Konzertbericht: Hexvessel w/ Ellereve

22.04.2024 München, Feierwerk (Hansa39)

Mathew Kvohst McNerney ist ein Chamäleon – zumindest, was seinen kreativen Output angeht: Post-Punk mit Grave Pleasures (ehedem Beastmilk), Folk mit HEXVESSEL, Black Metal mit The Deathtrip, Avantgarde-Black-Metal mit Code und Dödheimsgard, … gemeinsam ist Kvohsts Projekten und Veröffentlichungen eigentlich nur die hohe Qualität. Mit seinem neuen HEXVESSEL-Album hat er abermals Visionäres geschaffen: „Trver“ als „Polar Veil“ kann avantgardistischer Black Metal nicht klingen – und Trve-Black-Metal nicht avantgardistischer: Statt einfach dem Retro-Trend zu folgen, hat Kvohst dessen Riffs und Sounds genommen, und ihnen einen satten Bass als Melodieinstrument, vor allem aber seinen unverkennbaren Klargesang gegenübergestellt. Nach zwei Special-Performances auf dem Roadburn Festival reisen HEXVESSEL für sechs weitere Shows durch Europa.

ELLEREVE April 2024 in MünchenOb es an dem eh immer ungünstigen Montags-Termin, der aktuellen Veranstaltungsdichte oder mangelhafter Promotion liegt, ist schwer zu sagen – das Hansa 39 im Feierwerk München füllt sich jedenfalls nur sehr schleppend: Nur gut 50 Fans haben sich eingefunden, um ELLEREVE als Opener zuzuhören – und das, obwohl Elisa Giulia Teschner als Kopf hinter dem Projekt aus der Gegend kommt, also quasi ein Heimspiel gibt. Davon lassen sich ELLEREVE aber die Laune nicht verderben: Bewaffnet nur mit einem Cello und zwei Akustikgitarren liefert das Trio ein heute komplett akustisches Set. Das hat durchaus seinen Reiz, hätte allerdings zu jeder anderen Hexvessel-Tour besser gepasst als zur aktuellen, wie sich später zeigen wird. Nichtsdestoweniger bekommen ELLEREVE andächtiges Schweigen während der und anerkennenden Applaus zwischen den Songs – also eigentlich alles, was man sich als Band mit leisen Songs wünschen kann.

  1. Cosmos
  2. If Only
  3. Somewhere
  4. Colorblind
  5. In Infinite Light
  6. The Funeral
  7. Falling Like Raindrops
  8. The Empty Chair

HEXVESSEL April 2024 in MünchenWer nach dieser gefühlvollen Darbietung ganz auf Akustikgitarren eingestellt ist, wird vielleicht enttäuscht – denn Forest Folk war gestern. Wie schon auf „Polar Veil“ zu hören, wenden sich HEXVESSEL nun auch live gänzlich ihrer Neuinterpretation des traditionellen Black Metals der 1990er-Jahre zu. Schwarze Umhänge mit Kapuzen gehören dazu ebenso wie Unmengen an Nebel, gewollt kitschige Keyboards-Sounds und die für „trven“ Sound unschlagbare Kombi aus einer BC-Rich „Warlock“ und 1x12er Transistor-Combos von Peavey. Was bei jeder anderen Band wie eine Black-Metal-Persiflage anmuten würde, funktioniert bei HEXVESSEL faszinierenderweise: Ob durch den – auch live – sehr präsenten, vollen Bass, Kvohsts eindringlichen Klargesang oder die Ernsthaftigkeit, mit der die Band das Spektakel lebt.

HEXVESSEL April 2024 in MünchenNichts daran wirkt aufgesetzt oder gar lächerlich – ganz im Gegenteil: Was HEXVESSEL hier kreieren, klingt authentischer „frostbitten“ als so ziemlich jede nach 1995 gegründete nietenbesetzte Panda-Corpsepaint-Band da draußen. Spannend ist, dass dieses Konzept nicht nur für die Songs ihres aktuellen Albums funktioniert, das HEXVESSEL in geänderter Song-Reihenfolge, aber trotzdem komplett und sogar um den Non-Album-Track „Black Mountain Poet“ ergänzt darbieten: Auch die umgearbeiteten „Kindred“-Songs „Joy Of Sacrifice“ und „Phaedra“ geben vortreffliche Black-Metal-Stücke ab. Mit „Spirit Mask Wolf“ gibt es obendrein noch einen brandneuen Song zu hören, der Tags zuvor in Jena Live-Premiere gefeiert hat – offensichtlich haben HEXVESSEL nicht vor, dem Black Metal in absehbarer Zeit wieder den Rücken zu kehren.HEXVESSEL April 2024 in München

  1. Joy Of Sacrifice
  2. Black Mountain Poet
  3. The Tundra Is Awake
  4. Listen To The River
  5. Eternal Meadow
  6. Spirit Mask Wolf
  7. Phaedra
  8. Crepuscular Creatures
  9. Older Than The Gods
  10. Ring
  11. A Cabin In Montana
  12. Homeward Polar Spirit

Für Forest-Folk-Fans mag das eine schlechte Nachricht sein, und vielleicht hängt die maue Besucherzahl von etwa 70 oder 80 zahlenden Gästen auch damit zusammen, dass HEXVESSEL für diese Art von Musik (noch) nicht die richtigen Fans haben. Aber ein Künstler tut, was ein Künstler tun muss – und wenn es einen Musiker gibt, der nach diesem Grundsatz lebt, dann ist es Mathew Kvohst McNerney, das Chamäleon.

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Ein Kommentar zu “Hexvessel w/ Ellereve

  1. Klingt sehr interessant. Danke für das Review!
    Hexvessel mag ich seit vielen Jahren sehr und ihr neuer eher am alten Black Metal orientierter Sound sagt mir auch sehr zu. Tatsächlich sehe ich es ähnlich das Hexvessel momentan wohl eine der wenigen Bands sind die diesen alten 90er Vibe gescheit und authentisch widerspiegeln. Und dazu braucht es nicht tonnenweise umgedrehte Kreuze und Corpsepaint. Bin gespannt was da in Zukunft noch kommt.

    Gruß
    Oli

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