Als Sänger von Schandmaul erzählt Thomas Lindner auf der Bühne oft fiktive Geschichten, Mythen und Sagen. In seiner Freizeit hört er lieber selbst zu: Rund 1.000 Hörspiele nennt der Barde sein Eigen. Nun hat Thomas zusammen mit seinem Bruder Stefan ein eigenes Hörspielprojekt für Erwachsene ins Leben gerufen. Wo die Verbindungen zum Brettspiel Risiko, Helrunar oder Porcupine Trees „Fear Of A Blank Planet“ liegen, erfahrt ihr in unserem ausführlichen Gespräch mit dem Brüderpaar.
Wie geht es euch nach der Veröffentlichung von „Das Deja-Vu“ und „Die Spinne“?
SL: Sehr gut. Dafür dass wir mit Lindenblatt Records ein absolutes Indylabel betreiben und uns vorher niemand kannte, lief der Verkauf von „Die Spinne“ sehr gut. Wir sind sogar leicht in den schwarzen Zahlen gelandet. Die Verkaufszahlen von „Das Deja-Vu“ sind allerdings noch besser angelaufen. Dann kann u.a. am Hype durch die aktuelle Schandmaul-Tour liegen, wo die Hörspiele am Merchandise-Stand mit verkauft wurden. Die Reaktionen von Käufern und Kritikern auf beide Veröffentlichungen waren ebenfalls sehr gut.
Wie zufrieden seid ihr mit den Ergebnissen? Was konntet ihr bei „Das Deja-Vu“ bereits realisieren, was beim Vorgänger gefehlt hat oder auch allgemein?
TL: Wir sind beide seit frühester Kindheit Hörspielfans. D.h. wenn wir uns neue CDs aus diesem Bereich kaufen, haben wir einen bestimmten Anspruch. Mit „Die Spinne“ haben wir ziemlich ins Blaue geschossen. Bei „Das Deja-Vu“ konnten wir dann viel von dem umsetzen, wo wir gemerkt haben, da ist Luft nach oben. Das ist uns meiner Meinung nach sehr gut gelungen, ohne dass wir „Die Spinne“ als Erstlingswerk abgewertet haben.
Gibt es konkrete Beispiele für eine Entwicklung von „Die Spinne“ hin zu „Das Deja-Vu“?
SL: Auf „Das Deja-Vu“ sind zwei Stücke enthalten, von denen eines – nämlich der Namensgeber der CD – bereits im gleichen Aufnahmeprozess wie „Die Spinne“ entstanden ist. Wir haben damals insgesamt vier Geschichten produziert, von denen die letzte „Das Deja-Vu“ war. Was also wirklich neu hinzukam, ist die zweite Geschichte namens „Zum Meister“. Dabei haben wir bereits beim Schreiben des Drehbuchs gezielt darauf geachtet, dass mehr Sprecher integriert werden. Außerdem war der Aufnahmeprozess ein anderer. Durch das alles plus verbesserte Effekte ist „Zum Meister“ auch eher ein Hörspiel als die Geschichten davor, die eher szenischen Lesungen gleichen.
TL: Außerdem lernt man produktionstechnisch schnell dazu. Bei „Die Spinne“ standen wir uns teilweise mit zwei Mikrofonen vor dem Gesicht mit einem Meter Abstand gegenüber und haben live unsere Dialoge eingesprochen. Dadurch war es ausgeschlossen, dass wir im Nachhinein etwas nachbearbeiten konnten. Für den zweiten Teil konnten wir uns besser auf die Rollen vorbereiten und reinfinden.
Wie empfandet ihr das Echo auf euer Debüt, sowohl aus Fan- als auch als Kritikersicht?
SL: Wie gesagt, sehr sehr gut. Von Käufern habe ich sehr viel Positives gelesen und gehört. Die Presse war fast schon erschreckend gut. Ich habe jedenfalls nichts Negatives mitbekommen. Das Feedback reichte von wohlwollend bis sehr gut.
Gab es auch konstruktive Kritik?
