Interview mit Frater Flagellum & Decanus Obscaenus von Fvneral Fvkk

Mit (ehemaligen) Mitgliedern von Fäulnis, Ophis und Crimson Swan besetzt könnten FVNERAL FVKK das nächste große Ding im deutschen Doom werden. Die Musik der Hamburger kommt auf dem Debüt-Album „Carnal Confessions“ melodisch und eingäng daher. Ihr Konzept hingegen ist provokant: Die Vertreter der Institution Kirche bekommen „satt ihr Fett weg“. Warum FVNERAL FVKK ihre Musik trotzdem nicht als „antichristlich“ verstanden wissen wollen, was es mit dem Bandnamen auf sich hat und warum sie überhaupt beim Doom gelandet sind, erzählen Frater Flagellum (Schlagzeug) und Decanus Obscaenus (Gitarre) im Interview.

Ihr habt euch auch für dieses Gespräch extra eure Roben angezogen. Sind die selbstgemacht, gekauft oder wo habt ihr die her?
Frater Flagellum: Ich kann jetzt ehrlich sein und sagen, dass wir die aus dem billigsten Kostümshop haben, aber besser klingt natürlich, dass wir die aus irgendeiner verschlossenen Kapelle aufm Dorf geklaut haben. (lacht) Nein, es war für uns wichtig, dass sie nicht so dick sind wie echte Roben, weil wir damit ja auch auf der Bühne stehen und schwitzen.
Decanus Obscaenus: Aber wir planen mittelfristig ein kleines Upgrade, weil die sich als mittelmäßig brauchbar erwiesen haben.

Generell machen Kostüme es auf der Bühne ja selten „einfacher“. Wie wichtig ist euch, trotzdem euer Konzept auch optisch umzusetzen?
Decanus Obscaenus: Das war schon bei der Bandgründung klar. Wir haben ganz früh, fast schon, bevor es überhaupt Musik gab, festgelegt, dass wir in Roben auftreten werden oder etwas in die Art machen werden. Das ging dann Hand in Hand, und wir hatten auch einfach Lust darauf, etwas zu machen, was auch auf dem visuellen Level mehr ist als nur da zu stehen. Aber wir haben natürlich lange diskutiert, wie wir das machen oder was wir nicht machen. Da gab es noch diverse weitere Ideen, die wir dann nicht umgesetzt haben.

„Es ist wichtig, das Bandimage
auch visuell zu verkörpern.“

… zum Beispiel?
Frater Flagellum: Schweinemasken. Es ist wichtig, das Bandimage auch visuell zu verkörpern. Das würde irgendwie untergehen, wenn wir da jetzt in Jeans und T-Shirt stehen. Aber wir wollten halt auf jeden Fall vermeiden, dass wir wie Gwar oder Ghost oder Slipknot sind, wo die Kostüme krass im Vordergrund stehen und sich die Leute nur noch darüber unterhalten. So ist es ja recht dezent. Auf so ‘ner schummrigen Bühne könnten es auch einfach schwarze Kapuzen sein. Man sieht es schon, aber es steht nicht so grell im Vordergrund. Deswegen habe ich auch gesagt: Schweinemasken würden die Message noch krasser rüberbringen, aber es ist halt auch sehr viel – dann wären wir nur noch die Band mir den Schweinemasken und Priesterkutten. Und die Musik soll ja schon im Vordergrund stehen. So ist es genau der richtige Mittelweg, und ich finde, es passt auch, ohne übertrieben zu sein.
Decanus Obscaenus: Heute gibt es ja eh so viele Bands, die mit Kapuzen oder klassischen Kutten spielen, da ist der Weg zu dieser Robe auch nicht mehr so weit. Wir sind zwar die erste Band, die in Roben spielt, aber bei uns hat das ja auch einen bisschen anderen Hintergrund, weil wir diese Priester ja auch mehr vertreten als andere Bands. Das ist ja unser Hauptthema.  Eigentlich überraschend, dass das noch keiner gemacht hat. Was einem natürlich direkt einfällt, sind einerseits Ghost, die du ja selbst angesprochen hattest, und Batushka, die das im orthodoxen Stil so ähnlich machen. Seht ihr da ein Risiko, dass man euch in eine Trend-Kiste wirft?
Frater Flagellum: Ja. Durchaus.
Decanus Obscaenus: Den Ghost-„Vorwurf“ haben wir jetzt schon häufiger mal gehört, das stört mich zwar nicht wirklich, weil ich Ghost eigentlich ganz gerne mag, aber das hat mit unserer Musik und dem Hintergrund eigentlich überhaupt nichts zu tun. Batushka habe ich jetzt noch gar nicht gehört, aber im Metal war es ja schon immer sehr weit verbreitet, mit so christlicher Symbolik zu spielen, auch in so Gewändern aufzutreten. Der Messiah [Marcolin, A. d. Red.] von Candlemass hatte ja auch immer so eine Art Robe an. Wir treiben es halt nochmal anders auf die Spitze, indem wir es nicht glorifizieren oder als Kultur rüberbringen, sondern als Antikultur, Gegenkultur oder fast schon als Mahnbeispiel.
Frater Flagellum: Das Risiko besteht, aber ich denke, wer sich mit der Band auseinandersetzt, sieht auch, dass es nochmal was anderes ist, dass es nicht nur kopiert ist, auch wenn es vielleicht Parallelen gibt. Und wer sich damit nur sehr oberflächlich auseinandersetzt, checkt es vielleicht nicht … aber das ist mir dann auch egal.

