Interview mit Kristoffer Rygg von Ulver

Mit „Wars of the Roses“ meldeten sich ULVER aktiv wie nie zuvor in der Szene zurück, nach langer Zeit wieder mit einem größeren Label namens Kscope im Rücken. Auf der Tour zum Album konnten wir Kristoffer „Garm“ Rygg ausführlich zu seinen Ansichten zum heutigen Musik-Business, eigenen Labels und obszönen Solokünstlern befragen. Nebenbei offenbarte „Trickster G.“ auch interessante Details zum neuen Album und älteren Live-Konzepten der Band.

Grüße dich, danke für das Interview gleichmal. Ihr habt gestern in Basel gespielt, wie wars?
Ich fands cool, wir sind gegen Ende ziemlich ausgerastet, waren ziemlich in Party-Stimmung. Das Publikum hat es glaube ich gemocht, aber es war dann doch alles etwas ungezügelt.

Und die Tour selbst?
Ich finde, wir werden jeden Tag besser, es ist ja das erste mal, dass wir dieses Set spielen, das heißt, wir sind das Ganze noch nicht so gewöhnt wie das Set, was wir die letzten anderthalb Jahre gespielt haben. Es ist schon befreiend, mal wieder was neues zu machen. Es ist jetzt mehr Raum für Improvisation im Set, weniger Rock, mehr Elektronik. Ab und zu natürlich immer noch Rock, aber nicht mehr so viel. Ich finds auch ganz gut, dass das Stage-Set-Up kleiner ist als das von letztem Jahr, was ja ziemlich monströs war.

Wenn du von Improvisation redest, wie viel Zeit vom Set macht das denn aus?
Kristoffer: Hmm, ich würde sagen ein Drittel?
Daniel: Um genau zu sein, 34,2%.
Kristoffer: Das klingt ziemlich akkurat, ja.

Improvisiert ihr frei oder einigt ihr euch vorher auf gewisse Abläufe?
Nee, frei nicht, über Sound-Teppichen, die wir vorher festmachen. Also es ist kein Jazz, aber irgendwo doch noch Improvisation. In London hatten wir sowas eher, da war Alex Ward als Klarinettist dabei. Also wenn wir die Möglichkeit haben, lokale Musiker einzubinden, die wir kennen, dann ist es das eine super Sache, bisher haben wir es aber insgesamt eher alleine gestemmt.

Inwiefern müsst ihr Songs umschreiben, um sie live spielen zu können?
Nicht so sehr eigentlich, gerade bei diesem Set. Das liegt wohl auch daran, dass das neue Album eher in einem Live-Kontext entstanden ist als die Vorgänger. Es ist immer noch kein konventioneller Rock, aber wir hatten dieses Feeling bei den Aufnahmen. Komplett bewusst haben wir das nicht gemacht, aber ich denke, es hatte schon jeder im Hinterkopf, dass wir die Nummern live spielen werden. Wie würden sowieso nie bewusst etwas machen, was wir live nicht umsetzen können, aber gerade bei diesem Album hat der Live-Faktor denke ich schon eine gewisse Richtung vorgegeben.

Wie viele Songs spielt ihr denn dann von welchem Album? Und vor allem: Wie viele von „Wars Of the Roses“?
Alle. Das ist die „Wars Of The Roses“-Tour, da kommt das Album komplett. Wir spielen auch nichts anderes, nur neues Zeug.

Dementsprechend dürfte sich das Live-Konzept wohl etwas geändert haben. Kannst du erklären, was ihr euch bei den Gigs zu „Shadows Of The Sun“ gedacht habt, was das Bühnenbild usw. angeht?
Naja, also das letztes Jahr war ja keine „Shadows Of The Sun“-Tour, da haben wir ja von mehreren Alben Songs gespielt. Ein paar von „Shadows Of The Sun“, ein paar von „Blood Inside“, einen vom „Blake“-Album, ein oder zwei Tracks von „Perdition City“ und Zeug, das von den EPs kam. Das war also nicht Album-gebunden, das hier dagegen ist eben rein „Wars Of The Roses“.

