Interview mit Martin Fischer von Pigeon Toe

Progressivere Töne sind wieder angesagt, davon profitieren auch die Newcomer von PIGEON TOE, die mit ihrem Debütalbum „First Perception“ nicht nur einen guten ersten Eindruck, sondern eins der gelungensten Erstlingswerke des bisherigen Jahres ablieferten. Sänger und Gitarrist Martin Fischer sprach mit uns über den Wechsel vom Death Metal seiner Ex-Gruppe Fear My Thoughts in melodischere Richtungen, den Entstehungsprozess der neuen Platte und vieles mehr.


Hi, Martin! Danke erst mal, dass du dir Zeit für das Interview nimmst! Da einige unserer Leser womöglich nicht vertraut mit eurer Musik sind, könntest du in ein paar Worten erklären, worum es bei PIGEON TOE musikalisch und inhaltlich geht?
Hi, anscheinend spielen wir Prog Rock oder Prog Metal oder so. Die Meinungen scheinen ein bisschen auseinander zu gehen, und uns ist es eigentlich ziemlich egal, wie man es nennt. Was den Inhalt angeht, wird es schon schwieriger. Der geneigte Hörer ist in dem Fall eingeladen, unsere musikalischen Vorgaben mit seinen eigenen inhaltlichen Themen zu füllen. Es sollten lediglich ein hässlicher Zauberer und fliegende Felsen darin vorkommen.

Eure früheren Bands hatten mit Prog eher wenig zu tun, Mongouse z.B. kamen aus dem Rock’n’Roll-/Stoner-Bereich, Fear My Thoughts waren ganz klar im härteren Metal verwurzelt. Wie lange hatte es euch schon in den Fingern gekitzelt, die Musik zu spielen, die ihr jetzt spielt, und wie kam es zu dem Stilwechsel?
Eigentlich ging es schon seit langer Zeit immer mehr in die Richtung. Die letzten Mongouse-Songs waren eindeutig progressiver, und mit der letzten Fear-My-Thoughts-Platte sollte es auch maßgeblich weg vom Brutalo-Metal zu melodischeren Gefilden gehen. Die Typen, die mittlerweile PIGEON TOE sind, sind alle extrem offen für jegliche Art von Musik, wenn das gepaart ist mit Experimentierfreude, kann es schnell passieren, dass man sich ins Uferlose verliert. Es ist allerdings nicht so gewesen, dass wir gar nicht gewusst hätten, wohin es gehen soll. Mein Bruder (Hans Fischer: Gitarre, Gesang – Anm. d. Red.) und ich hatten einfach ein paar übriggebliebene Mongouse-Riffs über die Jahre weiterentwickelt, so sind die ersten PIGEON-TOE-Songs entstanden.

Glaubt ihr, dass ihr die Fans eurer alten Gruppen mit diesem Neuanfang vergrault habt oder ist euch die eigene musikalische Weiterentwicklung ohnehin wichtiger?
Definitiv ist für uns die eigene musikalische Weiterentwicklung immer wichtiger, als irgendwelche Erwartungen zu erfüllen. Ich finde, man hört es der Musik oft an, wenn sie nur geschrieben wurde, weil es bei den Fans gut ankommt. Mich langweilt das dann ziemlich schnell. Muss ja nicht prinzipiell schlechte Musik sein, aber nutzt sich dann doch wesentlich schneller ab als ein Album, dass wirklich aus Liebe zum Detail und mit viel Hingabe geschrieben wurde. Wahrscheinlich haben wir es uns schon bei einigen alten Fans vergrault, aber eher mit der letzten FMT-Platte als mit diesem Projekt, da ich nicht glaube, dass irgendjemand davon ausgegangen ist, dass wir in der Konstellation die neue Death-Metal-Sensation werden.

In dem Zusammenhang: Wie hat sich euer Publikum im Vergleich zu Gigs mit euren früheren Gruppen verändert, welche Musikfans gucken sich PIGEON TOE live an?
Naja, wir sind ja nicht über alle Maßen bekannt, deshalb kommen wahrscheinlich viele aus Neugier oder, wenn wir als Support spielen, natürlich eher für den Headliner. Man kann aber sagen, dass es bei den Konzerten, die am besten funktioniert haben, eher Leute über 25 Jahre waren. Den Kids haben wir wohl nicht so viel zu bieten, wobei man da auch definitiv Ausnahmen machen muss, da gab es aber auch welche, die schon mal bei ner Show versucht haben, ihre Karate-Kicks zu üben, weil sie das halt so beim Hardcore-Pit gewöhnt sind. Junge, Junge!