Wie Batushka und Ghost habt ihr auch von Anfang an eure Namen geheim gehalten. Wie erst ist es euch damit?
Decanus Obscaenus: Wir benutzen in der Band einfach ausschließlich unsere christlichen Pseudonyme, aber allein durch die Nennung der Bands, in denen wir sonst spielen oder früher gespielt haben, ist recht schnell klar, wer wir sind. Wir haben ja von Anfang an gesagt, dass das ein Projekt von Leuten von Fäulnis, Ophis und Crimson Swan ist. Dabei würde ich auch gerne bleiben.
Frater Flagellum: Das ist ja jetzt auch kein Geheimnis, wir haben ja keine Masken. Wer uns kennt, sieht das ja. Die Pseudonyme dienen ja doch eher der Atmosphäre, denn um unsere Identität zu verschleiern. Wobei ich in meinem Job auch viel mit Kindern arbeite, und manche Eltern das sicher nicht so witzig fänden, insofern ist mir das schon auch ganz recht so, wenn mein Name nicht überall zu lesen ist. Wenns jemand rausbekommt, ist es mir aber auch egal. Es ist auch nicht wichtig, wer wer ist.
Decanus Obscaenus: Dass wir auf Fotos diese Balken über den Augen haben wollen, ist eher eine Anspielung auf so Pressefotos – da geht es nicht um Geheimhaltung.

„… etwas Satirisches, das den Finger
in eine Wunde legen soll.“

Das kirchliche Konzept wurde ja jetzt schon mehrfach angesprochen und ist ja sogar hier jetzt offensichtlich. Ist das jetzt „antichristlich“ gemeint, oder was ist die Schlagrichtung?
Decanus Obscaenus: Schwer zu sagen. Ich würde uns nicht als antichristliche Band bezeichnen. Es ist ja nicht so, dass wir hier wie so manche Black-Metal-Bands mit dem antichristlichen Hammer herumrennen. Ich tue mich mit dem Begriff etwas schwer, aber vielleicht geht es eher um etwas Satirisches, das den Finger in eine Wunde legen soll. Was wir privat für Meinungen haben, ist wieder etwas anderes, aber die Band ist nicht „antichristlich“.
Frater Flagellum: Wir hauen ja auch nicht auf die Christen auf der Glaubensebene drauf, es geht ja nicht um irgendwelche christlichen Inhalte oder Dogmen. Es ist ja nur auf die Vertreter der Institution gemünzt. Die bekommen natürlich satt ihr Fett weg, aber es ist ja nicht das Christentum an sich. Christliche Inhalte sind bei uns gar nicht das Thema, weder positiv noch negativ. Höchstens in der symbolischen Überspitzung, um die Heuchelei aufzudecken, aber in seinen Grundfesten wird das Christentum von uns gar nicht angegriffen.

