Interview mit Patrick von Träumen von Aurora

TRÄUMEN VON AURORA ließen vor nur einem Jahr mit ihrem fulminanten Debüt „Sehnsuchtswogen“ mächtig aufhorchen. Emotionaler, intensiver Post Black Metal, der bewies, dass die Szene in der Heimat einiges an frischem Nachwuchs zu bieten hat. Warum Album Nummer zwei so schnell fertiggestellt wurde, wie die Band mittlerweile harmoniert und wie man den „technical Overflow“ vermeidet, verrät Bandkopf Patrick im folgenden Interview.


Hi Patrick, vielen Dank für das Interview! Mir ist, als hätten wir erst vor recht kurzer Zeit miteinander geplaudert.
Hehe, ja, das ist tatsächlich so. Freut mich aber!

Euer Zweitwerk kam ziemlich bald nach dem Debüt, Ihr hattet das damals ja quasi schon angekündigt. Kannst Du trotzdem noch mal ein paar Worte dazu verlieren?
Klar, gerne. Also, dass das zweite Album nun so schnell folgt, liegt vor allem daran, dass die Veröffentlichung des ersten so lange gedauert hat. Es war eigentlich schon Ende 2009 fertig geschrieben und geprobt, aber die Aufnahmen und das ganze Drumherum haben unheimlich viel Zeit in Anspruch genommen. Deshalb begannen wir, parallel dazu schon mal am Nachfolger zu arbeiten. Den haben wir diesmal wieder bei Markus Siegenhort aufgenommen, wie auch „flucht“ 2007 und „nie ist alles schon gesagt“ 2009, um größere Probleme von vornherein auszuschließen. Einen schönen Gruß an dieser Stelle!

Beim letzten Mal meintest Du, dass Du btw. Ihr generell keinen Druck verspürt, sei es nun das Debüt oder eine spätere Platte. Hat sich das bestätigt oder hat man doch immer positive Reviews im Hinterkopf und fragt sich, wie man das toppen kann?


Ach, das ist schwer zu sagen. Man möchte auf sich auf der einen Seite natürlich weiterentwickeln und nicht das Gefühl haben, zu stagnieren, auf der anderen Seite nimmt man sich Kritik natürlich schon zu Herzen und überlegt, ob man es nicht besser machen kann. Als Druck empfinde ich das aber noch immer nicht, eher als Ansporn.

Das Debütalbum war in gewisser Weise fast eine Soloplatte, da die Songs schon fast komplett fertig waren, als sich die Band formiert hatte. Hat sich die Situation mittlerweile geändert, was Songwriting und so angeht?
Oh ja! Das Intro von „der sommerregen auf asphalt“ stammt zum Beispiel von Camilo, genau wie das komplette Stück „was einst im wind der wälder lag“. Kavi hat unter anderem eine Passage bei „orion 2.1“ beigesteuert. Darüber hinaus haben wir sehr häufig gemeinsam an Details gearbeitet, ob nun in den Partituren oder direkt bei der Probe. Ich würde sagen, wir sind jetzt eine richtige Band.

Eure Musik ist ausgesprochen emotional, wie schwierig ist es, die auf instrumentellem Wege einzufangen?
Darüber kann ich jetzt leider gar keine hilfreiche Auskunft geben. Vieles, was ich schreibe, ist reine Intuition. Man lernt mit der Zeit einfach irgendwie, was funktioniert und was nicht. Und da ich sowohl die Lyrics als auch viel der Musik schreibe, scheint es mir eigentlich gar nicht so verwunderlich, dass beides meist ganz gut zueinander passt. Es sind eben nur unterschiedliche Ausdrucksarten der gleichen Gedanken oder Gefühle, denke ich. Bei „was einst im wind der wälder lag“ war es etwas schwieriger, denn die Musik stammte ja, wie gesagt, von Camilo. Ich habe einen Text von mir ausgewählt, der bereits fertig war und mir insgesamt am passendsten schien, aber es mussten sowohl am Text als auch in der Musik einige Anpassungen erfolgen, damit es wirklich funktionierte.