TL: Alles, wo Kritiker hätten ansetzen können – dass alles ziemlich rough und erdig klingt – das waren letztlich genau die Punkte, die manchmal ausdrücklich gelobt wurden.
Wie entstand die Idee, ein Hörspielprojekt zu machen und es Gebrüder Thot zu taufen? Besonders Thomas als Musiker leidet nicht unter akutem Zeitmangel, du selbst bist Behindertenpfleger und Familienvater.
TL: Mein Bruder schreibt seit ewigen Zeiten. Durch den Background, den wir beide zusammen liefern können, war es naheliegender vertonte Geschichten zu machen als sich in diesem Schlachtermarkt nach einem Buchverlag umzuschauen.
SL: Natürlich ist der Zeitfaktor mit Hauptberuf, Nebenjob und Familie sehr entscheidend. Daher habe ich mich irgendwann auf Kurzgeschichten konzentriert. Man schreibt etwas, schließt es ab und hat ein Ergebnis. Wie Thomas eingangs bereits erwähnte, sind wir beide seit unserer Kindheit große Hörspielfans und da wir hier ein Tonstudio haben, bot es sich einfach an, meine Geschichten zu vertonen.
Wie schafft ihr es für Geschichten oder auch Songtexte in eurer knappen Freizeit auf Knopfdruck kreativ zu sein?
TL: Wenn mir nichts zufliegt, das mich kreativ berührt, und ich beispielsweise innerhalb von vier Wochen zwei neue Songs brauche, muss ich mich für manche Texte zurückziehen. Ich setze mich dann in Kneipen, wo ich keinen Menschen kenne, aufs Klo oder gehe spazieren. Wenn mich keiner anspricht und niemand etwas von mir will, dann funktioniert das irgendwann. Mir fällt ein Thema ein, das baue ich aus und so entsteht schließlich ein Text. Das verstehe ich unter Drucktexte, die manchmal sein müssen. Wenn ich meinen Gedanken freien Lauf lasse, kann da auf Knopfdruck etwas passieren.
SL: Bei mir ist das ähnlich. Ich habe seit Teenagerzeiten immer einen Block und einen Stift bei mir. Meistens habe ich von ganz allein genügend Ideen und mich ärgert es, dass ich nicht so schnell schreiben kann wie ich denke. Das Ausformulieren meiner Ideen und das Schreiben von Dialogen fällt mir nicht schwer, den Stift dafür in die Hand zu nehmen und ein bis zwei Stunden Zeit am Stück zu finden allerdings ab und an sehr. Um dann auf den Punkt kreativ zu sein, brauche ich auch etwas Druck. Doch am Ende kommt es meistens von allein und ich muss nicht viel nachhelfen.
Du hast gesagt, du holst dir deine Inspiration aus deinem Leben und der Gegenwart. Liefert dir das immer genügend Material oder lässt du dich ebenfalls von Musik, Literatur, etc. inspirieren, so wie Thomas es beim Songwriting macht?
SL: Auf jeden Fall. Ich lese, seitdem ich es gelernt habe. Dadurch haben mich sicherlich verschiedene Autoren und Werke unbewusst in dem beeinflusst, wie ich formuliere. Dazu kommen Filme und Musik. Ich höre eigentlich immer Musik. Ab und an reicht dann eine einzelne Zeile, die nicht einmal die Essenz des Liedes sein muss, um mich zu einem eigenen Text zu inspirieren.
Hast du dafür ein Beispiel?
SL: Musik muss nicht einmal einen Text haben, um mich zu inspirieren. Zu meinen größten musikalischen Einflüssen zählt u.a. die Mühlheimer Jazzband Bohren & der Club of Gore, die ich auch hauptsächlich laufen lasse, wenn ich schreibe. Ich höre beim Schreiben gerne Instrumentalmusik, da mich Texte, besonders deutsche, leicht drausbringen. Manche Bands drücken aber bereits durch ihre Instrumente so viel aus, dass ich dadurch zum Schreiben animiert werde. Ein Beispiel für eine quasi beliebige Textzeile, die in mir einen Impuls und weitere Gedanken auslöste, wäre wiederum ein Stück auf Porcupine Trees „Fear Of A Blank Planet“. Das soll als Basis für eine Geschichte auf Gebrüder Thot Teil 3 dienen.