Aber glaubt ihr nicht, dass jemand, der im christlichen Glauben verhaftet ist, sich allein durch eure Outfits angegriffen fühlt? Das alleine könnte ja schon als „anmaßend“ ausgelegt werden.
Frater Flagellum: Ja, das ist auch so. Ich habe tatsächlich einen christlichen Bekannten, der sagt, dass es für ihn wirklich hart grenzwertig ist, zu akzeptieren, dass ein Kumpel von ihm so eine Band hat und solche Musik macht. Aber dazu denke ich mir zweierlei: Zum einen ist es den Christen im allgemeinen ja auch relativ egal, wen sie mit ihrem ganzen Brimborium verletzen, und zum anderen glaube ich nicht, dass eine so weltgewichtige Institution einen Kratzer bekommt, wenn vier Hänflinge aus Hamburg ihren Spaß mit ihr machen. Und ansonsten: So be it. Wenn du nicht vorgehalten bekommen willst, dass deine Institution verkürzt gesagt aus Kinderfickern besteht, dann sorg halt dafür, dass das aufhört. Da findet aber in der christlichen Gemeinde und Welt so wenig Aufarbeitung statt, dass man dann mit dem Vorwurf eben auch mal leben muss. Wir unterstellen ja nichts, wir zeigen nicht auf Leute und dichten ihnen etwas an, sondern die Songs basieren ja fast alle auf wahren Begebenheiten. Da musst du dann eben mit klarkommen, wenn du Aufklärung verweigerst.
Decanus Obscaenus: Es ist ja fast traurig, dass wir als dahergelaufene Doom-Band diese Themen ansprechen müssen, die eigentlich die Kirche selbst ansprechen müsste. Aber die tut das eben nicht. Es ist ja eigentlich erstaunlich, dass wir überhaupt dieses Futter kriegen – und zwar frei Haus geliefert, und das in einer Masse, dass wir uns selbst schon gewundert haben. Die Themen schmeißen sich uns vor die Füße, eines ist krasser als das andere, je tiefer man da eindringt, desto gruseliger wird es eigentlich – und da ist auch kein Ende in Sicht. Dass die Kirche diese ganzen Sachen so unaufgearbeitet lässt, sie verschwinden lässt und quasi uns als Material zur Bearbeitung überlässt, ist eigentlich traurig.

War persönlicher Glaube für euch bei der Konzeptfindung ein Thema, oder zumindest eure Sichtweisen auf die Kirche – habt ihr das erst einmal abgesprochen, was für wen wie in Ordnung ist?
Frater Flagellum: Das hat sich entwickelt. Ganz am Anfang sollte das ja in eine ganz andere Richtung gehen, da war es ja noch nicht mal Doom. Da war es mehr so ein Mix aus perversem Sado-Maso-Kram und Christentum, das fanden wir einfach witzig. Aber dann haben wir angefangen zu recherchieren, und daraus hat sich das entwickelt. Aber richtig abgesprochen haben wir das eigentlich gar nicht, das ist einfach so passiert. Und als wir dann da drin waren, wurde es zum Selbstläufer: Das ist ja wirklich ein unerschöpflicher Quell, da kannst du noch 50 Alben mit machen, zumindest, was die Fülle an Themen angeht.
Decanus Obscaenus: Ich denke, alle Bandmitglieder sehen das, wie wir es eben gesagt haben: Die Kirche an sich wird eigentlich nicht angegriffen, wir laufen ja nicht herum und singen „Tötet die Christen!“ Es geht um eine harte, direkte Kritik, und da können alle Bandmitglieder mitschwingen, egal wie sehr oder wenig. Darum, die Kirche als Sache anzugreifen, geht es ja nicht, sondern die Leute, die dahinterstecken, und was sich daraus als seltsame „Kultur“ oder eher Abart entwickelt.

Wir haben das Thema Texte jetzt schon mehrfach gestreift. Auf Metal-Archives sind eure textlichen Themen mit „Blasphemy, Debauchery, Necrophilia“ angegeben. Ist das eure eigene Definition, beziehungsweise fühlt ihr euch davon gut umrissen?
Frater Flagellum: Ne, ich finde es nicht gut umschrieben, aber wer immer es eingetragen hat, hat sich dabei wohl auf unsere alte EP bezogen, da sind zwei Texte abgedruckt und in dem einen Song geht es ja tatsächlich um einen Pfarrer, der sich an Leichen vergeht. Das ist jetzt nicht repräsentativ für die Band, aber so ist das wohl darin gelandet. Aber ich finde das auch nicht schlimm, die lyrischen Inhalte auf Metal-Archives sind ja eh immer sehr, sehr verkürzt beschrieben. Was da bei Ophis steht beispielsweise ist auch völliger Quatsch, das bezieht sich im Endeffekt auf einen einzigen Song, den es mal gab. Damit können wir leben. (lacht)
Decanus Obscaenus: Natürlich streift es am Rande den Eindruck, den man von uns haben kann. Aus unserer Sicht ist das Konzept natürlich etwas weitergehender, aber da muss man natürlich tief drin sein, das kann man nicht von jedem erwarten, dass er da jetzt sofort dahinter steigt. Wer sich mehr mit uns beschäftigen will, kann das gerne tun, da gibt es genug zu entdecken – es geht ja nicht nur um simplen Satisfaction-Kram.

