Festivalbericht: Bavarian Battle Winter 2011

15.01.2011 Rosenheim, Lokschuppen

Der Bavarian Battle Events e.V. hat sich in Bayern mittlerweile als feste Instanz bezüglich Konzertorganisationen etabliert – findet das Bavarian Battle Festival Rosenheim heute doch bereits zum zehnten Mal in sechs Jahren in statt.
Dass sich dies mittlerweile auch herumgesprochen zu haben scheint, beweist der enorme Zuschauerandrang: Nachdem bereits die Hälfte der Tickets im Vorverkauf über den Ladentisch gegangen waren, ist bereits um 17:45 quasi kein Reinkommen mehr ohne Ticketreservierung – für viele angereiste Fans eine herbe Enttäuschung, müssen sie doch vor der Halle ausharren und hoffen, doch noch eingelassen zu werden, oder aber bereits jetzt den Heimweg antreten. Sicherlich, mit einem solchen Ansturm mögen die Veranstalter nicht gerechnet haben, und ein Sold out bei dem Billing ist eigentlich auch kein Wunder – dass man aber 150 Leute heimschicken muss, die größtenteils von weiter her kamen, da sich die Rosenheimer ihre Tickets am Vorverkauf in Rosenheim holen konnten kann natürlich auch nicht als „fantastisch gelaufen“ bewertet werden.Ob dieser misslichen Umstände und der Tatsache, dass Reservierungen offensichtlich langsamer zu kontrollieren sind als normale Tickets, zieht sich der Einlass darüber hinaus über mehr als eine Stunde hin – so dass , als THORNGOTH beginnen, die Schlange vor der Tür immer noch an die 20m lang ist…

Daran kann es jedoch eigentlich nicht liegen, dass das, was folgt, eher enttäuschend ist: Obwohl die Halle schon recht gut gefüllt ist, will der Funke einfach nicht auf das Publikum überspringen – was eventuell daran liegen könnte, dass THORNGOTH auf der Bühne auch eher ein Streichholz denn ein Feuerwerk entzünden:
So aggressiv, bitterböse und Seitens der Fans dafür euphorisch gefeiert ich den letzten THORNGOTH-Auftritt in München als Support von Todtgelichter in Erinnerung habe, so unspektakulär ist, was hier über die Bühne geht. Die Tölzer, die mit drei Alben in der Hinterhand vollkommen unnachvollziehbarer Weise als Opener vor Odem Arcarum (zwei Alben) und Thulcandra (ein Album) auf die Bretter geschickt wurden, scheinen mit ihrer Situation nicht ganz glücklich und beschränken sich auf das nötigste an Engagement, das es braucht, um nicht einzuschlafen. Das Publikum tut es ihnen gleich und so ist der Applaus wie auch die Fanreaktion während der Songs eher bescheiden.
Sicherlich, THORNGOTH waren noch nie für ihr stürmisches Auftreten bekannt, und es gehören mit Fans und Band immer zwei Parteien dazu, einen Auftritt zu einem guten Auftritt zu machen. Dass die Band sich jedoch von einem unmotivierten Publikum herunterziehen lässt, anstatt erst recht Gas zu geben, um dieses umzustimmen, ist schlicht und ergreifend der falsche Weg. So begeistert ich vom aktuellen Album, „Leere“, auch bin, und so sehr mich THORNGOTH beim letzten Mal live mitreißen konnten – der Auftritt heute war alles in allem leider allerhöchstens Mittelmaß.

Setlist THORNGOTH:
01. Leere I
02. Leere II
03. Leere III
04. Leere IV
05. Schiachperchten
06. Leere VI
07. Leere VIII

Mit ODEM ARCARUM geht es nach 20 Minuten Umbau pünktlich um 19:00 weiter – und auch den Rest des Abends wird der Zeitplan auf die Minute genau eingehalten: Zumindest hierfür muss man den Veranstaltern ein Lob aussprechen.
Wie schon bei Thorngoth ist auch hier der Sound wirklich mächtig – was der Münchner Avantgarde-Formation, deren Sännger Ar mittlerweile auch als Gitarrist von Secrets Of The Moon und KEyboarder bei Dordeduh bekannt ist, sehr entgegenkommt… krankte doch der letzte Auftritt, den ich von der Truppe gesehen hatte, genau an diesem Punkt.

