Interview mit Zingultus von Graupel

Nachdem es so lange ruhig um die Band geworden war, dass der ein oder andere wohl bereits daran gezweifelt haben dürfte, ob man überhaupt noch einmal etwas aus dem Hause GRAUPEL zu hören bekommt, meldeten sich die Herren um Sänger und Bandkopf Zingultus am Weihnachtstag mit „Am Pranger…“ eindrucksvoll zurück.Was er uns über das Album, die Schwierigkeiten, einen langjährigen Mitstreiter wie Ratatyske adäquat zu ersetzen und natürlich seine Beweggründe, bei Endstille einzusteigen zu sagen hatte, könnt ihr im folgenden Interview nachlesen.

Hallo Zingultus! Gratulation ersteinmal zu eurem neuen Album, „Am Pranger…“ – ein wirklich gelungenes Stück deutschen Black Metals.
Danke!

Schön, dass du Zeit für das Interview hast. Wie gehts dir?
Soweit ganz gut. Das Leben geht weiter!

2001 erschien die erste GRAUPEL-Demo, jetzt steht das zweite Album in den Läden – dein Fazit aus 10 Jahren GRAUPEL?
Für mich sind es ja nunmehr gar 16 Jahre Graupel, als dass ich den Grundstein für die Band bereits 1995 gelegt habe. Die tatsächlich aktive Zeit begann dann im Jahre 1997, als u.a. Gnarl und Ratatyske hinzustießen. Ich bin wirklich nur schwer um ein Fazit anhand von Jubiläen oder ähnliches zu bitten. Ein Fazit kann ich zu einzelnen Teilabschnitten geben, wie eben bei einer Veröffentlichung, da in dem Fall ein Kapitel abgeschlossen wird. Aber im Falle GRAUPEL im Gesamten sehe ich noch sehr viel Potenzial und noch ein paar Schritte voraus.
Hierbei werden wir kaum von dem Kurs abkommen, den wir in all den Jahren gegangen sind. Wir wollen nicht das Rad neu erfinden, sondern einfach nur Black Metal spielen und leben, wie er uns selber begeistert.

Aus diesen Jahreszahlen lässt sich ja unschwer erkennen, dass ihr nicht die produktivste Band seid – den Nebenprojekten geschuldet oder woran liegts?
Nein, absolut nicht. Sicher sind die Nebenprojekte ein Faktor, aber er ist im Vergleich zu den sonstigen Problemen geringfügig.
Wir arbeiten einfach nur langsam und sehr unkontinuierlich. Dies liegt aber einfach dem Fakt zu schulden, dass wir nur an Material arbeiten, wenn wir auch wirklich das Bedürfnis haben. Hinzu kommt, dass wir auch selber sehr kritisch sind und ein Haufen Exzentriker, der sich untereinander auch nicht immer grün ist. Zwar basiert das Bandgefühl bei Graupel auf Freundschaft, jedoch müssen diese auch harte Proben erleiden, indem wir uns alle erst mal in neuem Material wiederfinden und uns alle mit dem Erschaffenen zufrieden geben. Hierbei kommt es einfach auch zu Auszeiten, um neue Kraft und freie Gedanken zu entwickeln. In der Vergangenheit haben wir eben auch so einige Fehler gemacht, die wir erst mal aufdecken mussten, um aus diesen zu lernen und uns in unserer Arbeit weiter zu entwickeln. Was zusätzlich die Zusammenarbeit nicht einfach macht, ist unser kaum vorhandenes Talent zur Organisation. Da hat es uns die mittlerweile große, räumliche Trennung voneinander nicht einfacher gemacht.

Nach „Auf alten Wegen…“ und „Lauschangriff…“ nun also „Am Pranger…“ – du magst „…“ in Albumtiteln, wie es aussieht?
Das hat sich so etabliert. Die Titel entspringen meistens aus einem Zitat eines Textes und haben dort ihren Fortlauf. Deswegen zeigen die Punkte einfach an, dass es auch weiter geht. Dass dies auch ohne Punkte geht, sieht man an dem Titel der Split Single „Weiß wie Schnee“. Aber es hat sich ein Stück weit als Trademark entwickelt.