Kannst du ein paar Worte dazu sagen, dass ihr eure Hintergrundbilder bei Liveshows in Deutschland nicht verwenden konntet?
Wir hätten sie vermutlich schon verwenden können, aber es gibt da Gesetze dagegen. In Polen haben wir das genauso zensiert, wo das Ganze ja genauso kritisch ist, weil wir ja auch beide Seiten zeigten, Opfer und Täter. Im November habe ich das Publikum in Warschau gefragt, ob wir es kompromisslos durchziehen sollen, und sie sagten ja. Da haben wir es dann also doch gezeigt, aber das war das erste und das letzte mal, da wir das Set danach außer Dienst gestellt haben. Aber man muss finde ich dazu sagen, dass das auch keine politische Sache war. Als Band, die ernst über die Menschheit und die Menschlichkeit sprechen will, ist es einfach nicht immer möglich, unangenehme Themen auszuklammern. Diesmal hat das Konzept aber nicht so viel mit dem Menschen an sich zu tun, diesmal ist es eher landschaftlich geprägt, wird also kein Problem sein.

Ihr habt heute ZWEIZZ als Vorprogramm dabei, was hat man denn da zu erwarten?
(lacht) Hehe.. Nun, er ist ein alter Freund von mir, und er ist… Schwierig zu erklären, er fühlt sich berufen, Obszönität auszudrücken, während wir uns eher daran versuchen, eine gewisse Schönheit zu kreieren, das ist also auf jeden Fall ein schöner Gegensatz. Er kann SEHR obszön sein, aber… Naja, ich bin immer für Kontraste. Du wirst schon selbst sehen. Aber er hat auch Humor, wo wir ja eher ernst sind. Also auf der Bühne, neben den Gigs haben wir auch Humor, was gestern in Basel gegen Ende der Show dann auch ein wenig durchkam und was die Leute denke ich überrascht hat.

Kommen wir mal zum neuen Album selbst. Wann habt ihr angefangen, die neuen Songs zu schreiben?
Ähhhm, Herbst. Herbst letzten Jahres.

Wie du schon gesagt hast, improvisiert ihr live viel. Tut ihr das auch im Songwritingprozess, um neue Lieder zu entwickeln?
Hm, bisher noch nicht, aber es könnte definitiv mal passieren. Es gibt bei uns keine Regeln, wie die Dinge angegangen werden müssen. Aber nein, bisher haben wir sowas nicht gemacht. Das neue Album ist vielleicht etwas traditioneller entstanden, wir haben die Sachen insgesamt ein wenig natürlicher entwickelt, indem Thomas Drums zu gewissen Klaviermelodien gespielt hat zum Beispiel. Davor waren wir immer nur zwei Kerle, die im Studio rumgesessen sind und versucht haben, Sounds zu finden. Insofern klingt „Wars of the Roses“ sicher etwas „bandisher“ als „Shadows of the Sun“ oder „Blood Inside“. Aber das kann sich beim nächsten Album auch wieder komplett ändern, insofern…

Seid ihr dann tatsächlich auch mal im Proberaum unterwegs?
Nein, also wir haben schon unser eigenes Studio.

Wie wichtig sind die Texte fürs Songwriting? Habt ihr schon eine gewisse Idee diesbezüglich im Kopf, wenn ihr eine neue Nummer schreibt, oder kommt das erst danach?
Gibt es beides, manchmal definiert der Test den Song, manchmal der Song den Text. Manchmal entwickelt sich auch beides unabhängig voneinander. Wie gesagt, auch da gibt es keine Regeln.

