunden im Leben und je mehr Leute das durch und mit uns erleben, desto geiler ist das.

Für die Leser, die euch noch nicht kennen: Welche Instrumente spielen in euren Kompositionen eine tragende Rolle? Warum genau diese?
Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug. Ganz selten mal ein wenig Synthesizer als „Glanz“, wenn der Song danach verlangt, wie aktuell bei unserem Lied „On Top Of Mt. Whateverest“. Da musste einfach etwas Earcandy rein. Ansonsten versuchen wir einfach den Bandsound so gut und authentisch wie möglich einzufangen und mit gezielten Overdubs ein wenig zu verbreitern.

Wie läuft das Songwriting bei DOUBLE CRUSH SYNDROME ab?
Den Großteil der Musik und der Texte schreibe ich, arbeite sie aber nur bis zu einem gewissen Grad aus. Danach gehen wir als Band gemeinsam ran. Die Songs bekommen dann den Stempel der einzelnen Bandmitglieder aufgedrückt, weil jeder von uns seinen eigenen Klang und Stil hat. Bei einem Trio kommt es auf jeden Mann an und wir verbringen viel Zeit damit, die Songs für uns so zu arrangieren, dass sie auch live in Dreierbesetzung „voll“ klingen, da wir aus religiösen Gründen ohne Backingtracks arbeiten. Unser Bassist Slick hat auch zwei Songs des neuen Albums geschrieben. Wer die Songidee hat, bestimmt die Richtung.

Setzt ihr euch beim Songwriting selbst Ziele oder schaut ihr einfach, wo euch der kreative Prozess hinführt?
Beides trifft zu, denke ich. Ich versuche schon, nicht mit dem Kopf an die Sache ranzugehen und erst mal nur Bauch und Herz das Feld zu überlassen. Dann aber muss man doch mal näher beleuchten, ob das jetzt wirklich geil oder nur ein kurzes Aufflackern ist. Mir ist sehr wichtig, ein im besten Sinne – mehr oder weniger – „simples“ Lied durch Arrangement, Hooks und Sound so schön wie möglich zu „kleiden“, zu präsentieren und erstrahlen zu lassen.


Was ist euer wichtigstes Ziel, wenn ihr die Arbeit an neuen Songs beginnt?

Ich versuche immer das nächste Level zu erreichen, als Songwriter, Sänger, Arrangeur und Produzent. Das ist mit DOUBLE CRUSH SYNDROME sehr schön möglich, weil wir uns da gerne auch zusammen an Kleinigkeiten festbeißen, die dann aber einen gewaltigen Unterschied machen. Wir spielen zusammen wie ein Uhrwerk, wenn es drauf ankommt, und das macht auch die Power aus, die wir rüberbringen.
Wir legen viel Wert darauf, dass ein Song interessant klingt und wir nicht einfach nur stumpf eine Nummer spielen. Was Bass und Gitarre bei uns machen, ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis intensiver Auseinandersetzung mit dem Lied und wie man es spannend umsetzen kann, um es gut klingen zu lassen. Nicht einfach nur Punkrock. Der ist zwar irgendwie die Basis, aber besonders ich bin ein großer Cheap Trick-Fan, und wie die ein vermeintlich „kleines“ Lied groß klingen lassen, ist ein Fest für alle Sinne und absolut vorbildhaft. Es ist nicht so, dass wir sie kopieren würden, aber die Herangehensweise ist sicher ähnlich.
Die Drums sind auch mitunter bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und auf Bass und Gitarre abgestimmt, damit wir die „MASCHINE“ werden! Wir gehen regelrecht ins Bootcamp dafür. Das macht uns großen Spaß.

Wie lange braucht ihr, um einzelne Songs und schlussendlich ein Album fertigzustellen?
Das kann ich nicht pauschal beantworten. Manchmal kommen Riffs und Textideen zum Einsatz, die mitunter seit vielen Jahren im Kopf oder auf Papier durch die Gegend schwirren. Die tatsächliche Songwritingphase dauert aber nicht lange. Das darf sie auch nicht. Es muss einfach so aus dir rausfließen, sonst ist die Idee garantiert nicht gut. Das Aufhübschen des Materials und die Produktion des Albums dauern aber durchaus mehrere Monate.