„Wir machen uns über die Täter lustig,

nicht über die Opfer“

Sondern? Gebt doch mal einen kurzen Abriss, worum es eigentlich geht?
Frater Flagellum: Konzept in dem Sinne ist ja nur, dass wir so tun als wären wir Priester, die endlich mal offenlegen, was in der Kirche schon lange Gang und Gäbe ist, und das natürlich sehr überspitzt. Aber die Songs an sich verfolgen ja kein Konzept, da steht ja jeder für sich. Früher war es eher fiktiv, angelehnt an Sachen, die man mal gehört hat, und mittlerweile berufen wir uns eben auf konkrete Fälle, die es wirklich so gab, und die wir so vertexten, wie es war. Mit ein, zwei Ausnahmen, und natürlich ist in einem Songtext alles sehr verkürzt dargestellt, aber im Wesentlichen sind das recherchierte konkrete Ereignisse und konkrete Personen. Da ist nicht einfach was dazu gesponnen oder so, sondern eben auch belegt. Im Konzept spiegelt sich dann eben das bereits angesprochene Satirische wider. Es ist keine Comedy-Welt, aber ein gewisser Zynismus steckt da natürlich schon drin. Wobei klar im Vordergrund stehen soll: Wir machen uns über die Täter lustig, nicht über die Opfer. Das ist ein gravierender Unterschied.

Tatsächlich ist es zwischen dem Verlachen der Täter und der Verharmlosung der Tat oft nur ein schmaler Grat. Inwieweit habt ihr euch hier Gedanken gemacht, war das auch ein Thema, wie weit ihr da geht oder wo ihr aufpassen müsst?
Frater Flagellum: Ja. Ich schreibe ja einen recht großen Teil der Texte und mir ist immer wichtig, dass ich da nicht reinschreibe, wie ich meine, dass sich das Opfer wohl gefühlt haben muss. Weil ich nie von einem Priester missbraucht worden bin, ich kann das einfach nicht beurteilen. Ich kann mir das zwar vorstellen, wie schlimm das sein muss, aber letztendlich wäre es vermessen, wenn ich mir das anmaßen würde. Die Texte sind auch humorbefreit. Da ist vielleicht mal ne witzige Formulierung drin, aber es war auch immer wichtig, dass da eine gewisse Traurigkeit rüberkommt, die das Thema auch in uns auslöst. Der Song „Poor Sisters Of Nazareth“ zum Beispiel, der von Nonnen handelt, die Kinder in ihrem Kinderheim brutal missbrauchen – dass das nicht witzig formuliert ist, oder dass wir nicht für die Opfer sprechen, sondern nur widergeben, was da passiert ist. Das Ganze natürlich im Doom-üblichen Jargon verfasst, klar. Ob uns das immer gelingt, ist vielleicht Ansichtssache, da kann man vielleicht drüber streiten. Es ist ja, wie du schon sagst, ein schmaler Grat. Vielleicht gibt es auch Leute, die das anders sehen. Aber wir haben uns das jedenfalls so vorgenommen und versuchen, das so umzusetzen, wie wir meinen, dass das OK ist. Aber natürlich kann das ein Streitpunkt bleiben.