In glasklarem Soundgewand jedoch weiß die Musik der Band, die trotz 17 Jahren Bandgeschichte eigentlich erst seit dem 2010 veröffentlichten Meisterwerk „Outrageous Reverie Above The Erosion Of Barren Earth“ über die Grenzen des lokalen Underground hinweg bekannt ist, voll und ganz zu überzeugen: Die durch stimmige Soundsamples verbundenen Songs fügen sich nahtlos zu einem großen Ganzen zusammen, das an atmosphärischer Dichte kaum zu überbieten ist. Für diese anspruchsvolle Darbietung scheint die Zuhörerschaft jedoch nur begrenzt bereit zu sein – bleibt die Reaktion des Publikums, das, wie sich im folgenden zeigen wird, offenbar eher wegen Thulcandra gekommen ist, doch deutlich hinter der für diese Darbietung verdienten Euphorie zurück. Nach in meinen Augen wirklich beeindruckenden 40 Minuten ist auch hier wieder Schluss und ODEM ARCARUM verlassen mit allem Recht der Welt sichtlich zufrieden die Bühne – war diese Show doch nichts weniger als schlichtweg beeindruckend!

(Moritz Grütz)

Setlist ODEM ARCARUM:
— Intro
01. Oceans
02. Worlds Of The Barren Lands
03. Nomads
04. The Body and Perpetual Imagination

Um 20.00 Uhr folgen dann mit THULCANDRA die Shooting Stars des Abends, die, obwohl auch Dark Fortress und gerade Odem Arcarum durch weitere Tätigkeiten ihrer Mitglieder sicher an Hörern gewonnen haben, wohl der größte Hype umgibt – wenig verwunderlich, denn mit 2x Helfahrt, 1x Obscura und 1x Dark Fortress gibt es für den geneigten Hörer natürlich auch eine Menge Gründe, die Band cool zu finden. Dementsprechend stört sich auch niemand am Konzept der Dissection-Tributband (das natürlich auch nicht grundsätzlich verurteilt werden sollte), im Gegenteil erfährt THULCANDRA als erste Band des Abends massiven Zuspruch, der dann auch annähernd dem Enthusiasmus entspricht, der später Dark Fortress entgegengebracht wird. Im Gegensatz zur Show auf dem Helion-Festival zeigt die Band diesmal allerdings auch, dass die Männer mit den Saiteninstrumenten nicht nur zur Zierde auf der Bühne stehen, heute pendelt sich der Sound nach den ersten Songs auf ein ordentliches Klangbild ein. Gute Bedingungen also, um die Songs des einzigen Albums „Fallen Angel’s Dominion“ auf das Publikum loszulassen, was im Folgenden auch 40 Minuten lang durchgeführt wird. Interessant wirkt dabei das Konzept, bei mindestens jedem zweiten Song zu betonen, dass er vom Debutalbum stammt – zwar ein durchaus wissenswerter Fakt, der bei genauerer Betrachtung aber doch nur minder überrascht.
Ist dieser Umstand aber noch amüsant, krankt es an diesem Abend für THULCANDRA an einem anderen Punkt. Über die Notwendigkeit von Stimmgeräten auf einer Bühne kann sicher gestritten werden, doch sie offenbaren ihren Sinn und Zweck spätestens dann, wenn die eine Gitarre nicht mehr zur anderen passt und dies durch das Gehör alleine offenbar nicht mehr behoben werden kann. So kann man THULCANDRA bezüglich dessen, was sie auf ihren Instrumenten spielen, keinen Vorwurf machen, dass die Jungs technisch fit sind bezweifelt wohl auch niemand, das, was im Endeffekt aber aus den Boxen kommt, ist nicht ganz das, was man unter „sauber“ versteht. Das Publikum merkt es aber nicht – oder stört sich zumindest nicht daran – und feiert stattdessen einhellig alle Nummern, inklusive des schon gar nicht mehr als einziges offizielles Dissection-Cover angekündigten „The Somberlain“.