Ich denke dabei an die beiden Instrumentale, die nicht nur ungewöhnlich lang und auch noch hintereinander auf dem Album platziert sind, sondern auch sehr viel transportieren. Was ist der Hintergrund von „der sommerregen auf asphalt“ und „orion 2.1“? War es von Anfang an geplant, die beiden Stücke intrumental zu halten oder gab es nur keine Möglichkeit, Gesang einzubauen?
Schon als ich die Stücke schrieb beziehungsweise arrangierte, wurde mir klar, dass musikalisch so viel darin passierte, dass Vocals wahrscheinlich eher störend wirken könnten. Ich war mir außerdem sicher, dass ich den entscheidenden Wendepunkt der Geschichte, den die Instrumentale darstellen, nicht hätte angemessen in Worte kleiden können, so dass es auch wirklich für jeden Einzelnen nachvollziehbar gewesen wäre. Da war es naheliegend, dem Hörer die Interpretation selbst zu überlassen. Wir geben in den Stimmungen der Musik zwar durchaus einige recht deutliche Hinweise, wie ich finde, aber ich wollte an dieser wichtigsten Stelle der Geschichte nichts diktieren. Und da ich Instrumentale auch grundsätzlich sehr interessant finde, musste ich mich als Sänger nicht einmal zu dieser Entscheidung durchringen.

Das Konzept war ja schon auf dem Debüt recht ausgefeilt, jetzt habt Ihr es noch einmal fortgesetzt; wieviel Fiktion und wieviel Realität steckt in den Texten?
Die Geschichte, die wir erzählen, gab es so nicht, wohl aber die Emotionen. Ich denke, es ist nicht viel anders als bei einem Schriftsteller, der in seine Romane alle möglichen persönlichen Erfahrungen einflechtet. Vielleicht kann man es so zusammenfassen: Die Geschichte ist fiktiv, aber ihre Elemente sind mir nur allzu vertraut.

Ist mit der „rekonvaleszenz“ das Konzept nun beendet oder könnte der Protagonist vielleicht noch einen Neubeginn oder ähnliches auf dem nächsten Album erleben?
Die Geschichte ist nun eigentlich zu Ende, aber es spricht auch nichts dagegen, die Lyrics des nächsten Albums, die nämlich bereits fertig sind, irgendwie darauf zu beziehen oder zumindest anzunehmen, dass der Protagonist der selbe ist.

Wieviel Planung benötigt so ein Konzept generell? Man muss ja nicht nur auf einen vernünftigen Zusammenhang der Texte achten, sondern die Lieder von Anfang an so schreiben, dass sie mit den Texten harmonieren und dennoch in der Abfolge eine gewisse Stringenz aufweisen.
Das ist schwer zu sagen. Ich weiß schon gar nicht mehr so ganz genau, wie das bei „sehnsuchts wogen“ funktioniert hat. Bei „rekonvaleszenz“ entstand das Konzept jedenfalls erst relativ spät, und es war einiges an kleineren und größeren Anpassungen notwendig, was Lyrics und Musik betraf, bis es am Ende wirklich schlüssig wirkte. Das ist aber ein Prozess, der zumindest mir persönlich große Freude bereitet, mit einem ganz bestimmten Ziel an einem Grundgerüst herumtüfteln.

Acht Songs beim Debüt, jetzt nur noch fünf, wird das nächste Album wie bei Moonsorrow nur noch zwei und das übernächste wie z.B. bei Green Carnation nur noch ein Lied enthalten? Ich frage deshalb, weil kürzere Songs für den Konsum natürlich irgendwie etwas einfacher sind (auch wenn mein Favorit mit „was einst im wind der wälder lag“ der längste Song des Albums ist), außerdem sind sie live vermutlich leichter umzusetzen, oder?
Das ist richtig. Es gab auch bandintern einige Diskussionen, wie livetauglich längere Stücke oder Instrumentale eigentlich sind. Wir versuchen bei Konzerten immer, eine möglichst vielseitige Setlist zu spielen, die sowohl leicht zugängliche, rockbare Stücke wie „neontot“ enthält als auch Stücke zum Zuhören wie „der sommerregen auf asphalt“. Wie viele Stücke das nächste Album haben wird, steht noch nicht so ganz fest.