Decanus Obscaenus: Das schützt natürlich nicht davor, dass falls mal ein Opfer oder jemand aus dem Umfeld das hört, er das unmöglich findet. Das ist ihm ja auch unbenommen. Wir müssen ja nur schauen, wie wir das darstellen wollen, und da waren uns diese Sachen wichtig. Dass es wirklich um eine Beschreibung von Tatsachen geht, und nicht um ein Ausschlachten von Sachen, oder so ein Satisfaction-Ding im Cannibal-Corpse-Style, sage ich jetzt mal, möglichst groß und heftig. Darum ging es uns genau nicht. Die Tatsache, dass das alles stattgefunden hat, finde ich immer wieder erschütternd, und umso tiefer man sich da rein liest und auf umso mehr Fälle man stößt, desto mehr sieht man, dass es wirklich kaum eine Perversion gibt, die nicht stattgefunden hat. Das alleine ist schon gruselig. Da müssen wir uns gar nichts mehr ausdenken, da muss man gar nichts mehr ausschmücken, weil das teilweise heftiger ist, als ich oder einer von uns sie sich ausdenken könnte.
Frater Flagellum: In einem Song haben wir die rhetorische Frage an einen Kardinal, der diverse von Priestern ausgelöste Suizidfälle gedeckt hat, auch vor der Polizei – wie rechtfertigst du das eigentlich, wenn du irgendwann mal nach deinem eigenen Glauben vor deinen Schöpfer trittst – wie willst du dem das eigentlich rechtfertigen. Und wie kannst du dich an die Gräber der Opfer stellen und predigen – wie rechtfertigst du das vor dir selbst? Ich denke, damit ist schon klar, dass wir das jetzt nicht nur ausschlachten, nur um eine möglichst derbe Story zu haben. Kann natürlich sein, dass das nicht überall so ankommt, aber auch da denke ich mir wieder: Wer sich damit auseinandersetzen will, kann es finden, und wer nur oberflächlich drauf schaut, wird es eben missverstehen – selbst schuld.

„Oberflächlich betrachtet
ist das schon harter Tobak.“

Ich kann mir zumindest gut vorstellen, dass das schnell geht, mit den Outfits und der vagen Info, dass ihr über Kindesmissbrauch singt.
Frater Flagellum: Ja. Oberflächlich betrachtet ist das schon harter Tobak. (lacht)
Decanus Obscaenus: Da reicht es ja eigentlich schon der Bandname und wenn man uns dann auf der Bühne sieht. Da musst du ja nicht einmal genau wissen, worüber wir eigentlich singen, das reicht ja eigentlich schon, um provokativ zu sein.
Frater Flagellum: Aber wie ich schon vorher gesagt habe: Wenn du nicht willst, dass so etwas über deine Institution gemacht wird, dann tu was dagegen!

Ich war tatsächlich eher noch auf der Betroffenenseite, dass es da jemand falsch auffassen könnte …
Frater Flagellum: Das kann schon sein, aber das Risiko besteht natürlich immer, dass du jemandem zu nahe trittst. Wir versuchen, das zu vermeiden – also auch ganz bewusst – aber mehr können wir nicht machen. Außer, man lässt das Thema weg und sagt: das fasse ich nicht an, aber das ist ja auch der falsche Weg. Wenn es jetzt irgendwo eine Doku zu so einem Thema gibt, kann man sich ja auch immer fragen: Bei wem triggert das jetzt was?

Der Bandname wurde gerade schon angesprochen – wie viel Ironie steckt da drin, oder wie kam es überhaupt?
Decanus Obscaenus: Also wie könnte bitte keine Ironie in FVNERAL FVKK stecken? (lacht) Mit Vs nd Ks geschrieben. Uns ist natürlich klar, dass das ein ziemlich deftiger Name für die ganze Geschichte ist. Dazu muss man sagen: Der Name war quasi als erstes da, wir beide hatten uns überlegt, dass wir eine Band machen wollen, die so heißt, mit völlig freiem Konzept, was da wird, was da kommt. Jetzt sind wir hier gelandet, und wir haben ehrlichgesagt eine lange, lange Diskussion in der Band geführt, ob wir den Namen behalten oder ihn ändern wollen. Wir haben uns jetzt dafür entschieden, ihn zu behalten – was nicht heißt, dass wir ihn nicht irgendwann noch mal ändern. Aber jetzt behalten wir ihn erst einmal. Weil es Quatsch wäre, wieder neu anzufangen. Ich stehe auch hinter dem Namen, auch wenn wir immer wieder hören: Alberner Name, da höre ich nicht rein, das passt nicht zu Doom, das passt nicht zum Konzept und so weiter und so fort.  Ich denke, der Vorteil liegt auf der Hand: Der Name fällt auf. Vielleicht ist er so doof, dass er überall auffällt, und vielleicht ist er dann ja doch ganz schick.

