Interview mit Jyrki 69 von The 69 Eyes

Mit THE 69 EYES hat Finnland bereits Ende der 80er eine Band hervorgebracht, die das Image des sog. Gothic Rock in der Welt maßgeblich geprägt hat. Vier Jahre nach ihrem letzten Album „West End“ haben die Genre-Veteranen aus Helsinki nun ein neues Album namens „Death Of Darkness“ auf Lager. Obendrein nähert sich die Band von Frontmann Jyrki 69 mit schnellen Schritten ihrem 35. Geburtstag, weshalb wir den Bandkopf zum Gespräch baten.

Das Logo der finnischen Rockband THE 69 EYES

Hallo Jyrki und vielen Dank für deine Zeit! Wie geht es dir?
Mir geht es bestens, danke! In den letzten Interviews habe ich die letzten 30 Jahre mit der Band immer wieder Revue passieren lassen und ich kann euch sagen, dass sich die eigene Perspektive in dieser Zeit durchaus ändert! Manche Sachen muss man z. B. nicht mehr rechtfertigen. Ich glaube, dass THE 69 EYES noch immer relevant sind und wir den Leuten immer noch etwas anzubieten haben – mittlerweile sogar wieder mehr als während der letzten zehn Jahre!

Würdest du sagen, dass THE 69 EYES das, was heute als „Gothic“ gilt, in den letzten drei Jahrzehnten mitgeprägt haben?
Ich würde viel eher die Frage stellen, ob wir wirklich eine Gothic-Band sind! Wir haben als Glam-Rock-Band angefangen und irgendwer hat uns dann diesen Stempel aufgedrückt, als wir in den deutschen Markt eingeführt wurden. Ich glaube, das haben sie gemacht, um uns vor einer PR-Schlappe zu bewahren … Das musste ich dann wie gesagt immer wieder rechtfertigen, aber ich glaube, dass das mittlerweile ein alter Hut ist. Wir bewegen uns eben irgendwo zwischen Glam und Gothic. Wir sind einfach THE 69 EYES.

Tatsächlich steckt in eurer Musik ja auch viel von Vorbildern wie etwa Billy Idol
Auf jeden Fall! Das ist eben die Musik, die wir gehört haben, als wir angefangen haben. Manche Leute sagen, das klingt wie der Rock-n-Roll-Sound vom Sunset Strip in L.A.. Ich denke dabei aber eher an Mötley Crüe oder Guns N‘ Roses – die Sachen, die damals eben auf MTV liefen. Als wir die Band gegründet haben, wollten wir eher eine Punkband sein, weil wir einfach nicht gut genug spielen konnten, um so zu klingen, wie wir es heute tun. Wir haben uns

Ein Foto der Rockband The 69 Eyes in Berlin
Foto: Anabel DFlux

damals also einfache Vorbilder wie Dead Boys oder Iggy And The Stooges gesucht, weil wir das Gefühl hatten, dass wir die auch erreichen könnten. Nachdem wir jetzt aber schon so viele Jahre Musik machen, wissen wir inzwischen natürlich, wie wir jede unserer Sound-Vorstellungen umsetzen können (lacht). Aber Ende der 80er bzw. Anfang der 90er hatte eine kleine Garagenband wie wir natürlich nicht die geringste Ahnung, wie man das macht. Aber selbst damals haben wir davon geträumt, eines Tages wie eine „große Band“ zu klingen … Man findet auch jetzt noch Elemente von damals in unserem Sound: The Cult waren z. B. schon am Anfang sehr wichtig für uns und sie sind auch jetzt noch ein großer Einfluss und natürlich auch britische Gothic-Bands oder amerikanischer Rock ’n‘ Roll. Wir haben über die Jahre immer nach einem Weg gesucht, all diese Elemente zu unserem eigenen Sound zusammenzuführen. Und ich denke, wenn ihr jetzt unser neuestes Album hört, dann ist uns das recht gut gelungen und man hört sehr deutlich, was uns gefällt.