Dabei wirft der Titel natürlich umgehend die Frage auf: Wer ist der bemitleidenswerte, den du am Pranger siehst?
Tatsächlich niemand spezifisch. Es sind weiterhin weitgehendst rein fiktive Geschichten, mit kritischem Inhalt zum Leben und den alltäglichen Begebenheiten an sich. Es fällt mir jedoch schwer, ein Konzept pauschal in Worte zu fassen. Die Umsetzung meiner Gedanken auf Papier erschrecken mich immer wieder selbst, als dass ich merke, dass sie oftmals mehr Seelenspiegel sind, als mir lieb ist. Dies ist mir beim Schreiben an sich nicht so bewußt, da ich sie in einer Mischung aus Trance und fortlaufenden Wahn schreibe. So resultiert der Titel aus den Inhalten unserer Texte allgemein. Ich versuche stets kritisch mit meinem Umfeld umzugehen und es reflektiert zu verarbeiten, wobei oftmals Missstände offen gelegt werden. Irgendwann sagte mal jemand, dass wir vehement lyrisch anprangern. Ich nahm dies sofort auf und es war der perfekte Albumtitel für uns.

Die Texte sind alle auf deutsch und wurden den Redakteuren sogar auf deutsch und englisch zur Promo mitgeliefert – alles andere als Gang und Gäbe. Man hat den Eindruck, die Texte sind hier also mehr als schmückendes Beiwerk?
So ist es. Ich möchte mit meinen Texten ja auch zum Denken anregen und sehe das Texten an sich als leider zu stark vernachlässigte Kunstform. Bei Garupel ist es ja so, dass ich die Lyrik als Ventil nutze, um meinen Frust von der Selle zu schreiben. Das macht eben auch die besondere Emotionalität für mich bei Graupel aus, im Vergleich zu meinen anderen Projekten. Ich bin mit dem Herzen keiner anderen Band so sehr verbunden, wie dieser!
Allerdings sind die Texte auch ein Stilmittel, welches die Kunstform Musik abrundet. Erst im Gesamten ist es für uns ein kunstvolles Produkt, in dem mehr als nur Musik steckt. Es sind Leidenschaft, Muse und Emotionen, die die Band leiten.

Dabei textest du ja ausschließlich auf deutsch – auch das ist alles andere als gewöhnlich, flüchten sich doch die meisten Bands ins Englische. Warum ist dir wichtig, deine Texte auf Deutsch zu schreiben?
Wie gesagt, handelt es sich bei diesen Texten um freilaufende Gedanken meiner, welche meine Bedürfnisse, Schwächen, Stärken und Emotionen metaphorisch darlegen. Diese Gedanken kann ich nunmal in keiner anderen Sprache vermitteln, als der meiner Träume und täglichen Gedanken: Meiner Muttersprache Deutsch!

Dass die Texte bei GRAUPEL tiefgründiger sind als bei manch anderer Black Metal-Band bewies ja bereits „Requies Filii“ auf dem Debüt, das du deinem verstorbenen Sohn gewidmet hast – wie wichtig war dir damals, das Durchlebte an diesem Text festzumachen und wie siehst du den Song heute?
Was erwartest du? Natürlich war es mir wichtig! Sonst hätte ich dieses Lied nicht gemacht. Ich habe ihn mit diesem Lied auch für die Öffentlichkeit unsterblich gemacht. Die Welt konnte erfahren, welch großartiger Mensch dieses noch junge Wesen war. Er wird ewig in unseren Gedanken leben und vielleicht mit diesem Lied über meinen Tod hinaus. Und dies gebührt ihm, da er mit seinem kurzen Leben bereits so vielen involvierten Menschen ganz neue Sichtweisen zum Leben geschaffen und zum Umdenken verleitet hat. Damit hat er mit seiner puren Existenz bereits schon mehr bewirkt, als so manch einer es in seinem ganzen Leben schaffen wird.
Es gibt sicher Momente, wo ich im Ansatz diesen Schritt bereue, da ich mich auch angreifbar gemacht habe und es mich auch extrem trifft, wenn dieses Stück nur auf seine musiklische Brillianz limitiert wird. Da merke ich, dass nicht viele Gedanken hinter so manch einem Pro-Sprecher der Band existieren. Ich kann solchen oberflächlichen Menschen keinen Vorwurf machen, jedoch trifft es mich immer wieder persönlich, wenn die Leute dann noch zusätzlich darauf rumreiten und sich beschweren, dass wir das Stück nicht live spielen. Das halte ich für anmaßend und wehre mich, da allein mir diese Entscheidung vorenthalten ist.