Von meiner Seite her war das übrigens gar nicht kritisch gemeint …
Decanus Obscaenus: Du bist wahrlich nicht der erste, der den Namen anspricht, was natürlich ein Zeichen dafür ist, dass er vielleicht nicht so ungeschickt gewählt ist. Aber die Diskussion haben wir seit Ewigkeiten. Seit der EP kommen immer wieder Kommentare von wegen „Trotz des megabescheuerten Namens ist die Musik ganz in Ordnung“. Das fällt schon sehr auf, gerade im Doom-Bereich, der ja doch sehr traditionell geprägt ist. Man muss im Endeffekt sagen: Der Name hat für uns unterm Strich bis jetzt mehr Vorteile als Nachteile gehabt. Trotzdem haben wir eine große Diskussion geführt, ob wir ihn so behalten wollen oder nicht.

Was waren da dann die Pro- und vor allem Contra-Argumente, warum habt ihr ihn selbst in Frage gestellt?
Frater Flagellum: Es ist ja schon so, wo du vorher ja auch Nekrophilie und Blasphemie angesprochen hast, dass der Name eher diesen stumpfen Aspekt ausdrückt … FVNERAL FVKK steht ja in bester Tradition von Deicide oder Marduk. Das inhaltliche Konzept ist aber mittlerweile komplexer als das. Da kann man sich dann schon mal die Frage stellen, ob so ein Holzhammer-Name zu einem doch mittlerweile umfassenden, komplexen Konzept passt. Ich kann das auch verstehen, wenn jemand findet, dass das nicht passt. Aber der Name war nun einmal da, und ich finde auch nicht, dass er nicht passt. Aber ich kann schon verstehen, dass man das auch mal in Frage stellt. Da kann man schon geteilter Meinung drüber sein. Er ist schon ein bisschen pubertär, aber das meine ich nicht negativ.

„Traditionell ist im Metal jeder
zweite Bandname total beschissen.“

Gut, aber das gilt ja auch für 90 Prozent aller Bandnamen im Metal, oder?
Decanus Obscaenus: Genau, das muss man natürlich auch sagen. Traditionell ist im Metal jeder zweite Bandname total beschissen. Und in der Doom-Szene, die ja auf den Namen sehr allergisch reagiert, gibt es auf der anderen Seite viele Bands, die auch nur ein Schatten ihrer eigenen Szene sind. Da werden die Namen halt so hin und her gereicht, und keiner kann sich die Bands noch merken, weil jeder den gleichen Scheißnamen hat. Da kann man auch auffallen.
Frater Flagellum: Außerdem ist es immer geil, weil die meisten Leute, die es zum ersten mal hören, irgendein ultrakrasses brasilianisches Black-Metal-Projekt erwarten und auf einmal ist da diese Mucke – das überrascht die Leute, das finde ich gut.

Verstehen die Doomer den Witz an V statt U und KK statt CK, das ist ja eigentlich eher so ein Running Gag im Black Metal, oder?
Decanus Obscaenus: Nö, da wurden wir noch nie drauf angesprochen. Wen das FVNERAL FVKK stört, der wird die Vs als Us richtig beschissen finden … also wenn er den Humor nicht mitbringt.

Für Google ist das ja auch total doof, oder? Ich denke mir das immer bei Bands mit Sonderzeichen … da muss man heutzutage ja vermutlich echte Einbußen hinnehmen in der digitalen Verbreitung, oder?
Frater Flagellum: Wenn du anfängst, dir danach den Namen auszusuchen, bist du auch nicht besser als Justin Bieber. (lacht)
Decanus Obscaenus: Genau. Ich finde auch: ein Google-optimierter Name ist so das vorletzte, was ich haben möchte. Du hast natürlich nicht unrecht, jeder zweite schreibt vermutlich den Namen falsch, aber das finde ich nicht so schlimm. Das Risiko halte ich für kalkulierbar: Ein paar Leute haben es vielleicht deswegen nicht gefunden, nicht reingehört – aber so viele werden das nicht sein. Im Endeffekt glaube ich, dass uns dieser bisschen abwegige, bisschen alberne Name mehr gebracht hat als er uns gekostet hat. Das ist wichtig.
Frater Flagellum: Man darf ja auch nicht vergessen: Als wir FVNERAL FVKK gegründet haben, war das wirklich ein reines Nebenprojekt – da war ja nicht einmal klar, ob diese EP, die wir da aufgenommen haben, rauskommen wird. Wir hatten eben ein paar Songs, wollten die aufnehmen und dann schauen, ob man das releast bekommt. Und wenn nicht, dann halt nicht. Eine höhere Erwartung war da gar nicht dahinter, deswegen auch keine stategischen Überlegungen. Wenn wir vorgehabt hätten, das so aufzuziehen, hätten wir uns da auch ganz andere Gedanken gemacht.