Habt Ihr manchmal Angst, die Songs zu überfrachten? Hier und da steckt ja schon eine riesige Menge Details darin und manchmal ist es nur einen Schritt bis zum „Overflow“, wenn man das mal so ausdrücken will.


Wir versuchen immer, Details auch wie Details klingen zu lassen. Der Kern eines Parts sollte erkennbar sein, auch wenn es viel Drumherum gibt. Wir proben die einzelnen Stücke allerdings recht häufig und haben daher viel Gelegenheit, sie zu verinnerlichen. Das führt möglicherweise stellenweise dazu, dass wir immer mehr Details hinzufügen und das Stück für jemanden, der es das erste oder zweite Mal hört, dadurch schwer zugänglich wird. Auf der anderen Seite findet so auch jemand, der dem Album schon etliche Durchläufe gewährt hat, dann und wann noch Neues. Und das finde ich wichtig.

Letztes Jahr sprachst Du von Songwriting mit musiktheoretischem Wissen. Studierst Du Musik oder wie war das gemeint?
Nee, das nicht. Aber es hilft einfach ungemein, sich mit einigen grundlegenden Aspekten der Musiktheorie ein wenig auseinanderzusetzen. Ich kenne viele Instrumentalisten, die scheinbar mehr oder weniger zufällig auf ihre Riffs und Melodien stoßen. Da finde ich es schon angenehmer, zumindest so ungefähr zu wissen, was ich tue, wenn ich am Klavier improvisiere. Für einige der emotionalen Effekte bestimmter Akkord- oder Notenfolgen habe ich zwar noch immer keine Erklärung, aber zumindest vermeide ich es mittlerweile weitgehend, komplett danebenzugreifen, wenn ich eine Idee umzusetzen versuche.

Daran schließt sich ganz gut die Frage an, warum Du „nur“ den Gesang übernommen hast, wenn Du instrumentell und musiktheoretisch doch auch einiges auf dem Kasten hast.
Ich habe letztes Jahr mal live das Keyboard gespielt, weil Maike verhindert war. Das empfand ich als sehr schwierig, vor allem, wenn Gesang und Keyboard direkt aufeinander folgten. Ich fühle mich um einiges wohler, wenn ich mich nur auf den Gesang konzentrieren kann. Dementsprechend bewundere ich natürlich all jene, die gleichzeitig singen und ein Instrument spielen.

Zum Schluss noch die obligatorischen Fragen, fangen wir mal bei Konzerten an. Hat sich da die eine oder andere Tür geöffnet mit dem Labeldeal oder mailt Ihr noch selber das ganze Wochenende irgendwelche Jugendzentren an?
Letztes Jahr haben wir als Support für Fjoergyn bei deren Release-Party gespielt, das haben wir wohl zumindest teilweise dem Label zu verdanken, und dieses Jahr werden wir beim Darktroll Festival spielen. Ansonsten steht leider noch nichts an. Wir hoffen aber, daran bald etwas ändern zu können.

Diesmal ging es schnell mit dem neuen Album, das dritte hat gemeinhin den Stempel „make it or break it“. Wann wird damit zu rechnen sein (ich hoffe doch, recht bald)?
Wir haben vor einigen Wochen erst angefangen, daran zu arbeiten. Mir ist aber selbst sehr daran gelegen, die Arbeiten möglichst effizient zu gestalten. Eine Prognose zum Releasedatum möchte ich im Moment allerdings noch nicht stellen. Den Fortschritt wird man aber an unseren Setlists verfolgen können.

Und natürlich noch das traditionelle Wortspiel, Du kennst es noch vom letzten Mal, nehme ich an.
Nordkorea: Anscheinend kein empfehlenswertes Urlaubsziel.
Margaret Thatcher: May she rest in peace.
NSU-Prozess: Interessiert mich nicht.
Peter Neururer: Ich mag mich damit jetzt unbeliebt machen, aber: Wer?
Endlagerproblematik: Ohne Schatten kein Licht, könnte man sagen.

So, ich bin durch, hast Du noch was zu sagen? Die letzten Worte gehören jedenfalls Dir.
Das war ein sehr umfangreiches und wirklich interessantes Interview. Danke schön!

Publiziert am von Jan Müller

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