TL: Bei deutschen Texten bin ich gezwungen, zuzuhören und zu analysieren. Bei englischen Texten habe ich wiederum die Option: Übersetz ich sie mir und versuche den Inhalten zu folgen oder blende ich den Text völlig aus? So kann ich zu englischen Stücken ganz eigene Geschichten in meinem Kopf entwerfen. Das ist für mich ein großer Pfuhl an Kreativität, der da geboten wird.
Würdest du sagen, dass du in deinen Geschichten dein Leben verarbeitest oder siehst du darin eher eine Art Ventil für Gedanken, die du ansonsten nicht in die Welt tragen könntest?
SL: Beides und noch mehr. Bei „Die Spinne“ könnte man denken, das wäre wahnsinnig autobiografisch, ist es aber nicht. Ich habe weder Angst vor Frauen noch vor Spinnen. Es war vielmehr wieder ein einzelner Gedanke, als ich als junger Erwachsener beinahe in Gedichtform über Spinnen geschrieben habe. Da kam ich auf die Idee, das mit Frauen zu verknüpfen. Beim Ausformulieren fließen immer autobiografische Elemente ein – manchmal aus meinem eigenen Leben, manchmal durch meine Beobachtungen. Die Aussagen, die ich mit meinen Geschichten bei den Gebrüdern Thot treffen will, sind sehr bewusst gewählt und spiegeln das wider, was mich beschäftigt und wovon ich denke, dass es auch andere interessieren könnte. Die einzige Ausnahme ist „Zum Meister“, welches mehr eine Horrorstory ist.
Kannst du uns – vielleicht an einem Beispiel aus euren beiden CDs – kurz schildern, wie der kreative Entstehungsprozess für eine der Geschichten ablief und ab welchem Punkt Thomas ins Spiel kam?
SL: Bei allen Geschichten außer „Zum Meister“ war es so, dass ich entweder eine Kurzgeschichte in Drehbuchform umgeschrieben oder direkt mit einer Art Drehbuch gearbeitet habe. Damit ging ich dann zu Thomas und seine Arbeit begann sozusagen damit, mir Feedback zu geben. Beim Aufnahmen ist er schließlich bei allem federführend, was mit technischen Geräten zu tun hat. Wenn wir vor den Mikros stehen, spielen wir uns wiederum die Bälle zu. Da müssen wir zum Glück nicht groß diskutieren. Bei „Zum Meister“ kam das Grundgerüst wiederum von ihm und wurde von mir bearbeitet. Das ist ein spezialgelagerter Sonderfall.
Ihr arbeitet u.a. mit Bibelzitaten. Wie lange dauert es, bis ihr bei solchen Geschichten von der Grundidee zum finalen Ergebnis kommt? Spielt dabei auch der persönliche Glaube eine Rolle?
SL: Auf jeden Fall. Ich bin kein religiöser Mensch. Allerdings habe ich mich noch nicht entschieden, ob ich ein Agnostiker bin so wie der Protagonist dieser Geschichte oder eher Atheist. Dennoch beschäftigen mich Religionen im Allgemeinen und speziell das Christentum sehr. Da wir nicht christlich erzogen wurden, war es für mich als Kind bereits sehr schräg, dass meine Mitschüler und Freunde so gänzlich anders zu gewissen Themen dachten. Das blieb mir erhalten und ich überlegte mehrfach: Um Himmels Willen, warum ist das so? Allein an dieser Redewendung erkennt man wiederum, wie sehr Religion im Sprachgebrauch verankert ist. Da mich das Thema auch heute noch sehr beschäftigt, wollte ich es in Geschichtenform umsetzen. Das ist dann sowohl auf „Die Spinne“ als auch bei „Das Déjà Vu“ geschehen. Ich bin bei meinen Formulierungen aber stets bedacht, dass ich keinen Christen an den Karren fahre.