Ich mag auch das Logo – wer hat das gemacht?
Decanus Obscaenus: Das hat Mathias Junge von Ctulu gemacht, in einer recht zackigen Aktion. Der macht das glaube ich nicht so viel, aber immer mal wieder. Den kenne ich schon ganz lange, und ich habe ihn in der Entstehungsgeschichte gefragt, ob er Lust hat, ein Logo zu machen, für das es keine Kohle gibt. Und dann kam er mit diesem grandiosen Ding rüber, und wir waren alle gleich hellauf begeistert und werden auch immer wieder drauf angesprochen. Da  hat er einen guten Job gemacht, muss man sagen.

Jetzt müssen wir aber natürlich auch mal über die Musik sprechen – wie entsteht die bei euch?
Decanus Obscaenus: Als Band sind wir eine Vierer-Kombo, wobei alle Mitglieder am Songwriting-Prozess beteiligt sind. Nur für Konzerte haben wir noch einen Live-Gitarristen dabei. Auf dem Album habe ich also alle Gitarren eingespielt. Wenn ich Songs schreibe, mache ich das quasi nur zu Hause, im Proberaum werden nur Feinheiten gemacht. Insofern ist das auch kein Problem, dass wir nur eine Gitarre haben. Beim Schlagzeug werden im Proberaum natürlich auch Ideen entwickelt, insofern findet auch ein Teil des Prozesses dort statt, aber der ist sehr kurz gehalten. Im Prinzip ist FVNERAL FVKK ein Zu-Hause-Projekt, im Proberaum machen wir die Songs nur spielbar. Deswegen brauchen wir in der Phase eigentlich auch keinen zweiten Gitarristen.

„Doom ist live viel schwerer zu spielen
als die Leute immer denken.“

Und was sind eure Live-Ambitionen?
Decanus Obscaenus: Wir haben jetzt acht, neun Gigs gespielt und werden aus diversen, auch persönlichen Gründen vermutlich auch nicht so viel live spielen, also zumindest nicht im Sinne einer Tour. Aber wir werden live aktiv sein, der Rest ist eine Frage der Angebote. Das muss man sehen, wie sich das entwickelt.

Wie ist das im Doom, gibt es da Nachfrage nach neuen Bands?
Decanus Obscaenus: Schon, aber erstaunlicherweise spielen wir gar nicht so viele „richtige“ Doom-Festivals, sondern werden auch gerne mal zwischenreingebracht, beispielsweise zwischen lauter Black-Metal-Bands. Unser Publikum scheint also eher etwas übergreifender zu sein. Aber das passt ja auch zur Musik, klassisch Doom ist es ja auch nicht. Das sieht man dann eben auch an unseren Konzerten.

Decanus Obscaenus, du kommst quasi direkt von Fäulnis – das war ja doch deutlich mehr Action in der Musik – was macht das für dich jetzt für einen Unterschied, was das Live-Spielen angeht?
Decanus Obscaenus: Ich musste mich da sehr dran gewöhnen. Erstaunlicherweise sind die FVNERAL-FVKK-Konzerte für mich viel anstrengender, aber eher auf der Kopfebene, weil ich viel variabler sein muss, mehr Lead-Melodien spielen und mich mehr konzentrieren muss. Bei Fäulnis war es eher körperlich anstrengend, durch das viele Rumgeschraddel, alles immer schnell.
Frater Flagellum: Doom ist live viel schwerer zu spielen als die Leute immer denken. Du hörst wirklich jeden Fehler. Wenn du da am rumschrammeln bist oder 260-bpm-Death-Metal machst und da sitzt ein Ton nicht auf der Eins – wer soll das hören?
Decanus Obscaenus: Und du kannst das ja viel schneller wieder korrigieren bei 32tel-Anschlag. Aber wenn du beim Doom danebenliegst, ist es halt richtig scheiße. Gerade bei dieser sehr melodischen Melodie. Wenn da jemand danebenliegt, das hört jeder sofort. Deswegen ist das im Kopf deutlich anstrengender. Das hätte ich aber auch nicht gedacht.
Frater Flagellum: Ich bin das ja gewohnt, ich spiele jetzt seit 18 Jahren Doom, aber vorher eben nie am Schlagzeug. Und die Umstellung war für mich auch nochmal hart. Ich habe früher Schlagzeug in einer Thrash-Band gespielt, so Tankard-mäßig. Aber Doom-Drums habe ich noch nie gemacht. Ich hab das auch immer bei Ophis gesehen, wenn wir neue Schlagzeuger hatten. Die sind immer mit stolzgeschwellter Brust in den Proberaum gekommen … geil, langsam spielen, kein Problem, sonst bin ich ja nur am Blasten, das krieg ich easy hin. Die haben immer ewig gebraucht, in diese Banddynamik reinzukommen. Weil das einfach eine ganz andere Form von Drumming ist. Du kannst sehr schnell viel zu viel machen, und die Musik damit erschlagen, weil ansonsten ja recht wenig passiert – oder du machst nur Bumm-Tschack, dann ist es halt sehr öde. Da genau das richtige Mittelmaß zu treffen, ist sehr schwer. Das hört sich dann nur nicht schwer an.