Angesichts der Tatsache, dass ihr aus unterschiedlichen musikalischen Ecken kommt, fühlt ihr euch dennoch mit einer bestimmten Szene verbunden?
Nö, also ich nicht. Ich denke der Rest der Band auch nicht. Wobei Norman mit Triptykon ja am erfolgreichsten von uns unterwegs ist, und dadurch noch am meisten in der Metal-Szene verankert ist. Bei den anderen wahrscheinlich weniger. Allerdings liegt es auch daran, dass hier in Freiburg generell nicht so viel Musikkultur geboten wird. Also für gute Konzerte geht man hier höchst selten aus dem Haus. Es gibt ne Menge Jungs, die ich aus der Punk-/Rock’n’Roll-Szene mag, Metalheads gibt’s auch ne Menge sehr netter, aber allgemein mit der Szene fühl ich mich dadurch eigentlich nicht verbunden.

Ihr habt mit „The First Perception“ gerade euer erstes Album herausgebracht. Meine Glückwünsche dazu, bei uns kam’s gut an! Was kannst du denn schon zum Feedback von Presse und Fans sagen?
Die Fanbase wächst langsam, da müssen wir auch erst mal ein paar Shows abgerissen haben, um die Platte ein bisschen an den Mann zu bringen. Ich glaube, in der Sparte kaufen die Leute die Platte wahrscheinlich auch am liebsten beim Konzert. Die Presse fand es auch überraschend gut. Witzigerweise meinten viele, dass sie die Platte zwei- bis dreimal anhören mussten, um einen wirklichen Eindruck zu bekommen. Das fand ich ziemlich cool, dass man sich dafür die Zeit nimmt, das wäre auch mein Tipp an jeden, der die Platte anhört, aber oft ist da ja nicht die Zeit dafür.


Apropos Zeit: Seid ihr sehr beschäftigt mit Promo-Arbeit? Die Prog-Szene in Deutschland ist ja nun nicht sonderlich groß, müsst ihr euch da besonders anstrengen?
Naja, eigentlich können wir in erster Linie nur Shows spielen und uns vielleicht durch ein neues Video wieder ins Gespräch bringen. Klar, die Prog-Szene ist nicht sonderlich groß hier, ich glaub aber, dass die Musik auch über die Grenzen hinaus funktioniert. Jetzt steht die Platte auf jeden Fall mal in den Läden.

Was war denn euer wichtigstes Ziel, als ihr die Arbeit an „The First Perception“ begonnen habt?
Wir wollten wohl ein bisschen was anderes machen als davor, und vor allem als die anderen Bands da draußen.

Über welchen Zeitraum habt ihr die Songs auf der aktuellen Scheibe geschrieben?
Hmm, wenn man die Entwicklung der ersten Riffs schon miteinbezieht, waren es wohl knapp drei Jahre.

Habt ihr ein bestimmtes Prinzip, wenn ihr Songs schreibt?
Nein. Da wir nicht alle wöchentlich Zeit zu proben haben, kommt es immer darauf an, wer gerade Zeit hat und am Start ist. Oft nehme ich dann noch die ein oder andere Idee nachträglich auf oder jemand anderes schickt mir was dazu. Ich muss sagen, dass es der Band ziemlich gut tut, dass wir eigentlich in keinerlei Hinsicht festgefahren sind, sondern alles so machen, wie wir gerade Lust haben. Ich glaube, das war wohl auch eines der wichtigsten Ziele seit der Entstehung der Band.

Wovon habt ihr euch inspirieren lassen?
Natürlich spielen andere Bands eine Rolle, aber das läuft wohl eher unterbewusst ab. Normalerweise probieren wir so lange aus, bis uns etwas gefällt. Außerdem haben alle Bandmitglieder wohl ziemlich unterschiedlich persönliche Einflüsse, da kommt dann schon ein ziemlicher Mischmasch dabei raus.