Musst du für die Verbindung zwischen den Bibelzitaten und deinen Gedanken konzentriert daran arbeiten oder ergibt sich das von selbst?
TL: Da gibt es auch Autobiografisches, z.B. wenn sich die beiden Brüder darüber unterhalten, wieviele Christen die Bibel tatsächlich gelesen haben. Der Prozentanteil derer, die es nicht getan haben und sich trotzdem Christ nennen, ist dabei weit höher. Mein Bruder als Nichtchrist hat sie wiederum gelesen. So können wir wiederum aus den Vollen schöpfen.
SL: Ich habe mich mehrfach in meinem Leben mit Christen unterhalten. Das gestaltete sich sehr oft als schwierig, vor allem wenn Alkohol im Spiel ist. Ich habe regelmäßig bemerkt, dass meine Gesprächspartner schnell an ihre Grenzen gestoßen sind, weil sie mit der Materie nicht vertraut sind. Wenn sie dann noch feststellen, dass ich als Nicht-Christ mehr weiß als sie, werden sie wiederum grantig bis sehr böse. Dies wollte ich wiederum auf „Das Déjà Vu“ verarbeiten und gleichzeitig war es die Grundidee für den Spannungsbogen. Alles andere wurde drumherum gesponnen. Deswegen fielen mir die passenden Zitate nicht schwer. Mit dem gewählten Zitat aus Lukas 4 „Die Versuchung Christi“ wollte ich der Geschichte gezielt Pfeffer geben.
Um nicht zu viel zu verraten: Eure Stories enden oftmals anders als erwartet. Habt ihr diese Pointen vor der Veröffentlichung irgendwie getestet?
TL: Ich habe einen Inner Circle aus Familie, Freunde und Bekannten, denen ich das im Vorproduktionszeitraum vorgestellt habe. Teilweise müssen wir dann selbst lachen, wenn es uns gelingt, bestimmte Menschen mit unseren Ideen hinters Licht zu führen.
SL: Bei „Zum Meister“ war meine Story anfangs zu abgedreht. Das haben selbst Thomas und Stefan Gossen, der für die Musik zuständig ist und eine Sprecherrolle verkörpert, gleichermaßen gesagt. Das war anfangs eine Schleife zu viel, so dass ich es abändern musste. Es war auch nicht immer so, dass alle Beteiligten immer sofort alles verstanden haben. Wir haben es dann trotzdem gemacht, weil wir eben auch keine Hörspiele für Doofe machen wollen.
TL: Da wir keine Kinderhörspiele a la Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg machen, kann man auch einen gewissen Anspruch erwarten. Da dürfen sich die Hörer nach dem ersten Durchgang gerne verwundert angucken, um es anschließend noch einmal zu hören. Wir sind nicht nur für Lieschen Müller da. Natürlich kann man den Bogen auch überspannen, demnach ist die gesunde Gradwanderung sehr wichtig. Aus diesem Grund ist das Feedback im Vorfeld für uns entscheidend. Wenn gewisse Ansprechpartner unsere Geschichten nicht kapieren, sind wir zu weit gegangen und rudern lieber zurück.
Gibt es dabei auch Parallelen zu Songtexten, wenn man Texte auf die Quintessenz reduziert?
TL: Das gibt es überall. Egal, ob Film, Funk oder Fernsehen. Du musst die Gradwanderung zwischen anspruchsvoll und zu kompliziert schaffen.
Habt ihr euch bei der Ausarbeitung Tipps von Profis geholt oder habt ihr ausschließlich zusammen experimentiert?
TL: Da wir beide eine umfangreiche Sammlung an Hörspielen besitzen, wissen wir, wo der heutige Standard liegt. Wir wissen zudem, was für Konsumenten gerade noch geht und was nicht zu ertragen ist. Das ist gleichzeitig unser Maßstab. Sich mit Profis zu unterhalten, ist nicht ganz einfach. So der Kontakt bestünde, würden diese auf unseren Hörspielen mitsprechen. Unser derzeitiger Qualitätsstandard ist also unsere Eigenkritik, die wir als Konsumenten aufgebaut haben.