Könntest du ein paar Worte zum „Wars of the Roses“-Konzept sagen? Das ist ja im Prinzip ein historisches Thema. Inwiefern ist das vielleicht nur eine Metapher und inwiefern bezieht sich das Album tatsächlich auf die historische Vorkommnisse?
Metapher nicht so sehr, es geht eher um die Art eines Geschehnisses, das mit Britannien in Verbindung steht, was sich durch das ganze Album zieht, ein Song heißt ja sogar „England“. Der Titel „Wars of the Roses“ ist übrigens genau diesem Text entnommen. Wir haben uns da so ein bisschen mit alten Adelsfamilien und Königen und Königinnen und Shakespeare usw. beschäftigt. Ich wollte mir mit diesem Titel also eher ein spezielles Kleinteil aus einem größeren Themenkreis herauspicken. „Critical Geography“ war eher ein Arbeitstitel, der mir dann auch nicht mehr so gut gefallen hat und den ich dann in letzter Sekunde noch geändert habe. Ich meine, er beschäftigt sich schon irgendwie mit der selben Sache, er hat auch einen territorialen Aspekt, und darum ging es ja in den Rosenkriegen neben dem Thron Englands.
Ich hatte beim Schreiben dieses Gefühl, dass etwas schlimmes passieren würde und wollte dann nicht diesen prophetischen Titel „Critical Geography“ nehmen. Stattdessen habe ich es aus dem Jetzt herausgenommen und in die Vergangenheit gesetzt.

Wie wichtig ist es dir, dass die Leute, die deine Musik anhören, auch die zugehörigen Texte lesen?
Für mich ist das nicht wichtig, aber für sie vielleicht. Wir stecken da eine Menge Arbeit rein, manchen Leuten ist das vollkommen wurst, manchen nicht… Das ist nicht meine Sache. Es gibt gewisse Themen und Gedanken, die sich durch die Bandgeschichte ziehen und auf die ich eine Menge Zeit verwende, mir persönlich ist das schon sehr wichtig. Aber ich kann niemandem vorschreiben, auf welche Weise er sich mit uns beschäftigen soll.

Werden die Fans, die das Album noch nicht kennen, dieses dann – eben beispielsweise ohne die Texte – heute Abend überhaupt verstehen?
Wahrscheinlich nicht, nein, man muss es wohl schon mit nach Hause nehmen und sich damit auseinandersetzen. Aber das ist überhaupt so ein bisschen die Sache, man kann eine Band durch einmal live sehen nie kapieren, man muss sich erst eine Beziehung zu ihr aufbauen, unter anderem indem man ihre Alben anhört.

Hat das Artwork einen Bezug zum Album oder dessen Konzept?
Ein bisschen, ja. Zwei Kinder tragen die Welt auf zwei verschiedenen Seiten, da besteht eine Ambivalenz, wie in der Band auch.

John Fryer, der auch schon mit Depeche Mode gearbeitet hat, hat das Album produziert. Wie kam es denn dazu?
Nun, wir haben uns über Freunde kennengelernt. Er hatte uns in der Oper letzten Sommer gesehen, war also irgendwie auch ein Fan.

Hat also er sich mit euch in Verbindung gesetzt?
Mhh, fast, ja. Er hat diese Person, die ich auch kenne, wissen lassen, dass er daran interessiert ist, mit uns zu arbeiten.

Würdest du sagen, dass „Wars of the Roses“ der logische nächste Schritt nach „Blood Inside“ ist? „Shadows of the Sun“ sticht doch etwas heraus, finde ich.
Ja, es ist weniger monochrom… Also irgendwo… ja. „Blood Inside“ und „Wars of the Roses“ passen wirklich besser zusammen, „Shadows of the Sun“ ist als Gesamtwerk sehr isoliert. Es war halt auch ein extrem Studio-orientiertes Album, wo wir keinen Gedanken daran verschwendeten, ob wir das jemals live spielen wollen. Aber wir hatten immer die Tendenz, monochrome Alben aufzunehmen, wie „Perdition City“ ja auch, das ist auch sehr stromlinienförmig. Das nächste Album könnte aber als Gesamterfahrung wieder was komplett anderes werden.

Klingt, als wären schon neue Songs in Planung…
Nein. Aber man schaltet das Hirn halt auch nicht ab.

Das Album wurde ja über Kscope released, nachdem ihr davor lange Zeit über euer eigenes Label publiziert habt. Wie kam es zu dieser Verbindung und seid ihr mit ihrer Arbeit zufrieden?
Bisher bin ich zufrieden, ja, aber vielleicht hasse ich sie in einem halben Jahr (lacht). Nein, aber vielleicht liebe ich sie auch, also… Ja, bisher ist es cool.

