Ob beim Einschlafen oder beim Bummel über den Weihnachtsmarkt: Die deutschen Post-Rocker GLASGOW COMA SCALE sind manigfaltig mit der Arbeit an neuem Material beschäftigt. Entsprechende Qualität weist die aktuelle EP „Apophenia“ auf, zu deren Entstehungsprozess die Band bereitwillig Auskunft gab. Lest im Folgenden von Perlentauchern und Architekten, aber auch von der Schwierigkeit, im Osten an Punkmusik zu kommen.
Ihr habt zwar einen zum Stil passenden, aber dennoch außergewöhnlichen Namen. Wie kam es dazu?
Die Glasgow Coma Scale ist eine internationale Skala, um den Schweregrad einer Bewusstseinsstörung in der Intensivmedizin zu bestimmen. Die Idee kam von einem Ex-Bandkollegen von Marek. Wir dachten, das passt für unsere Interpretation von Postrock. Und dass Mogwai aus Glasgow kommen, kann auch kein Zufall sein.
Wie „geplant“ schreibt ihr Musik? Einerseits gibts es stark progressive Tendenzen, dennoch kann man das Hörerlebnis fast easy-listening nennen, weil die Musik so relaxt klingt. War euch eine gewisse Eingängigkeit wichtig?
Viele Ideen entstehen zwar spontan beim Jammen, aber nach dem Perlentauchen folgt die architektonische Konzeptionsarbeit. Und dann sind da noch die besonderen Ideen, die Piotr vorm Einschlafen oder auf dem Weihnachtsmarkt kommen. Die Eingängigkeit folgt vielleicht daraus, dass wir lange nach Harmonien und Akkorden suchen. Auch wenn wir´s gerne anders hätten, braucht jeder Song seine Zeit, bis er reif ist.
Die Songs sind im Schnitt recht lang. Benötigt eure Musik so viel Raum, um sich entfalten zu können? Wären auch kürzere Songs denkbar?
Gerade weil sich die Sachen aufbauen, finden wir es wichtig, dass das nicht mit dem Holzhammer passiert und man sich auch hier die Zeit nimmt, die es braucht. Postrock-Songs in einer Länge von 3:30 Min. wären höchstwahrscheinlich zu überstürzt und würden die gewünschte Wirkung nicht erzielen – auch wenn wir da wohl auf Radiotauglichkeit verzichten müssen.
Welche Geschichten erzählen die Songs, die ja gänzlich ohne Gesang auskommen?
Unser Sänger ist einfach ne faule Sau und ihm fällt auch nix ein – also ist er nie dabei! Ne aber im Ernst: Ohne Gesang kommen die Melodien wirklich durch und werden nicht von Text platt gemacht. Bei uns singt die Gitarre und jeder Effekt auf dem Board erzählt eine Geschichte.
Sehr passend zum Sound ist das Artwork sehr stimmungsvoll. Was soll es ausdrücken?
Danke! Aber schwierige Frage. Vielleicht passt als Antwort am besten ein Zitat: „Panta rhei – alles ist im Fluss.“
Woher kommt die Vorliebe für die Fremdwörter der Songtitel und des Albums?
Zuerst kommen die Songs, dann die Titel. Manchmal geht es auch mehr um den Klang des Worts, der zum Riff oder der Idee oder den Samples passt. Oft hat es aber auch mit der Vergangenheit von Piotr und Marek zu tun. Einige Begriffe lesen sich wie eine Art geschichtliche Symbolsammlung aus verschiedenen Lebensstationen. Im Prinzip konzentrieren wir uns vordergründig auf die Musik. Und da wir keine Texte haben, stehen uns bei der Wahl der Songnamen alle Möglichkeiten offen.
Wie stark haben sich eure persönlichen Biographien auf den Sound ausgewirkt? Ihr seid ja allesamt recht weit herumgekommen.
Wir sind alle recht früh mit Musik in Kontakt gekommen. Bei den Kowalskis wurden die Weichen zwar auf Klassik gestellt, aber das hat sich dann relativ schnell anders entwickelt. Dabei gab es damals im Osten kaum Auswahl und es war harte Arbeit, an die zwei Punk- und Hardcore-Bands zu kommen, die man kannte. Helmes hat, sobald er laufen konnte, die Seventies-Rock-Plattensammlung seines Vaters annektiert und konnte sich später nur noch über Jazz, Metal und elektronische Musik abgrenzen. Dann kam Kyuss und alles war für alle anders.
Funktioniert die instrumentelle Musik live genauso gut wie gesangsunterstützte?
Hm, klar wird niemand die ohnehin nicht vorhandenen Refrains mitsingen können, aber Postrock-Fans scheinen zu wissen, worauf sie sich einlassen. Und dafür sind wir dem Publikum sehr dankbar. Wir spielen zudem mit Visuals (Videos), die wir an die Wand projizieren. Das ist einfach was ganz anders, als Jemandem an den Lippen zu hängen.
Freuen oder stören euch Vergleiche mit Bands aus dem Genre, speziell wenn es um instrumentelle Musik geht?
Wir werden bisher eigentlich kaum mit anderen Bands verglichen und hören selber gar nicht übermäßig viel Sound aus der Postrock-Richtung. Stattdessen geben wir uns Devin Townsend, Tom Waits, Daft Punk, Nik Bärtschs Ronin, Amon Tobin, ISIS oder Jack White.
Wann ist mit einer Albumveröffentlichung zu rechnen?
Sobald wieder Geld in der Bandkasse ist. Dafür wird erstmal die aktuell veröffentlichte EP Apophenia verkauft. Kauft die EP, Leute, solange sie frisch ist!!!
So weit meine Fragen, vielen Dank für die geduldige Beantwortung. Die letzten Worte gehören euch.
Wir danken Euch und wünschen allen Lesern von Metal1 gutes Headbangen!