Ihr seid momentan ja zu dritt bei GRAUPEL – wie ist das Song/Textwriting aufgeteilt?
Alle Songs entstammen einem gemeinschaftlichem Prozess. Zwar sind es zumeist einzelne, die den Anstoß zu neuen Songs geben, jedoch ist der Entstehungsprozess ein kreativer, der in der Gruppe vonstatten geht, so dass jeder unserer Songs Facetten aller Persönlichkeiten widerspiegelt, die in den Schaffensprozess involviert gewesen sind.

Gibt es denn bereits Neues hinsichtlich eines Schlagzeugers, oder seid ihr immernoch auf der Suche?
Wir haben bereits andere Schlagwerker getestet, jedoch konnten wir den Posten bislang nich adäquat neu besetzen. Und ich spreche hier bewußt nicht von einem Ersetzen! Denn eine 12-jährige Gemeinschaft in einer Band kann nicht so einfach ersetzt werden. Das geht selbst mit keiner Professionalität, welche bei uns ja schon eh fehl am Platz ist. Es wird schwer, doch wird sich sicher jemand finden. Ich wage keine Prognosen, da das Gefühl in der Band nie mehr diese Vertrautheit haben wird, wie sie sich seit über ein Jahrzehnt entwickelt hat. Aber ich hoffe, dass wir eine gute Lösung finden, um die Band weiter existieren zu lassen.

GRAUPEL und natürlich Nagelfar gehören wohl zu den sogar von den truesten Fans respektierten deutschen Black Metal-Bands – ganz im Gegensatz zu Endstille, bei denen du jedoch unlängst eingestiegen bist.
Welche Reaktionen hast du auf diese Entscheidung von den Fans bekommen (sowohl Seitens der Endstille- als auch der GRAUPEL-Fans) und hast du dir darüber Gedanken gemacht, bevor du den Posten angenommen hast?

Nein. Es ist allein meine Entscheidung und wie bei so vielen Entscheidungen in meinem Leben, muss ich mich dieser alleine verantworten. Und dies lediglich gegenüber den Menschen die mir persönlich nahe stehen. Niemand anderem bin ich Rechenschaft schuldig. Allen Zweiflern kann ich nur Nahe legen, sich lieber Gedanken um ihr eigenes Leben zu machen und ihr Seelenheil nicht von einer vermeindlichen Untergrund Ikone, welche nicht so funktioniert, wie man es will, abhängig zu machen.
Komischerweise bekomme ich aber von eben anderen stilisierten “Untergrund-Ikonen”, mit denen ich in Kontakt bin, sehr viel positive Rückmeldung. Die Musiker Szene ist im so genannten Untergrund mitlerweile eben sehr reflektiert und vom Gedanken her sehr erwachsen. Ich hoffe, dass eben jene Black-Metal-Szene-Stasi irgendwann erkennt, dass sie genau entegen den Menschen wirken, denen sie eigentlich zusprechen!

Wie bist du denn mit Endstille in Kontakt gekommen, und wie ist dein Einstieg von statten gegangen? Warst du sofort Feuer und Flamme oder hattest du Vorbehalte?
Der Kontakt Aachen-Kiel bestand schon zu Nagelfar Demo-Zeiten, wo bereits mit der Band Tauthr, in welcher Wachtfels und MD ebenfalls spielen, Tapes getauscht wurden. Neu entfacht ist dieser Kontakt dann im Jahre 2001 oder 2002, wo die gerade frisch formierte Band Endstille Vorgruppe Nagelfars bei einem Konzert in Neuss war. Seither standen wir in sehr emsigen Kontakt.
Als dann im Frühsommer 2009 Iblis die Band verließ, fragte man mich, ob ich über einen Freundschaftsdienst Interesse an ein paar Aushilfgigs (z.B. Wacken) mit Option auf mehr hätte. Da dies leider überhaupt nicht in meinen damaligen Zeitplan passte, sagte ich dankend ab. Jedoch war die Anfrage nie wirklich vom Tisch, da die Band mit ihrer Planung der Spektrumserweiterung bei der Musik nach einem variablen Sänger suchten. Für mich kam eine Festbesetzung bei Endstille jedoch nicht in Frage, da sie ja auch als sehr spielfreudige Band gelten, was mir persönlich völlig missfiel. Dies schon alleine aufgrund der zeitlichen Verantwortung für mich als Familienvater. Bei einem Gastbesuch in Köln bei ihrer letzten Tour machte man mir aber sehr starke Zugeständnisse, so dass ich in erster Linie meine Bereitschaft darlegte und die Band den Braten so schlucken musste, wie er ihnen angeboten wurde. Somit waren wir uns einig und alle Grenzen von vornherein gesteckt. Dies war ebenfalls zu einem Zeitpunkt, wo die Zukunft Graupels komplett offen stand, da wir uns kurzfristig wieder getrennt hatten.
Aber ich hatte keine Lust mehr, mich erneut abhängig von der Motivation meiner Mitmusiker zu machen und brauchte ein neues Aufgabenfeld. Mir gefiel dabei der Gedanken, mit guten Freunden wieder etwas neues zu kreieren und die Band gab/gibt mir alle möglichen Freiheiten mich in der Band zu entfalten und zu verwirklichen. Dies war mir wichtig. Ich wollte eine Band, die mir persönlich etwas bedeutete, verbessern. Ich hatte eine Vison und Mission. Das dies auch in einem unheimlichen Spass an der Musik, welchen ich mit Endstille wiedergefunden habe einher gehen kann, wertet für mich diese Entscheidung zigfach auf.