Hörst du dir anderen Bands an, die da unter Vertrag sind, wie Blackfield, Pineapple Thief oder Porcupine Tree?
Nee. Also ich habe ein paar Porcupine Tree-Tracks gehört, aber das ist irgendwie überhaupt nicht meine Szene. Viele Leute scheinen zu denken, dass wir in diese Familie da musikalisch reingehören, was eigentlich ja cool ist. Also vielleicht sollte ich sie mir mal anhören. Aber bisher… ne.

Hörst du Sachen wie King Crimson, oder allgemein 70er Progressive Rock? Der Song „Providence“ hat mich in seiner Machart ein bisschen an die gleichartige Nummer vom „Red“-Album erinnert.
Ja, klar kenne ich King Crimson habe ich mir sehr viel angehört. Und sonst, 70ies und Prog… Magma und das ganze Zeug, sowas hab ich mir auch reingezogen… Irgendwie fallen mir grad keine Bands ein, aber ja, ich habe viel Prog gehört.

Ihr habt ja sehr lange nur über eure eigenes Label released. Warum?
Weil wir es konnten. Das war damals vor ein paar Jahren eine ganz andere Szene, vor dem Downloadzeitalter. Es hat einfach keinen Sinn ergeben, sich für ein Label zu prostituieren, und so hätte es sich für mich angefühlt, ihnen meine Musik zu verkaufen. Wir haben unsere Präsenz in der Szene geopfert, um uns langsam ein eigenes Vermächtnis aufzubauen. Und das hat irgendwo geklappt, finde ich. Wir mussten keine 100000 Platten verkaufen, weil wir nicht davon leben mussten.
Ich mag diese Idee einfach nicht, meine Musik zu verkaufen. Bei den meisten Bands ist es ja sogar der Fall, dass ihre Labels die Musik effektiv besitzen. Ich hätte da irgendwie keinen Bock drauf, mein Lebenswerk irgendeinem Fettsack zu verkaufen, der damit Kohle scheffelt. Wir haben die Sache also auf unsere Weise geregelt. Heute ist das ein ganz eigener Markt, es gibt ganz neue Wege, seine Musik zu vertreiben. Deshalb ergibt es wieder mehr Sinn, mit einem Team zu arbeiten. Aber auch Kscope haben wir unsere Musik nicht verkauft, sie haben im Endeffekt nur die Lizenz, es für uns zu verkaufen.

Mit eigenem Studio ist man da natürlich sehr unabhängig.
Ja, klar. Ich meine, ich werde das immer wieder gefragt, ob man unseren Backkatalog kaufen kann, für eine Million Kronen oder so, und es pisst mich immer wieder an. Das sind glaube ich um die 150000 Euro, wenn man pleite ist, ist das sicher eine Menge Kohle. Aber ich habe so lange mit meiner Musik gearbeitet, dass ich sie nie für 150000 Euro hergeben würde. Fuck off, denke ich mir da.

Was ist der Reiz für dich daran, auf der anderen Seite des Business aktiv zu sein, indem du dein eigenes Label betreibst? Und denkst du, die Künstler, die bei dir unter Vertrag stehen, profitieren davon, dass du schon so lang dabei bist?
Ja und nein. Mein Label ist sehr klein, deshalb kenne ich die meisten Künstler, die ich release, persönlich sehr gut. Da steckt nicht viel Kohle drinnen, und das wissen wir alle. Die meisten Dinge, die ich herausbringe, bringe ich deswegen heraus, weil die Künstler sie bei genau mir veröffentlichen wollen, vielleicht weil sie diese Verbindung zu meinem Namen für ihre Musik wollen, oder wie auch immer. Manchmal springt dabei auch ein bisschen was raus, was ich ihnen dann ausbezahlen kann, aber im Normalfall kommt das ziemlich auf null raus.