Lass uns noch einen kurzen Blick in die jüngere Vergangenheit werfen, ehe wir über „Death Of Darkness“ sprechen. Was hat sich seit der Veröffentlichung von „West End“ im Jahr 2019 bei THE 69 EYES getan?
Als das Album erschienen ist, sind wir sowohl durch Europa als auch durch die USA und sogar Russland getourt. Zum Glück konnten wir das alles praktisch unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung der Platte realisieren, denn wie jeder weiß kam ja nur kurze Zeit später alles zum Stillstand. Vor vier bis fünf Jahren war die Welt noch ziemlich stabil – das hat sich jetzt aber grundlegend geändert. Auch wir mussten uns daran anpassen, dass die Welt ein ganzes Stück unsicherer geworden ist. Man kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass alles immer auf die gleiche Art weitergeht und muss sich auf plötzliche und drastische Veränderungen gefasst machen. Ich habe einen großen Teil der Lockdowns in L.A. verbracht, wo ich mein zweites Soloalbum aufgenommen habe. Ich habe auch ein zweites Album mit meiner Rockband The 69 Cats veröffentlicht. Ich hatte geplant, mit beiden Alben jeweils eine Tour zu absolvieren, aber dazu kam es natürlich nicht. Also habe ich mich wieder auf THE 69 EYES konzentriert. Wann immer es möglich war, haben wir live gespielt und es so immerhin in Finnland auf eine Handvoll Konzerte gebracht. Gleichzeitig hatten wir aber gerade keinen Plattenvertrag und eigentlich hat sich niemand so richtig für uns interessiert.

Und wie kam es dann zum „Neustart“?
Ein A&R-Mensch aus Finnland, mit dem wir gut befreundet sind und mit dem wir schon vor 17 Jahren zu tun hatten, als „Devils“ rauskam, zog gerade sein eigenes Label auf. Er war bereits mit einigen großen finnischen Künstlern, die in Landessprache singen, sehr erfolgreich geworden. Wir haben uns dann einfach mal bei ihm gemeldet, um zu sehen, ob er an einer Zusammenarbeit interessiert wäre und ich habe ihm ein paar Demosongs, die wir gerade an diesem Tag fertiggestellt hatten, geschickt. Er war sofort Feuer und Flamme und wollte noch einmal genauso wie vor 15 Jahren mit uns neue Musik veröffentlichen. Seine Begeisterung hat auch mich völlig neu motiviert und ich setzte es mir in den Kopf, dass die Musik von THE 69 EYES endlich wieder im Radio gespielt werden soll! In den letzten zehn Jahren haben wir drei Alben veröffentlicht und uns dabei hauptsächlich darauf konzentriert, sie im Ausland zu vermarkten. Finnland haben wir dabei völlig außer Acht gelassen und so lief unsere neuere Musik in unserem Heimatland eigentlich nicht im Radio. Wenn wir irgendwo ein Interview gegeben haben, haben sie meistens gnädigerweise eine Nummer gespielt, aber ansonsten haben wir nicht stattgefunden (lacht). Ich war also neugierig, herauszufinden, ob wir noch einmal Musik schreiben könnten, die von den Radiosendern beachtet wird. Unser A&R-Freund hatte das gleiche Ziel, weshalb wir angefangen haben, Songs zu schreiben und als Singles zu veröffentlichen. Das begann etwa vor einem Jahr und insgesamt haben wir fünf Nummern als Singles veröffentlicht. Wir haben das Feedback sehr genossen und uns riesig gefreut, dass die Titel im Radio gespielt wurden – also haben wir weitere Songs geschrieben, um ein ganzes Album zu haben. Es besteht also aus fünf Singles und fünf neuen Songs, die wir alle einen nach dem anderen geschrieben und aufgenommen haben.

Das Cover von "Death Of Darkness" von The 69 EyesSich eher auf Singles zu konzentrieren, ist ein sehr moderner Ansatz. Ist die Ära des Albums vorbei?
Guckt euch an, wie erfolgreiche Künstler heute arbeiten: Sie veröffentlichen eigentlich nur noch einzelne Titel. Vielleicht folgt irgendwann später noch ein Album, auf dem sie dann zusammengefasst sind, aber darauf liegt nicht mehr das Hauptaugenmerk. Allerdings glaube ich, dass vor allem im Heavy Metal immer noch die Vorstellung herrscht, dass man Musik erst schreiben, dann aufnehmen und dann zunächst eine Single veröffentlichen sollte. Auf die folgt dann ein ganzes Album und dann geht man auf Tour. Und dann wird es wieder still (lacht). Ich für meinen Teil will aber nicht still, sondern laut sein! Ich will Musik veröffentlichen, ich will laut sein und ich will Feedback dazu haben! Darum bin ich auch ständig im Studio und lebe meine Kreativität mit irgendeinem Projekt aus. Für uns war das also die ideale Vorgehensweise. Jetzt ist das Album erschienen und wir werden noch weitere Singles daraus auskoppeln – neulich ist ja erst „This Murder Takes Two“ mit Video erschienen. Ich finde aber auch, dass wir auf die gleiche Weise weitermachen sollten und konstant neue Musik veröffentlichen sollten, anstatt wieder vier Jahre bis zum nächsten Album zu warten.