Wie kam es dann eigentlich, dass ihr beim Doom gelandet seid? Offenbar war das ja nicht von Anfang an festgelegt?
Decanus Obscaenus: Das kann ich gar nicht mehr ganz genau rekonstruieren, aber ich wollte immer gern etwas Melodischeres machen als Fäulnis, auch mit einem richtigen Sänger, der richtig singt. Daraus ist das eigentlich entstanden. Warum es jetzt Doom geworden ist … es hätte eigentlich auch alles andere werden können. Das hat sich einfach so entwickelt.
Frater Flagellum: Und ich wollte das erst nicht. Am Anfang war es ja noch etwas schneller, dann kam Decanus Obscaenus mit seinen Doom-Riffs und dann habe ich gesagt: Das ist für mich ja völliger Quatsch, wenn ich jetzt eh schon in zwei Bands spiele, dann brauche ich jetzt nicht auch noch eine zweite Doom-Band. Aber die Sachen haben mich dann leider so überzeugt, dass ich gesagt habe: Das wäre jetzt auch dumm, das nicht zu machen. (lacht)

„Ich höre nicht viel Doom.
Vieles ist mir zu langweilig.“

Hörst du dann auch privat Doom, Decanus Obscaenus?
Decanus Obscaenus: Ja, aber sehr ausgewählte Sachen. Ich bin ganz großer Candlemass-Fan, Warning, solche Geschichten. Und bei anderen Sachen höre ich mal rein, aber ich höre nicht viel Doom. Ich mag die Melodieführung im Doom, aber vieles ist mir zu langweilig. Ich finde das atmosphärisch gut, aber es gibt auch viele Sachen, die andere total abfeiern, mit denen ich gar nichts anfangen kann.

Warum waren Growls für euch keine Option? Stellenweise hätte das sicher gut gepasst?
Decanus Obscaenus: Einen einzigen Schrei gibt es ja auf „Carnal Confessions“, aber mehr ist nicht in Planung. Das steht auch nicht zur Debatte. Ich fände das nicht gut.
Frater Flagellum: Das war mir auch immer wichtig, dass sich das von meiner anderen Band abgrenzt. Da haben wir ja nur Growls. Das ergibt für mich sonst einfach keinen Sinn, in zwei Bands zu spielen, die relativ ähnlich klingen.
Decanus Obscaenus: Für mich macht der Gesang auch mit den Reiz an der Sache aus. Wenn das jetzt halb-halb oder nur Geschrei wäre, hätte ich darauf deutlich weniger Lust. Das ist für mich eine der Triebfedern der Band, dass ich das so gerne mag und ich richtig Lust habe, in einer Band mit einem richtigen, klassischen Sänger zu spielen. Das ist mir total wichtig.

Das ist witzig – der Kontrast zu Fäulnis könnte ja größer kaum sein.
Decanus Obscaenus: Wobei Fäulnis ja auch immer so ein paar Doom-Dinger hatte, aber im Gesang auf jeden Fall, ganz klar. Größer geht der Kontrast nicht. Aber ich hatte schon immer eine melodische Ader in der Musik, jetzt mal abgesehen von Fäulnis. Auch davor hatte ich immer Lust auf melodische Sachen, ich hatte nur nie die Band, wo ich das machen konnte. Sich da mal voll auszuleben, fühlt sich schon gut an. Das macht richtig Spaß.

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Publiziert am von

Fotos von: Moritz Grütz

Dieses Interview wurde persönlich geführt.

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