Würdest du sagen, dass Jester Records-Bands irgendetwas haben, was sie im Kern verbindet? Wie bspw. eine spezielle Einstellung zur Musik?
Nichts außer dem Umstand, dass ich gerne mit intelligenten Musikern arbeite, Leute, die eine Vision haben. Das trifft den Nagel denke ich auf den Kopf, ich will keine substanzlose Plastik-Kacke haben.

Ihr habt mal eine Cover-Version von „I had too much to dream last night“ von den Electric Prunes gemacht. Plant ihr, sowas wieder zu machen?
Ja, schon. Das entsprechende Album ist aktuell in bisschen auf der Strecke geblieben, wir haben acht Songs dafür gemacht und brauchen sicher nochmal acht. Da mussten wir wegen dem neuen Album und dem ganzen Live-Zeug jetzt Abstriche machen, aber wir hoffen, uns im Sommer wieder damit beschäftigen zu können.

Was denkst du heute eigentlich über eure frühen Black Metal-Alben? Magst du sie noch?
Ja, schon. Ich denke, dass diese Alben sehr davon beeinflusst sind, dass wir alle sehr verschiedene Leute waren, was einen ganz eigenen Reiz entfaltet hat. Aber ja, ich bin immer noch stolz auf die Alben. Sie waren halt Resultat einer extremen Phase der Jugend.

Hätte dir damals jemand erzählt, dass du mal Trip Hop spielen und Saxophon und Geige in deine Musik einbinden würdest, was hättest du zu ihm gesagt?
Vermutlich dasselbe, was die ganzen truen Leute heute zu uns sagen. Wie gay und unsatanisch das alles ist, den ganzen Quatsch halt.

Wenn man sich euren Backkatalog anschaut, wirkt die Abwendung vom Black Metal ja doch wie ein spontaner, umfassender Eingriff in eure Entwicklung.
Nicht wirklich, 1996 hatte ich einfach die Nase von Black Metal. Für mich war dieses Genre ab diesem Jahr tot.

War es also nur natürlich, was komplett anderes zu spielen?
Es war einfach diese Phase, die man ab 18-19 bis Mitte der 20er durchmacht, man nimmt in dieser Zeit unglaublich viel Information auf und entwickelt sich weiter. In dieser Zeit wird man erwachsen. Und ja, damit einher ging für mich wohl der Wille, mich wirklich weiterzuentwickeln, auch musikalisch, was sicher auch daran lag, dass ich angefangen habe, Sachen zu mögen, von welchen ich als ich 17 war nie gedacht hätte, dass ich jemals auch nur ansatzweise was damit würde anfangen können. Aber das ist wiederum sicher sehr typisch für die Jugend, dass man in gewissen Dingen sehr festgefahren ist und sich eine starke, eigene Identität aufbaut. Und wie wir allen wissen, verliert man, desto älter man wird, immer mehr seinen Glauben in die absolute Richtigkeit dieser Identität und diesen Auftretens.

Als du dich diesen musikalischen Umbruch vollzogen hast, hast du da darüber nachgedacht, den Bandnamen zu ändern? Beziehungsweise, denkst du, dass die Bedeutung, die der Bandname für dich ursprünglich hatte, auch für die neuen Alben noch gelten kann?
Vielleicht mehr als je zuvor. Mir fällt keine Band ein, die mehr als einsames Wolfsrudel gelten könnte, als wir.

Eine der anderen Bands, oder einer der anderen Musiker des True Norwegian Black Metals, die sich musikalisch wirklich weit geöffnet haben, ist Emperor bzw. Ihsahn. Was denkst du über ihn und seine Musik?
Er ist einer meiner besten Freunde. Er ist halt immer noch sehr in der Heavy Metal-Szene verankert, die mich jetzt weniger tangiert. Aber er ist ein fantastischer Musiker und alles, was er tut, tut er mit absoluter Hingabe. Dafür zolle ich ihm den größten Respekt, auf jeden Fall.

Könntest du dir vorstellen, musikalisch mit ihm zusammenzuarbeiten?
Klar, ich bin ja auch auf seinem ersten Album vertreten. Es wäre durchaus möglich, dass es passiert, aber irgendwo machen wir doch sehr verschiedene Dinge. Wenn es sich aber in irgendeiner Situation richtig anfühlt, mit ihm zu arbeiten, ist er nur einen Anruf entfernt, und dasselbe weiß er von mir. Aktuell agiert halt jeder in seiner eigenen Sphäre.