Habt ihr eine gewisse Intention, wo ihr die Gebrüder Thot im Hörspielbereich platzieren wollt, abgesehen vom Erwachsenen-Segment?
SL: Wir haben für Lindenblatt Records als Gesamtes noch viele Ideen für Projekte, die wir realisieren wollen. Die Gebrüder Thot haben insofern bereits eine Nische, da ich nichts kenne, wovon ich sagen würde, es ist ähnlich zu unserem Gesamtkonzept.
TL: Diese Nische gilt für mich als Markteinführung. Dadurch erzeugt wiederum Aufmerksamkeit. Sonst verhält es sich wie beim Brettspiel Risiko: Wenn man Australien eingenommen hat, kann man von dort aus weitere Eroberungsfeldzüge starten.
SL: Genau. Wir haben Australien und müssen jetzt Asien angreifen.
Wieviel Schandmaul und WETO steckt in den Gebrüdern Thot?
TL: Von Schandmaul steckt in den Gebrüdern Thot die Unterhaltung. Das trifft jedoch auf alle Hörspiele dieser Welt zu. Von WETO stecken vielleicht die unbequemen Themen drin, über die man nicht sprechen will. Fans von Schandmaul und WETO können über die Gebrüder Thot eine weitere Facette kennenlernen, die mir sehr wichtig ist: Die Sprache oder die Arbeit damit. Direkt vergleichen mit den beiden Kapellen würde ich es auf keinen Fall, da es auf Stefans Mist gewachsen ist.
SL: Der Hörspielmarkt und auch die Hörspielmacher sind eine eingeschworene Gesellschaft, in der es besonders für Quereinsteiger schwierig ist, Fuß zu fassen. Somit hat uns die Tatsache, dass der Thomas nun einmal der Thomas ist und gleichzeitig Sänger von Schandmaul, den Einstieg erheblich erleichtert. Durch seine Popularität gibt es ein gewisses Grundinteresse, speziell bei Schandmaulfans. Ohne ihn würde es keine Gebrüder Thot Teil 3 und unseren anderen angedachten Projekte geben, da wir den Hörspielmarkt an sich noch gar nicht geknackt haben.
TL: Unter Schandmaulfans gibt es einen relativ hohen Anteil hörspielaffiner Menschen. Natürlich ist das ein Pfuhl an potentiellen Interessenten, auf den wir bauen können, ohne bewusst darauf zu zielen.
SL: Sonst sehe ich zwischen Schandmaul und den Gebrüdern Thot keinen Zusammenhang, bei WETO hingegen durchaus, was die Thematiken angeht. WETO sind sozusagen die Gebrüder Thot des Deutschrocks *lacht*
Könntet ihr euch vorstellen, zwischen den Hörspielen und der Musik weitere Verbindungen zu schaffen? Bei den Gebrüdern Thot hattet ihr beispielsweise auch Gastmusiker wie VorTeX, Melkor oder Cyclotron.
TL: Ich hätte richtig Lust, Musik für ein Hörspiel zu schreiben. Das müsste dann jedoch ganz anders sein als alles, was ich bisher gemacht habe. Ich denke dabei in Richtung Orchestrales oder Filmmusik. Das ist momentan noch nicht möglich, aber da hätte ich Bock drauf.
SL: Wenn man in die Zukunft blickt, macht das in jedem Fall Sinn. Und ich bin davon überzeugt, dass es das geben wird. Darüber hinaus ist es so, dass für die metalaffinen Leute letztes Jahr ein Album von Helrunar herauskam, die ein ähnliches Konzept verfolgt haben. Sie haben auf einem Konzeptalbum Hörspielsequenzen zwischen den Songs eingebaut, was ich extrem großartig finde. Sowas könnte ich mir bei Thomas und mir ebenfalls vorstellen.
Welchen atmosphärischen Beitrag konnten VorTeX, Melkor und Cyclotron zu euren Hörspielen leisten?
SL: Hierbei nehmen VorTeX eine Sonderrolle ein, da sie bei beiden CDs das musikalische Korsett geliefert haben. Das gehört zum Gebrüder Thot-Konzept. VorTeX machen großartige Musik, werden dafür aber bis dato nicht entsprechend gewürdigt.