Lass uns mal über das Album-Artwork sprechen. Es greift die verträumte, fantastische Atmosphäre von „The First Perception“ gut auf, wie ich finde. Wie wichtig ist das Artwork generell für euch?
Ich denke, schon ziemlich wichtig. Da ich das Artwork für die Band selber mache, ist es mir aber wahrscheinlich wichtiger als den anderen. Die sind da sehr pflegeleicht und nicht so voreingenommen. Im Endeffekt muss es nachher allen einigermaßen gefallen und funktionieren. Ursprünglich hatten wir für das Album ein komplett anderes Cover gemacht, aber nachdem der Deal mit Lifeforce unterzeichnet war, hatten wir noch ein bisschen Vorlaufzeit bis zur offiziellen Veröffentlichung. In diesem Atemzug habe ich noch ein zweites Cover gemalt, damit wir das bessere nehmen konnten, je nach Belieben.

Ein Zauberer auf dem Cover, ein „Wizard“ in der Tracklist – kein Zufall, nehme ich an? Steckt da ein Konzept dahinter?
Klar! So sah Ben (Krahl, Bassist – Anm. d. Red.) aus, als wir ihn damals unter einer Brücke gefunden hatten. Wir gaben ihm einem Bass und sagten „Spiel mal!“ und waren wie verzaubert! Hahaha! Nein, natürlich gibt es eine Art Geschichte, in der der Zauberer eine wichtige Rolle spielt. Aber worum es da wirklich geht, kann ich Dir noch nicht sagen. Es ist ein wirklich sehr großes Geheimnis (und wir haben überhaupt keinen Plan, was das eigentlich alles sein soll!).

Zu dem Song „The Man With The Cat“ habt ihr auch ein Video veröffentlicht. Wieso habt ihr gerade diesen Song für den ersten Videoclip ausgewählt?
Naja, das Video ist schon sehr alt, genau wie der Song. Das sollte so eine Art erstes Lebenszeichen der Band sein, zu dem Zeitpunkt war noch kein anderer Song der Platte fertig geschrieben, und natürlich steckt auch hier wieder ein wahnwitziges Konzept dahinter!

Sprechen wir auch mal kurz euer Label an. Wie seid ihr bei Lifeforce Records gelandet und wie lief die Zusammenarbeit bisher?
Gelandet sind wir da auf dem klassischen Weg. Jan Hoffman von Long Distance Calling hat uns bei der Vermittlung ein bisschen unter die Arme gegriffen, und Fear My Thoughts waren vor ner Weile auch bei Lifeforce unter Vertrag. Da sie uns dann noch das beste Angebot gemacht haben, war es für uns ziemlich schnell klar, das zu machen. Bisher läuft es super, wir können uns wirklich nicht beklagen.


Ihr wart letztes Jahr mit Long Distance Calling unterwegs – wie war denn die Resonanz auf euch bei dieser Tour?
Super! Das Publikum von LDC ist sehr offen und tolerant, da wurde uns mit sehr viel Respekt begegnet. Nicht wie man das oft als Support Act kennt, dass die Leute sich nicht so sehr für einen interessieren und stattdessen lieber noch ein Bierchen trinken (nichts gegen Bier im Allgemeinen, um Gottes Willen). Aber das liegt wohl auch an der Art von Musik. Da sind die Leute doch im Allgemeinen ein wenig interessierter und schauen sich auch mal ne unbekanntere Band an.

Zu guter Letzt der Blick nach vorne: Was sind eure Pläne für den Rest des Jahres?
Viel live spielen. Ein neues Video ist gerade in Arbeit, und ein zweites soll auch bis Ende des Jahres veröffentlicht werden.

Okay, wir sind fast fertig! An dieser Stelle vielen Dank für deine Antworten! Abschließen würde ich das Interview gerne mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming – ich nenne dir einfach ein paar Begriffe und du sagst, was dir zuerst dazu einfällt!
Opeth: Sehr gute Band mit einer fantastischen musikalischen Entwicklung!
Fu Manchu: Oh Mann, der Hammer!
Sommer: Ja, genau! Und wo?!
Die Piraten: …der Karibik?! Super. Bin ein großer Fan von Jonny Depp, und richtig gute Piratenfilme sind leider selten. Oder meinst du die Partei? Hahaha… Schrott!
Metal1.info: …for president!

Nochmals danke für deine Zeit und alles Gute für die Zukunft, Martin! Wenn du noch was an unsere Leser loswerden willst, das letzte Wort gehört dir.
Danke auch! Haltet Augen und Ohren offen, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. In der Zwischenzeit esst nur Bio-Eier von freilaufenden Hühnern!

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