Gibt es eigentlich Fans, die euch von Anfang an bis heute gehört haben?
Ja, überraschenderweise schon. Und du kannst viel über uns und unsere Band sagen, aber wir haben, um es sehr simpel auszudrücken, nie aufgehört, einer finsteren Vision zu folgen. Wir haben den Tod immer mit uns getragen und meiner Meinung nach hat die Dunkelheit über die Jahre sogar zugenommen. Hm, klingt extrem kindisch, wenn ich das so sage (lacht). Aber einer der ursprünglichen Gedanken des Black Metals war ja eben, dass es nicht unbedingt Blastbeat und Marshall Amps sein mussten, du hattest eigentlich deine absolute Freiheit. Leute wie Euronymous liebten genrefremdes Zeug. Um mit dem Szene-Jargon zu sprechen sind wir also schon irgendwo „true“ geblieben, natürlich ohne auf irgendeine Weise noch Metal zu sein. Ich glaube, die Leute verstehen das auch. Es gibt eine Million Bands, die Metal spielen, also warum sollte man sich nicht die interessanten Sachen heraussuchen. Wir operieren immer noch im Rahmen derselben Ideenfabrik, nur, dass sie bei uns eine ganz andere Form angenommen hat. Viele Menschen, die sonst nur Metal hören, sehen das und respektieren es.
Obwohl ich selber kaum mehr Metal höre, ist es natürlich ein Teil meiner Jugend und war irgendwo die Wurzel, wo alles angefangen hat. Wir haben uns als Band einfach nie an irgendetwas verkauft, sondern haben immer unseren eigenen Weg gesucht und wer nur grundlegende Ideen zu Individualismus oder diesem Teil satanischer Philosophie hat (die mich auch nicht interessiert, aber eben viele von diesen Leuten), sieht das auch.

Sollten wir heute dann also überwiegend Metal-Fans erwarten?
Weiß nicht genau, aber nachdem wir in Deutschland sind vermutlich schon, ja.

Ist Deutschland da so speziell oder was?
Ihr habt halt schon viele Metal-Leute in Deutschland… Die Deutschen gehen da schon sehr drauf ab. Das ist auch cool. Ich habs erst in Bochum gemerkt, wo ich erst befürchtet hatte, dass die Leute uns und vor allem Zweizz etwas reserviert gegenüberstehen würden. Aber dann kamen da zwei Kerle in Jeanswesten mit fetten Masters Hammers-Patches und dem ganzen Zeug, und die meinten dann „Der Kerl ist verrückt!“ und ich sagte „Ja, er steigert sich da echt rein“ und sie wiederum „Ja, stimmt, das geht ab.“. Die waren da sehr offen, was mich sehr positiv überrascht hat, weil wir doch manchmal das Vorurteil haben, dass die Deutschen, was den Musikmarkt angeht, eher wie eine Tankstelle sind, also eher simpel gestrickt bezüglich des musikalisches Verständnisses. Es ist gut, wenn einem der eigene Irrtum bewiesen wird.

Ist Norwegen ein besserer Nährboden für experimentelle Musik?
Norwegen ist zu sehr auf seinen musikalischen Export bedacht, der vor allem aus Metal und Jazz bzw. Free Jazz besteht. Es gibt eine große Szene für experimentelle Musik, die eine ganz andere Schiene fährt, aber natürlich macht auch der Metal einen nicht unwesentlichen Teil der Musiklandschaft Norwegens aus.

Letztes Jahr hat der Eurovision Song Contest bei euch in Oslo stattgefunden. Was dachtest du darüber?
(lacht) Eigentlich habe ich gar nichts gedacht, weil es mich nicht interessiert hat und ich das auch kaum mitbekommen habe.