Melkor und Cyclotron passten wiederum zum metal-affinen Pathologen aus „Zum Meister“.
Wäre es nicht logisch, die Gebrüder Thot mit einem Schandmaul-Song als Titelmelodie oder ähnliches zu promoten?
TL: Wir betreiben die Gebrüder Thot derzeit auf Sparflamme. Insofern scheitert dies an der GEMA, was Schandmaul und WETO betrifft. Aktuell verwenden wir auf unseren Hörspiel-CDs nur GEMA-freie Musik.
Thomas, wo liegen für dich die Unterschiede, Songtexte im Studio einzusingen und die Texte für die Hörspiele einzusprechen? Wie sehr hilft dir dabei deine Erfahrung als Sänger?
TL: Grundsätzlich hat das nichts miteinander zu tun. Das Sprechen ist näher an der Schauspielerei. Insgesamt hilft mir besonders meine Bühnenerfahrung im Hinblick auf die Ansagen zwischen den Stücken. Dadurch bin ich in der Lage, vor der Sprechermikrofon schneller in meine Rolle zu schlüpfen und lockerer zu sein. Vom Singen weiß ich wiederum, wie ich durch Veränderungen in meiner Mimik, gewisse Nuancen in meine Stimme einfließen lassen kann. Das klingt für den Hörer schön, er weiß nur z.B. nicht, dass ich bei diesem Satz gelächelt habe. Außerdem wissen wir durch unser Konsumentenverhalten, wie gute Sprecher klingen und haben von unseren Vorbildern gelernt.
Stefan, du bist für Thomas ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um seine Musik geht. Habt ihr – als Gebrüder Thot – beim gemeinsamen Arbeiten im Studio auch neue Seiten aneinander kennengelernt oder war es sozusagen nur umgekehrt wie bei Schandmaul und WETO? Sprich: Du kamst mit Ideen und Thomas hat dir dann dazu Input gegeben?
SL: Natürlich haftet Thomas für die Gebrüder Thot mit seinem Namen. D.h. wenn er mit den Geschichten etc. nicht einverstanden wäre, könnten wir sie so nicht machen. Ich würde auch nicht sagen, dass wir neue Seiten aneinander kennengelernt haben. Vielmehr hat mich das alles an alten Zeiten erinnert, als wir Kinder waren und unter einem Dach gelebt haben. Bei den Gebrüdern Thot konnten wir uns wieder treffen und Bälle zuspielen, so wie das für zwei erwachsene Geschwister mit jeweils einem eigenen Leben kaum gibt.
TL: Ich finde die Frage sehr interessant, vor allem wenn man das mit einer Kapelle vergleicht. Wenn diese noch in den Kinderschuhen steckt, versucht jeder seinen eigenen Willen durchzusetzen. Die pubertären Anfangsschwierigkeiten legen sich dann, wenn man erwachsen wird. Irgendwann akzeptiert man die individuellen Stärken und Schwächen. Bei den Gebrüdern Thot war es so, als ob wir seit Jahren in einer Band spielen. Wir hatten beide keine Selbstprofilierung mehr nötig und haben von Anfang an auf Augenhöhe miteinander gearbeitet, weil wir wussten, wie der andere tickt.
SL: Ich habe auch zu den anderen Sprechern gesagt, dass mein Skript nicht in Stein gemeißelt ist. Wenn ihnen manche Formulierungen schwer über die Lippen gingen, hatten sie die Freiheit, diese in der Sprecherkabine zu ändern. Dies führte bei „Zum Meister“ zu einer wahren Flut an Schimpfwörtern, obwohl ich bereits einige eingebaut hatte. Am wichtigsten ist aber, dass sich die Sprecher mit ihren Rollen und Texten identifizieren können und sich wohlfühlen.
Ihr habt mit Lindenblatt Records euer eigenes Label. D.h. ihr genießt volle künstlerische Freiheit, müsst euch aber auch um alles selbst kümmern. Ist dieses Verhältnis auf Dauer tragbar?