Setzt es einen nicht enorm unter Druck, wenn man Musik mit dem Ziel schreibt, dass jeder er Songs im Radio gespielt wird?
Die Songs kommen ja einfach aus uns heraus und wir wählen dann die aus, die aus unserer Sicht das Potenzial zur Radio-Single haben. Das ist auch der Grund, warum wir mit einem Label zusammenarbeiten. Ein Beispiel: Ich liebe den Film „To Live And Die In L.A.“ – einfach, weil mir der Titel so gut gefällt. Ich wollte schon sehr lange einen Song mit dem gleichen Titel schreiben und habe das jetzt auch getan. Der Titel ist auch der Refrain und ich finde die Nummer wirklich cool, aber sie hat es am Ende nicht aufs Album geschafft. Wir probieren uns also einfach aus und am Ende hilft uns das Label, die besten Songs auszuwählen. Es gibt also keinen besonderen Prozess, den wir durchlaufen, um einen „Hit“ zu erschaffen. Wir schreiben einfach Musik und wir wollen, dass sie gehört wird. Und wenn wir einen Song als Single veröffentlichen, dann stellen wir sicher, dass er wenigstens ein paar Leute erreicht – selbst, wenn er nicht ins Radio kommt. Wenn wir einfach nur eine zehn Songs umfassende Platte raushauen, dann können wir nicht garantieren, dass sich die Leute die letzten drei Titel überhaupt anhören. Wir haben ja auch gerade erst eine Europatour gespielt. Für die meisten anderen Bands hätte das zu diesem Zeitpunkt keinen Wert gehabt, weil „Death Of Darkness“ da ja noch gar nicht erschienen war. Aber wir haben einfach drei der fünf Singles, die die Leute bereits kannten, ins Set aufgenommen. Und die Konzerte waren alle gut besucht.

Nun wurde aus diesen Singles und Songs das neue Album „Death Of Darkness“. Wie würdest du es beschreiben?
Ich denke, dass Fans von THE 69 EYES eine gewisse Nostalgie spüren werden, weil sie sich an lauter coole Bands von früher erinnert fühlen. Außerdem dürften sie sich freuen, dass die Band in Topform ist und sehr viel Energie transportiert. Das Album wird ihnen eine starke Dosis Glam und düsteren Rock verabreichen, wie man sie bei keiner anderen Band bekommt. „Death Of Darkness“ klingt zu zugleich romantisch, gefährlich und mysteriös. Ich finde obendrein, dass die Platte sehr vielseitig geworden ist: Wenn man sich ein Album von Lorna Shore oder so anhört, dann ist das absolut großartig, aber die Songs gehen auch alle in eine ganz ähnliche Richtung. Bei THE 69 EYES ist das anders.