Bei SEAR BLISS sieht alles ein wenig anders aus, von der Herkunft über Optik bis hin zum musikalischen Ansatz sind die fünf Herren Exoten. Auch in Sachen Auftrittsdichte in Deutschland erreicht keine andere Band an diesem Abend auch nur im Ansatz einen derart verschwindend geringen Wert wie die Jungs aus Ungarn. Und trotz des extrem guten Rufs, der der Band eigentlich vorauseilt, wird die Truppe vergleichsweise eher verhalten willkommen geheißen, als sie die Bühne betritt. Das schadet aber nichts, denn wiederum anders als die anderen Protagonisten dieses Abends erspielen sich SEAR BLISS den Applaus durch die Qualität ihrer Songs (Dark Fortress werden sowieso von der ersten Sekunde an gefeiert, Odem Arcarum gar nicht). Die gebotene Basis an Black Metal präsentiert sich dabei äußerst wuchtig, ohne sich etwa an schwedischen Black Metal anzubiedern und zudem relativ unkonventionell umgesetzt, sodass im rasenden Sound auch der Bass und das Schlagzeug oft für markante Passagen verantwortlich sind. Eröffnet sich bereits hier kein Grund für Kritik, ist die eigentliche Faszination, die SEAR BLISS auf den Durchschnittshörer ausübt, sicherlich der regelmäßige Einsatz einer Trompete in den Songs. Dabei wären die Melodien, mit welchen das Blasinstrument über dem Gitarreninferno die musikalische Führung übernimmt, auf der Gitarre dargeboten vermutlich eher unspektakulär. Durch die Majestät aber, mit der die Trompete durch ihren Klang über der Begleitung thront, reichen auch wenigste Töne um dem Sound eine Komponente einzuhauchen, die wenn schon nicht Begeisterung doch in jedem Fall Faszination auslösen. Das Publikum beweist hier dann auch, dass Qualität eben auch belohnt wird und bejubelt SEAR BLISS im Laufe der Show immer frenetischer. Spätestens als eine durch gerissene Saiten entstandene Peinlichkeitspause durch ein lautstark gefordertes, spontan performtes Schlagzeugsolo gefüllt wird, haben die Ungarn alle Sympathien auf ihrer Seite. Durch die Zugaberufe, die nach dem letzten Song nicht abreißen wollen, darf die Band dann trotz der Verzögerung auch noch ihr Set regulär zu Ende spielen, was den Veranstaltern durchaus eine Pluspunkt einbringt, obwohl für genau so etwas die großzügig veranschlagten Umbaupausen wohl auch eingeplant sind.

(Marius Mutz)

Setlist SEAR BLISS:
01. The Venomous Grace
02. Thorns Of Deception
03. Far Above The Trees
04. Hell Within
05. Birth Of Eternity
06. Beyond The Darkness
07. A Deathly Illusion
08. Two Worlds Collide

09. 1100 Years Ago

Trotz der durch die technischen Probleme von Sear Bliss hevorgerufene Verzögerung beginnen auch die heutigen Headliner DARK FORTRESS ihren Gig auf die Minute pünktlich um 22:30.Nach dem für meinen Geschmack etwas langen Intro „Sycamore Trees“ geht es mit „The Valley“ vom aktuellen Album „Ylem“ gleich zackig los.
Etwas irritierend ist lediglich das Bühnen-Nutzungskonzept, verhinter doch das seitlich vor dem Drumpodest stehende Keyboard jegliche Bewegung von Gitarrist V. Santura und engt auch Moreans Bewegungsspielraum merklich ein. Da an Keyboarder Paymon jedoch ein Schauspieler verloren gegangen ist, ist diese Tatsache leicht zu verschmerzen, bietet dieser dafür doch eine wirklich authentische und vor allem unterhaltsame Zombie-Performance, die der Atmosphäre mehr als zuträglich ist.