Wenn ihr Songs für DOUBLE CRUSH SYNDROME schreibt, denkt ihr da schon drüber nach, wie sie live klingen werden? Testet ihr euer Material vor der Aufnahme am Publikum?
Ja, und ich gehe sogar noch weiter: Wir überprüfen, wie es aussieht, wenn wir die Songs spielen! Wird es Spaß machen, das zu performen? Ist das eine Einheit von Musik und Darbietung? Lebt man das Lied? Fühlt es sich gut an? Wir wollen mehr sein als nur Songlieferanten!

Wovon lasst ihr euch inspirieren, wenn ihr die Texte eurer Songs schreibt? Wie setzt ihr euch mit der jeweiligen Thematik auseinander und wie wichtig sind die Texte euch überhaupt?
Uns inspiriert nur das Leben, die Liebe, gemachte Erfahrungen, Wünsche, Träume und Rock ’n‘ Roll! Was wir für unser Themenspektrum wissen müssen, wissen wir bereits seit vielen Jahren. Das wird allerdings ständig auf dem Laufenden gehalten, weil die Zeit nun mal nicht stehenbleibt. Von tagesaktuellen Themen und pseudoliterarischem Hirnmüll lassen wir allerdings die Finger. Das können andere Bands leider auch nicht besser, machen es aber trotzdem. Damit wollen wir nichts zu tun haben. Grauenhaft!
Die Texte sind aber natürlich schon wichtig, sie sollen allerdings nicht zwingend eine Botschaft transportieren, die andere erreichen oder zu irgendwas bewegen soll. Sie sind Ausdruck unserer Haltung und unseres Lebensgefühls. Wenn sich jemand darin wiederfindet: Wunderbar! Ansonsten darf man sich auch gern über den schönen Klang der Worte erfreuen, der natürlich auch wichtig ist!
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Welche Songs auf dem aktuellen Album „Die For Rock N‘ Roll“ bedeutet dir am meisten und warum?

Da muss ich ganz klar „Yeah! Pain!“ nennen, weil das der erste Song war, den ich seinerzeit für DOUBLE CRUSH SYNDROME geschrieben habe. Mit dem Song ging irgendwie alles los. Ich mag den Song sehr und spiele ihn supergerne live. Das gilt aber eigentlich für alle Songs. Auch „On Top Of Mt. Whateverest“ liegt mir sehr am Herzen, weil wir da als Band über uns hinausgewachsen sind, und eine richtig teure Nummer mit Jahrhundertrefrain hingelegt haben.

Von allen Songs, die Du im Laufe Deiner Musikerkarriere geschrieben hast, welche sind dir hier am wichtigsten?
Von allen Bands mit meiner Beteiligung gibt es Songs, die ich für mich als zentral wichtig einstufen würde. Bei Sodom ist es „Sodomized“, bei The Traceelords ist das „My Evil Girlfriend“ und bei meinem Soloprojekt der Song „Tut mir leid“. Bei DOUBLE CRUSH SYNDROME ist es eben das erwähnte „Yeah! Pain!”.

Wo siehst du deine größte Stärke, wo deine größte Schwäche als Musiker und warum?
Meine große Stärke ist sicherlich die, ein schönes Lied schreiben zu können. Es so zu spielen, dass dir die Hose flattert. Es so zu singen, dass du es beim zweiten Refrain mitsingen kannst und willst. Den Song so zu performen, dass du wieder an Rock ’n‘ Roll glaubst. Und dieses Lied zusätzlich auch geil aufnehmen und produzieren zu können. Schwächen gibt’s keine, da ich alle vermeintlichen Schwächen in Stärken umwandele und sie so für mich nutze.

Welche Art von Musik hörst Du privat und inwieweit hat die Musik Einfluss auf das musikalische Schaffen von DOUBLE CRUSH SYNDROME?
Ich höre seit eineinhalb Jahren das aktuelle Album von Madonna in Dauerschleife. Ein unfassbares Ding. Ich bin regelrecht süchtig danach. Dazu gesellt sich derzeit das neue Album von Lady Gaga, die ich in jeder Hinsicht bewundere und inspirierend finde. Neulich hatte ich aber auch mal wieder eine Phase, da habe ich tagelang nur alten Bad-Brains-Kram gehört, dasselbe passiert auch regelmäßig mit Manowar. Das neue Anthrax-Album killt auch alles. Superhoher Suchtfaktor!
Ich höre einfach, worauf ich Lust habe. Wenn ich zur Musik der Disco Boys tanzen will, dann mach‘ ich das auch. Die tiefen, alten Einflüsse sind per DNA so fest verankert, dass sie nie durch etwas ersetzt werden. In meinem Fall sind das KISS, die Ramones und Skid Row. Natürlich färben andere Dinge ab und besonders gesanglich orientiere ich mich schon lange weg von Punk und Metal – zumindest was Inspiration und das Üben angeht.

Welche Musiker oder Bands haben euch beeinflusst, als ihr in Songwriting-Phase für euer aktuelles Album wart?
In der Songwritingphase war es sicherlich eine Rückbesinnung auf die DNA, ohne da jetzt ein Dogma daraus machen zu wollen. Im weiteren Verlauf einer Produktion kriegt so ein Album sowieso immer ein ganz eigenes Gesicht und einen starken Charakter, wenn man es zulässt und sich wenig bis keine Grenzen setzt..

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Wie hat sich euer Songwriting über die Jahre entwickelt? Was macht ihr noch genauso, was anders als früher?
Für mich hat sich nichts geändert. Ich sitze dabei mit meiner Gitarre, einem Zettel und einem Stift in demselben Haus und meistens auch in demselben Raum wie seit 1000 Jahren. Meist ist der Rechner dabei an, um sofort Ideen festzuhalten. Was sich geändert hat, ist die Bandarbeit, die ich so in dieser Form zum ersten Mal erlebe: Das gemeinsame Feilen an Ecken und Kanten, das Ausprobieren, die Freude am gemeinsamen Musizieren. Das war in der Vergangenheit selten der Fall, und ist für mich das Schönste an DOUBLE CRUSH SYNDROME. Wenn wir drei zusammen spielen, ist die Welt geil.

Im Bereich Studiotechnik und Home-Recording hat sich in den letzten Jahren eine Menge getan. Inwiefern hat das Einfluss auf eure Herangehensweise ans Songwriting?
Man kann sofort gut hörbare Ergebnisse erzielen, und das feiere ich total. Früher war gar nichts besser. Die Möglichkeiten sind heutzutage unendlich und das nutzen wir sehr gerne. Natürlich muss der Song als solcher funktionieren, sonst nützt die tollste Technik nichts. Kreativität kann man – Gott sei Dank – nicht profilen. Zumindest noch nicht.

Wie tretet ihr der Gefahr entgegen, euch beim Songwriting zu wiederholen oder auf der Stelle zu treten?
Ich halte es da mit Alfred Hitchcock und sehe Selbstplagiarismus als Stilmittel.

Was unternehmen DOUBLE CRUSH SYNDROME gegen Schreibblockaden und kreative Tiefs?
In diesen Phasen sollte man einfach etwas anderes machen. Einfach mal rausgehen, irgendwas Ungesundes essen oder einen Film gucken, eine Zeitschrift lesen oder sich irgendwas Lustiges in den Po stecken. Kreative Tiefs kenne ich nicht. Es gilt nur, den richtigen Moment abzupassen, um die Idee einzufangen. Egal in welchem Bereich. Der richtige Zeitpunkt ist stets der, wenn man es tatsächlich macht!

Welchen Tipp würdest Du einem angehenden Songwriter geben?
Einfach mal hören, was die eigenen Lieblingssongs so ausmacht. Warum sind die gut? Was mag ich daran? Was berührt mich? Warum finden das unter Umständen auch andere Menschen gut? Kann ich davon was lernen und auf meinen Bereich übertragen?

Die wichtigste Frage zum Schluss: Imitiert die Kunst das Leben oder das Leben die Kunst?
Mehr denn je besteht da für mich eine Wechselwirkung. Durch Social Media ist ja jeder auch seine eigene Kunstfigur geworden, und niemand macht mehr nur für sich Urlaubsfotos, sondern auch, um Nachbarn und Freunde zu beeindrucken. Für mich ist das alles eins, und deswegen ist mir die Frage auch eigentlich zu abstrakt.

Publiziert am von Falk Wehmeier (Gastredakteur)

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