Iblis war ja immer eher der blutverschmierte, räudige Berserker, du scheinst den Posten eher von der würdevolleren, gehobeneren Seite her angehen zu wollen – ein geziehlter Imagewechsel für Endstille, oder schlicht dein Stil, den du beibehälst?
Auf jeden Fall zweiteres. Iblis ist nicht zu kopieren. Er ist in seiner Art ausser Konkurenz und es war eben auch nicht gewünscht, eine Iblis Kopie in die Band neu zu integrieren. Wäre dies anders gewesen hätte ich diese Lücke nicht geschlossen, da ich immer mir gegenüber ehrlich und authentisch bleibe. Es war ja so, dass ich gezielt darum gebeten wurde, diesen Posten zu besetzen, weil ich eben so bin, wie ich bin. Zingultus ist der Sänger einer neuen Ära, die mit dem kommenden Endstille-Album eingeleitet wird. Es wird viele Fans schocken und sich von uns abwenden lassen, jedoch bin ich überzeugt, dass wir einen Weg vor uns haben, bei dem die Band auch fernab aller (sicher teils berechtigten) Kritik wieder musikalisch ernst genommen werden kann.

Aus dem Aachener Umfeld kamen ja in letzter Zeit diverse neue Releases. Sag uns doch bitte, was du von folgenden Alben hälst, so du sie denn kennst:
Simple Existenz – Das Leben vor dem Tod:
Eigensinnig!
The Ruins Of Beverast – Foulest Semen Of A Sheltered Elite: Der Titel sagt alles! Elitär!
Truppensturm – Salute To The Iron Emperors: Mächtig!

Du selbst bist ja noch bei Graven aktiv – gibts diesbezüglich etwas Neues, über das du uns etwas erzählen möchtest? Albumpläne?
Nein, es gibt nicht wirklich etwas neues. Wir lassen uns da auch weiter viel Zeit. Evtl. wird es nächstes Jahr das nächste Album geben. Aber festlegen möchte ich mich dort nicht.

Ein weiterer Punkt, zu dem ich schon lange mal jemanden der Involvierten fragen würde, ist der ominöse Nagelfar-Release „Ragnarok“, der laut Metal-Archives in einer Auflage von 10 Stück „veröffentlicht“ wurde. Besteht hier die Chance, dass das Material eines Tages doch noch den Weg an die breite Öffentlichkeit findet?
Nein, absolut nicht. Es hat einfach null an Qualitätsstandart, wie man ihn von Nagelfar gewohnt war. Eine solche Veröffentlichung wäre die reine Verasche an die Fans und ein selbstdenunzierendes Ereignis.

Ok, das war dann auch meine letzte Frage – dank dir soweit! Wenn du nichts dagegen hast, würde ich das Interview jetzt gerne mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden. Was fällt dir spontan ein zu…

10 Jahre GRAUPEL: Mein verhängnisvolles Schicksal
GRAUPEL in 10 Jahren: Da musst du die Thoth Tarot Karten fragen…ich bin kein Orakel!
Barack Obama: Bester Beweis dafür, dass es keinen Messias geben kann!
Winter: Ich bin ein Winterkind! Allerdings rundet erst Schnee einen Winter für mich ab.
Metal1.info: War mir bislang unbekannt
Atomausstieg: Sinnvoll
Stuttgart 21: Unsinn
Black Metal: Satan fühlt sich gelangweilt

Ich bedanke mich für das Gespräch – wenn du noch etwas loswerden willst, hast du jetzt die Chance auf die berühmten „letzten Worte“:
Danke für dein Interesse! Halte die Flamme am Leben!

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