Seid ihr auf irgendeine Weise musikalisch ausgebildet?
Nicht wirklich. Naja, Dan war auf einer Musikschule, als er ein Teenager war. Er hat sich selbst viel beigebracht, was Noten und klassische Musik angeht, aber das wars dann auch, wir sind keine Musik-Akademiker. Die einen von uns sind halt bessere Musiker, die anderen dafür bessere Denker. Die Synthese beider Seiten ist das, was diese Band ausmacht.

Ihr habt ja schon öfter Filmsoundtracks gemacht. Plant ihr sowas wieder?
Wenn ein entsprechendes Angebot reinkommt, klar.

Wie seid ihr mit den Verantwortlichen für die Filme in Kontakt getreten, für die ihr schon Soundtracks gemacht habt?
Sind wir nicht, sie sind mit uns in Kontakt getreten. Vielleicht gäbe es da auch mal wieder Gelegenheiten, aber ich bin sehr schlecht darin, mich entsprechend zu verkaufen. Es gibt wirklich viele Leute, die es besser draufhaben, rumzuhuren. Leider sind die meisten Leute im Business halt schlicht und ergreifend Prostituierte.

Wir es von dir nie Poster im Metal Hammer geben?
Vermutlich nicht, weil ich diese komische Kleidung nicht tragen werde. Sowas repräsentiert zu sehr den Show- und Poser-Aspekt des Business, den ich überhaupt nicht mögen und respektieren kann.

Wie hat dann die Metal-Welt, im speziellen die Presse, eure Nicht-Metal-Alben immer aufgefasst?
Inzwischen eigentlich ziemlich gut. Aber als wir 1998 das Blake-Album gemacht haben, waren Century Media ziemlich vor den Kopf gestoßen, weshalb ich die Scheibe zurück und mich aus dem Vertrag gekauft habe. Aber Blake ist bis heute unser kommerziell erfolgreichstes Album, und es wurde Album des Monats, hat in ganz Deutschland 10/10 und 15/15 bekommen. Century Media müssen da ziemlich baff gewesen sein, wie es gelaufen ist. Im Endeffekt war das aber wieder nur ein Beweis, dass die Leute was neues wollen, die sind übersättigt von diesen ganzen Trotteln in Wikinger-Kostümen.

Ihr habt ja, wie du vorher schon erwähnt hast, auch in der norwegischen Nationaloper gespielt. Wie kam es denn bitte dazu?
Wieder eine glückliche Folge vom Umständen, die dazu geführt hat, dass wir da auftreten konnten, da kann ich weiter gar nichts dazu sagen.

Und was für ein Gefühl war es dann, da zu spielen?
Ein sehr stolzer Moment auf jeden Fall.

Plant ihr, auch in Zukunft so viel live zu spielen wie jetzt, oder kann sich das auch schnell wieder legen?
Die Leute sollten auf keinen Fall davon ausgehen, dass wir jetzt zu einer dieser Bands werden, die jedes Jahr tourt. Wie ich schon sagte, in dieser Band gibt es Ambivalenzen, auch zu Konzerten gibt es einen „Ja“- und einen „Nein“-Aspekt. In letzter Zeit war es so, dass der „Ja“-Aspekt deutlich überwogen hat, aber gerade habe ich das Gefühl, dass es etwas zu viel wird. Deshalb kann es sehr gut sein, dass wir nächstes Jahr gar nicht touren. Die Idee, Europa non-stop zu bereisen, ist mir jedenfalls unangenehm.

Wird das live-spielen eure Musik beeinflussen?
Auf diesem Album auf jeden Fall, wer weiß, wie es auf dem nächsten aussieht.

Zuletzt eine Frage, die nichts mit der Band zu tun hat: Was denkst du über das weltpolitisch aktuell brisanteste Thema, die arabische Revolution?
Wieder Ambivalenz. Wahrscheinlich ist es eine gute Sache, aber eine Menge Scheiße ist passiert und wird noch passieren, um das zu ermöglichen. Es ist nicht einfach, dazu einen klaren Standpunkt zu entwickeln.

Dann wären wir durch soweit, vielen Dank dir nochmal, man sieht sich dann später bei der Show

Publiziert am von Marius Mutz

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