SL: Genau um die beiden Punkte geht es. Wir befinden uns im Underground-Bereich und ich sehe wenig Sinn, sich einem ebenfalls im Underground befindlichen Label anzuschließen. Dann müssten wir unseren anfänglichen Erfolg – unser Australien – noch mit mehreren anderen teilen. Wenn jetzt natürlich der Chef von Folgenreich zu uns käme, wären wir als Sprecher oder Autoren natürlich sofort dabei. Derzeit ist der familiäre Rahmen von Lindenblatt Records für uns aber noch überschaubar und ich bewerte das positiv. Wenn das Projekt irgendwann durch die Decke geht und der Aufwand nicht mehr parallel zu meinen Jobs tragbar wäre, bin ich durchaus gewillt, das hauptberuflich zu machen *grinst*
TL: Wenn man irgendwann wie die drei Fragezeichen pro Folge rund 150.000 Units verkauft, ist man ab einem gewissen Punkt auf fremde Hilfe angewiesen, wenn man selber weiter Geschichten schreiben will. Aber davon sind wir ehrlich gesagt noch ein gutes Stück entfernt.
Facebook ist in der Musikwelt als Vermarktungsinstrument inzwischen voll etabliert. Wie verhält sich das bei Hörspielen?
TL: Das ist deine Frage…
SL: Thomas und Facebook, das ist wie Feuer und Wasser. Ich würde sagen, dass Facebook für die Gebrüder Thot extrem wichtig ist. Wir können dort untern anderem gleichzeitig Kontakt zu Medien, anderen Hörspiellabels und auch Käufern halten. Zudem erreichen wir auf diesem Wege Leute, an die wir sonst nicht rankämen, weil sich z.B. der Kulturspiegel und die Süddeutsche Zeitung nicht für uns interessieren. Ich suche mir über Facebook und die Schandmaulseite auch gezielt User, die sich auf Grund ihrer anderen Hobbies für unsere CDs interessieren könnten. Durch dieses zugegebenermaßen aggressive Marketing werden mehr Menschen auf uns aufmerksam. Aber was habe ich anderweitig für Möglichkeiten? Von daher ist Facebook auch viel besser geeignet als MySpace oder Soundcloud. Da müssen Benutzer schon extrem zufällig über uns stolpern. Nachdem im Zuge von Web 2.0 auch die Foren immer weniger genutzt werden, ist Facebook sozusagen mein Hauptmarketinginstrument.
Last but not least. Unser freies Assoziieren. Bitte teilt uns eure ersten Gedanken zu den folgenden Begriffen mit…
Unbequem, schmutzig, intelligent – TL und SL: Gebrüder Thot
Die 3 Fragezeichen – TL: Die größte und erfolgreichste Hörspielserie der Welt
Vollplaybacktheater – TL: Unterhaltsam, belustigend und auch banal
Lauscherlounge – SL: Durch und durch großartig, ein großes Vorbild
Gebrüder Grimm – SL: Große Geschichtenerzähler
TL: …Geschichtenzusammenträger. Wichtiges literarisches Volksgut.
Leipziger Hörspielsommer – SL: Wir konnten dort leider nicht punkten, dennoch tolle Veranstaltung mit schönem Ambiente.
Maya-Kalender – TL: Wenn man sich weniger oberflächlich als z.B. Roland Emmerich mit diesem Thema beschäftigt, weiß man, dass dieses Jahr genauso wenig oder viel passieren wird wie in den Vorjahren. Es wird 2012 viel Schlimmes passieren, aber nicht der Untergang der Welt.
Hörspielrezensionen auf Metalseiten – SL: Der Metalfan ist vertrauter damit zuzuhören als der Radiohörer, da er anspruchsvollere Musik konsumiert, die zum genaueren und mehrfachen Hören animiert. Deswegen finde ich es sehr passend und cool.
TL: Ich gehe noch einen Schritt weiter. Metaler und auch die Fledermäuse sind ein sehr affines Publikum für uns, die auf fantasievolle Weise in der Lage sind, zuzuhören.