Das Cover von "Call Me Snake" von The 69 EyesMit „Call Me Snake“ basiert ja mindestens ein weiterer Song auch auf einem Kultfilm der 80er …
Als ich jünger war, war es für mich am einfachsten, in Filmen Inspiration für neue Songs zu finden. In den Anfangstagen der Band war ich noch sehr unerfahren und ich war ein absoluter Comic- und Filmfreak. Mein Songwriting bestand also darin, dass ich den Titel eines Films als Songtitel genommen haben und dann über einen Aspekt der Handlung geschrieben habe. Darauf bin ich auch nicht selbst gekommen – ich habe es mir bei anderen Bands abgeguckt, die ich gerne gehört habe wie z. B. The Cramps oder diese Psychobilly-Band The Meteors. Und nach all den Jahren gibt es jetzt einen Song namens „Call Me Snake“ auf unserer neuesten Platte (lacht). Unser Gitarrist hatte mir eine Instrumentalversion des Songs geschickt und für mich klang er wie eine Kombination aus Iggy And The Stooges und Ministry. Irgendwie fand ich die Nummer auch gleich von Anfang an futuristisch, aber nicht so wie in „Mad Max“ sondern eben wie in „Die Klapperschlange.“ Im Refrain habe ich dann einfach mal „Call Me Snake“ gebrüllt und es stellt sich heraus, dass das perfekt passte! Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass der Rest der Band sagen würde, dass man das so nicht veröffentlichen kann, weil es keiner verstehen würde. Zunächst sagte aber keiner irgendetwas dazu und ich war mir ziemlich sicher, dass die Nummer am Ende nicht aufs Album kommen würden. Irgendwann stellte sich aber heraus, dass die anderen sie genauso gut finden und irgendjemand meinte sogar, dass es einer unserer besten Songs überhaupt sei (lacht). Es ist eben Rock ’n‘ Roll – das muss alles in bisschen verrückt und ein bisschen dämlich sein und mit der Popkultur flirten!

Du hast ja bereits angesprochen, dass die Welt sich stark verändert hat. Auch das Touren ist durch massiv gestiegene Kosten nicht mehr so einfach wie früher – spürt man das auch bei THE 69 EYES?
Ich habe davon gehört. Aber wir hatten einfach eine so verflucht gute Zeit und es hat sich so gut angefühlt, all die Leute zu sehen und ihre Energie zu spüren, dass es das in jeder Hinsicht wert war. Das ist auch ein guter Weg, um Corona hinter sich zu lassen: Wir brauchen wieder mehr Kontakt zueinander und müssen wieder aus uns rauskommen! Wir waren alle so lange voneinander getrennt und es wird Zeit, dass wir ein neues Kapitel beginnen.

THE 69 EYES sind bald seit 35 Jahren aktiv und haben es in dieser Zeit geschafft, eine sehr stabile Besetzung zu halten. Wie macht ihr das?
Wir sehen das, was wir tun, nicht als Geschäft an. Das ist unser Leben und es geht um die Freundschaft von fünf Typen, die das lieben, was sie tun. Wir wollen unser Leben genau so und nicht anders verbringen: Wir spielen Rock ’n‘ Roll, wir verbringen Zeit miteinander und wir sind Freunde. Auf der gerade beendeten Tour haben wir in vielen der Städte, in denen wir gespielt haben, Fotos gemacht. Und die Leute haben in den Kommentaren immer wieder geschrieben, wie beeindruckend sie es finden, dass wir immer alle fünf gemeinsam unterwegs sind. Aber so ist es eben bei THE 69 EYES: Wir verbringen einfach gerne Zeit miteinander. Ich finde, das sollte für Bands eigentlich normal sein! Wir tun nicht nur so, als wären wir eine Rock-n-Roll-Band – wir sind authentisch.

Noch einmal vielen Dank für dieses Interview! Möchtest du noch ein paar abschließende Worte sprechen? Sehen wir euch bald wieder in Deutschland?
Wir werden dieses Jahr noch ein paar Deutschland-Konzerte im Zuge der Festivalsaison spielen! Was das Touren angeht, so müssen wir den Herbst abwarten. Am Ende hängt es davon ab, wie gut unser neues Album bei den Leuten ankommt. Letztendlich machen wir das aber schon so lange, dass uns gar nichts mehr aufhalten kann. Wir kommen auf jeden Fall wieder!

Ein Foto der Band The 69 Eyes
Foto: Anabel DFlux
Redaktion Metal1.info

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

2 Kommentare zu “The 69 Eyes

  1. Früher eins meiner gehypten Gothic Bands. Dann zum erstemal Mal auf dem Mera´Luna 2023 und hin und weg, wie gut sich die Musik entwickelt hat. Freue mich schon sehr auf Silvester auf München, kann mir nichts geilers vorstellen, als mit den 69 Eyes das neue Jahr feiern. Lets rock´n Roll.

  2. Einfach nur super sympathisch weil sie echt und authentisch sind.Habe die 69 Eyes schon mindestens 14 mal live gesehen, und ich freue mich jedesmal aufs nächste Konzert. Live sind sie immer wieder ein Erlebnis!
    See you Silvester in München

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert