Interview mit Elisa Giulia Teschner von Ellereve

Unter dem Pseudonym ELLEREVE kreiert die deutsche Einzelmusikerin Elisa Giulia Teschner schon seit einer Weile Songs an der Schwelle zwischen allerlei Genres – darunter etwa Post-Rock und Electropop. Dass ihr Debütalbum „Reminiscence“, das die Solokünstlerin mithilfe ihrer Live-Band eingespielt hat, über Eisenwald erscheint, mag jedoch manche überrschen, ist das Label doch eher für Musik anderer Art bekannt. Wie es sie ausgerechnet dorthin verschlagen hat, wie sich ihr Musikstil seit ihrer EP „Heart Murmurs“ entwickelt hat und welcher Aspekt ihrer Tätigkeit als junge Musikerin sie am meisten herausfordert, hat uns Teschner im folgenden Interview verraten.

Du machst Musik unter dem Pseudonym ELLEREVE. Welche Bedeutung steckt hinter deinem Projektnamen?
Tatsächlich war mein Projekt „Ellereve“ zu nennen fast schon ein Zufall. Anfangs spielte ich mit der Idee, die zwei Buchstaben „El“ (die Anfangsbuchstaben meines Namens) mit „Reve“ zu verbinden. „Reve“ hat mich durch das englische „reveal“ inspiriert, denn in meiner Musik gebe ich einfach sehr viel von meiner Innenwelt preis. Ein Kumpel hat mich dann darauf aufmerksam gemacht, dass „elle rêve“ im Französischen „Sie träumt“ heißt, was ich auch sehr passend fand. Ich hab mich dann letztendlich für meine eigene Schreibweise entschieden, außerdem wird es auch nicht französisch ausgesprochen, sondern eher englisch. Die meisten sprechen es aber trotzdem falsch aus! (lacht)

Woher schöpfst du deine Inspiration als Künstlerin?
Meine Inspiration sind die Licht- und Schattenseiten des Lebens. Meine eigenen Erfahrungen, andere Menschen, Träume, Wünsche, Gedanken, Ängste. Aber auch die Natur inspiriert mich sehr.

Ellereve FotoDein Musikstil ist ziemlich eklektisch – mal gehst du mehr in Richtung Post-Rock, dann wieder in Richtung Electronic oder Singer/Songwriter. Bist du noch dabei, deinen eigenen Stil zu formen oder soll er auch in Zukunft so vielfältig oder sogar noch wechselhafter sein?
Da hätte ich jetzt schon fast die Gegenfrage; Wieso kann ein vielfältiger Stil nicht auch bereits „der eigene Stil“ sein? Ich möchte meine Kreativität nicht einschränken müssen, nur weil sie durch weniger Facetten vielleicht offensichtlicher in ein Genre zu packen ist. Die Songs von meiner EP „Heart Murmurs“ sind im Vergleich zu meinem Album „Reminiscence“ auf jeden Fall reduzierter, elektronischer und softer, das stimmt. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir noch nicht sicher, ob ich ELLEREVE in einer Band-Formation live performen möchte. Bei der Entstehung von „Reminiscence“ wollte ich mehr auf das Organische setzen, vor allem weil sich immer mehr rauskristallisiert hat, dass ich meine Songs in einer Band-Besetzung performen werde. Ich experimentiere gerne und bin neugierig. Ich würde meinen eigenen Musikgeschmack ebenso als sehr vielfältig bezeichnen, wahrscheinlich kommt deshalb dann so etwas dabei rum. Dennoch, glaube ich, kann man die Stimmung meiner Musik gut erfassen, genau so wie die Gefühle, die ich transportiere. Mir ist es wichtig, authentisch zu bleiben, ich mache mir im Voraus keine Gedanken darüber, wie ich meine Sound formen möchte, ich lasse es einfach entstehen und gebe meiner Kreativität Freiraum.
Ich schätze es auch immer wieder bei anderen Künstler*innen, wenn da etwas um die Ecke kommt, was man jetzt nicht unbedingt erwartet hätte. Das macht die Musik doch gerade erst spannend.

Welcher Aspekt des Musikmachens ist für dich als junge Künstlerin die größte Herausforderung?
Ich würde sagen, es ist die Schnelllebigkeit, der Fokus auf die digitale Welt und die Art und Weise, wie man Aufmerksamkeit generiert. Manchmal bin ich auch erschrocken darüber, was in der Welt von YouTube, Instagram und Co. immense Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft erlangt und das macht mich als Künstlerin hin und wieder traurig. Da gibt es „Influencer“, die in Videos 20 Minuten über ihren Einkauf aus dem Drogeriemarkt erzählen oder sich beim Zocken filmen lassen und dabei werden sie gefeiert wie große Stars und verdienen damit fett Kohle. Ich kann sowas absolut nicht verstehen und wundere mich da immer: Ist das wirklich das, was die Mehrheit der Menschen sehen will?! Als Newcomer*in in der Musik musst du gerade mal froh sein, wenn du mit deiner Konzert-Gage alle Fixkosten decken kannst, und dann wäre da natürlich auch noch der Aspekt, wie man heutzutage Musik konsumiert, denn dieser macht es einem nicht unbedingt leichter. Mit ganz viel Glück können Streaming-Plattformen durch diverse Playlists natürlich schon auch dafür sorgen, dass man eine gewisse Reichweite erlangt. Die Tantiemen pro Stream an die Künstler*in sind aber trotzdem lächerlich. Ich meine, es hat alles seine Vor- und Nachteile. Heutzutage ist man viel unabhängiger, die eigene Musik wird produziert und auch ohne Label veröffentlicht und vermarktet. Trotz allem bin ich manchmal von dieser „immer mehr, immer schneller und vor allem auch extremer“-Mentalität abgeschreckt.

Was würdest du Menschen raten, die ebenfalls gerne damit anfangen wollen, selbst Musik zu machen?
Egal wie viele Niederschläge und Rückschritte es gibt, einfach niemals aufzugeben und sich von keiner Pappnase einreden lassen, man müsste dies oder jenes tun um „erfolgreich“ zu werden. Authentisch bleiben, dem Herzen folgen, Vertrauen in sich selbst bzw. den eigenen Weg und Prozess haben.

Dein Debütalbum erscheint über Eisenwald – ein Label, das man nicht unbedingt mit Musik wie der deinen assoziiert. Wie hat es dich dorthin verschlagen?
Gerade diese Kooperation ist, wie ich finde, ein schönes Beispiel dafür, wie viel offener und vielfältiger die (Metal-)Musikszene geworden ist. Mein Herz schlägt schon seit vielen Jahren für (atmosphärischen) Black Metal, deshalb hatte ich auch ein Label wie Eisenwald im Auge. Zum einen auch speziell für ELLEREVE, denn meine Zuhörerschaft ist eindeutig mehr in der Ecke von düsterer und härterer Musik zu finden.

Deine Musik wird von dem Label als „Female-Fronted Rock“ vermarktet – eine durchaus umstrittene Bezeichnung, die man als sexistisch auslegen könnte und die auf die Unterrepräsentation von Frauen in Rockmusik hindeutet. Wie denkst du über diese Zuschreibung?
Das wäre wohl eine negative Form der Interpretation. Ich glaube, ich betrachte die Bezeichnung aus einem anderen und positiven Blickwinkel. Gerade weil Frauen in der Rockmusik vielleicht weniger vertreten sind als Männer, ist es doch schön, wenn man darauf aufmerksam machen kann. Ich werde zumindest immer sehr neugierig, wenn ich etwas von einer Female-Fronted-Band im Rock-/Metal-Bereich höre und lese.

Ellereve Foto

Wie ist deine Musik bislang – insbesondere vonseiten der Fans des Labels – aus deiner Sicht aufgenommen worden?
Bei mir überwiegt auf jeden Fall die positive Rückmeldung und das freut mich sehr. Kritik und auch manchmal nicht wirklich konstruktive Kritik gehört aber so oder so immer dazu, das lässt sich nicht umgehen. Und das ist ja auch okay. Ich erwarte ja schließlich nicht, das jedem gefällt, was ich tue. Mir gefällt ja auch so einiges nicht, was man sich so auf dieser Welt anhören kann.

Auf deinem Debüt bist du von deiner Liveband unterstützt worden. Waren deine Mitmusiker auch über die bloße Aufnahme hinaus an der Entstehung des Albums beteiligt?
Teilweise – Patrick, mein Drummer, hat definitiv bei den Aufnahmen für das Album seine eigene Note mit reingebracht. Meine Songs entstehen meist immer zuerst in meinem Wohnzimmer, da hocke ich mich dann mit der Gitarre und dem Midi-Controller vor Ableton und programmiere da vor mich hin oder nehme eben die Gitarre auf, singe Vocals ein. Sprich, die Drums waren dann anfangs programmiert, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Im Proberaum geht es dann an die Feinheiten und da hat er einfach die Expertise, die ich nicht habe – so gerne ich auch Schlagzeug spielen würde, da habe ich wirklich kein Talent für! (lacht) Manchmal versuche ich aber auch, die Beat-/Drum-Pattern über Geräusche, die ich mache zu äußern, das klingt dann immer sehr lustig und ist amüsant für die anderen. So ähnlich lief das auch mit Darwin, meinem Gitarristen, ab: Ich hab ihm für den Endpart von „But Nowhere“ zum Beispiel die Melodie von seinem Part per Sprachnachricht eingesungen – hat dann nur zwei Anläufe gebraucht, aber dann hat er mir darauf die eingespielte Gitarrenspur geschickt. Er spielt definitiv viiiiiel besser Gitarre als ich und beherrscht all das, wofür mein Shoegaze-Herz schlägt. Wir haben schon gemeinsam in meinem alten Bandprojekt VARO musiziert und ich bin sehr happy, dass er auch bei ELLEREVE mit dabei ist.

Dein erstes Album trägt den Titel „Reminiscence“ – ein ungewöhnlich nostalgischer Titel für ein Debüt. Woran denkst du in den Songs zurück?
Wäre „Let’s go“ passender gewesen? Scherz! Ich finde, da gibt es eigentlich kein „gewöhnlich oder ungewöhnlich“.
Die Songs verbinde ich mit einer sehr turbulenten und transformativen Zeit. Ich bin sehr dankbar über das, was ich erleben und lernen durfte. Einige Kapitel daraus sind nun geschlossen, andere beginnen jetzt erst.

Manche Songs wie „I Am Enough“ klingen tröstlich und zuversichtlich, andere wie „The Empty Chair“ vermitteln eine gewisse Schwermut oder sogar Groll. Ist „Reminiscence“ für dich letztlich eher von positiven oder negativen Gefühlen bestimmt?
Ich würde sagen, das Positive überwiegt, denn meistens geht es auch darum, sich nicht von der Negativität unterkriegen zu lassen, egal wie übermächtig sie sich manchmal anfühlt. Auch in der Dunkelheit Licht zu erkennen, egal wie schwer die Suche danach ist – das ist eher die Grundaussage der Songs.

In einem sehr persönlichen Statement auf deiner Social-Media-Präsenz hast du sinngemäß erwähnt, dass du dich lange Zeit nicht gut um dich selbst gekümmert hast, aber dass die Musik immer eine Stütze für dich war. Was hat dich letztlich aus deiner Misere befreit?
Es war schon immer die Liebe zur Musik und zum Musikmachen, die ein Feuer in mir lodern ließ, welches nicht zu erlöschen ist, egal wie schlecht es mir ging. Immer mit dem Ziel vor Augen, was ich auf meiner musikalischen Laufbahn alles noch erleben und erreichen möchte. Das gab mir unendlich viel Kraft. Ich denke, jeder Mensch braucht eine gewisse Leidenschaft und etwas, wofür er brennen kann.

Ellereve - Reminiscence CoverDas Coverbild ist sehr stark und einprägsam. Was kannst du uns über die Aufnahme erzählen? Hast du dich eher zufällig für dieses Foto entschieden oder wusstest du schon vor der Aufnahme, wie das Cover letztlich aussehen sollte?
Ich habe mich auf jeden Fall schon vorher für die Zusammenarbeit mit Konstantin Alexandroff, dem Fotografen, entschieden. Sein Stil passte perfekt zu dem, was ich mit dem Cover ausdrücken wollte. Fragilität, dennoch in Symbiose mit Stärke, was in dem Fall durch das Gestein verdeutlicht wird. Bei sehr persönlicher Musik macht man sich ja auch irgendwie „nackt“ und schafft tiefe Einblicke in die Seele. Außerdem erinnert uns die Natur auch immer wieder an das Loslassen und Neuanfänge bzw. Wachstum und das thematisiere ich auch in meiner Musik.

Auf der CD sind außerdem vier ältere Bonustracks unter dem gemeinsamen Titel „Reverberations Of The Soul“ enthalten. Was hat es damit auf sich?
Die Songs sind ja vorher schon bereits veröffentlicht gewesen und diese werden dann zusätzlich auf der CD als Special Edition und Bonustracks erscheinen. „Reverberations Of The Soul“ – also „Nachhalle der Seele“, da die Songs auch teilweise ringsum das Album entstanden sind, somit auch gewissermaßen ein Teil davon sind.

Hast du schon längerfristige Pläne für ELLEREVE oder lässt du jetzt erst mal die Reaktionen auf dein Debüt und die nächsten paar Konzerte auf dich zukommen?
Also wenn ich eins bin, dann ehrgeizig und visionsreich – da gibt es also noch einige Pläne. (lacht)

Wie bei uns auf Metal1.Info üblich würde ich das Interview gerne mit einem kurzen Brainstorming beenden. Was fällt dir zu den folgenden Schlagworten ein?
Konsistenz vs. Experimentierfreude: Experimentierfreude!
Black Metal: Während dem Joggen kann sehr motivierend sein.
Feminismus: Bin ich am Start!
Privatsphäre: Unglaublich wichtig für mich. Deshalb lebe ich wohl auch so isoliert. (lacht)
Kreativität: Hat keine Grenzen.
Resilienz: Schätze ich sehr.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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