Weniger zuträglich hingegen ist (leider immernoch) Moreans Auftreten.
Ob der Tatsache, dass mittlerweile wohl der Großteil der Konzertbesucher eines DARK FORTRESS-Auftritts die Band nie mit einem anderen Sänger gesehen hat, wäre es langsam auch an der Zeit, aufzuhören, Azathoth hinterherzuheulen – zumal man Morean technisch gesehen auch wirklich nicht an den Karren pissen kann… allein sein Bühnenoutfit lässt mich seinen Vorgänger ein ums andere Mal schmerzlich vermissen. Denn wo Azathoth mit seinem Bühnegewand den morbiden, hässlichen Black Metal-Stil pflegte und der Band so etwas verwegen-düsteres gab, wirkt das Bühnenkostüm (und ja: man kann es nicht anders nennen) des eh schon knabenhaften Morean völlig fehl am Platz: Das „stylische“ Leder-Fetzen-Oberteil über einem hautengen Totenkopfhemd, das der neuesten H&M-Kollektion entstammen könnte ergibt in Verbindung mit den Plateausohlen-Stiefeln ein Bild, das man trotz des Corpsepaints eher auf dem Laufsteg einer Pariser Modeschau erwartet, denn bei einem Black Metal-Konzert – die rosafarbene Federboa als perfektionierendes Accessoire kann man sich ohne weiteres dazudenken.
So nimmt man dem schönen Jüngling den bösen Black Metaller schlicht und ergreifend nicht ansatzweise ab, was insofern schade ist, als dass DARK FORTRESS gerade diesbezüglich füher wirklich vorbildlich waren. Man mag es als Nebensächlichkeit werten – für die Stimmung und damit die Wirkung der Musik sind auch solche scheinbar kleinen Details ausschlaggebend – verlieren die wirklich mächtigen Songs der Landshuter dadurch doch völlig überflüssigerweise an Authentizität und damit Glaubwürdigkeit.
Musikalisch jedoch ist das, was die Band darbietet, schlichtweg umwerfend: Technisch auf ganz hohem Niveau präsentiert man eine ausgewogen zusammengestellte Setlist, welche quer durch die Banddiskographie Höhepunkt an Höhepunkt reiht.
Zwar überrascht es ein wenig, dass es nur drei Songs vom aktuellen Album in die Setlist geschafft haben – bei der Auswahl der stattdessen dargebotenen Songs jedoch freut man sich darüber fast: So finden „Ghastly Indoctrination“ vom Meisterwerk „Seance“ und “ Like A Somnambulist In Daylight’s Fire“ („Stab Wounds“) genauso ihren Platz in der Setlist wie „Pilgrim of the Nightly Spheres“ vom Debütalbum „Tales From Eternal Dusk“ oder „The Silver Gate“ vom vorletzten Album „Eidolon“. Spätestens beim vorerst finalen „CataWomb“ brechen alle Dämme und das Publikum feiert DARK FORTRESS vorbehaltslos ab – und das völlig zu recht: Denn auch, wenn die Band den Song schon mal lupenreiner dargeboten hat, gehört das Stück ohne Frage mit zum besten, was der deutsche Black Metal je hervorgebracht hat.
Dass das Publikum die Zugabe nurnoch mäßig engagiert fordert, schreibe ich an dieser Stelle schlicht der Erschöpfung nach fast sechs Stunden Konzert zu – und auch DARK FORTRESS nehmen es der Rosenheimer Hörerschaft nicht krumm: Mit dem „Eidolon“-Doppel „Cohorror“ und „Baphomet“ machen sie schließlich den Deckel auf eine alles in allem wirklich gelungene Show, die die Enttäuschung, die der Auftritt in München als Support von Satyricon hinterlassen hatte, mehr als nur wettzumachen vermag.

(Moritz Grütz)

Setlist DARK FORTRESS:
— Sycamore Trees (Intro)
01. The Valley
02. Ghastly Indoctrination
03. Self Mutilation
04. Osiris
05. Like A Somnambulist In Daylight’s Fire
06. Ylem
07. The Silver Gate
08. When 1000 Crypts Awake
09. Pilgrim of the Nightly Spheres
10. CataWomb

11. Cohorror
12. Baphomet

Die Bilanz des Abends lässt sich insgesamt doch sehen: Bei fünf Bands wussten drei voll zu überzeugen, was bei einem Ticketpreis von 12 Euro wohl durchaus in Ordnung geht. Und insgesamt ist man dann auch zufrieden mit der Veranstaltung, aber, und das macht man sich leider im Allgemeinen viel zu selten bewusst, eben keinesfalls aufgrund der Organisation, sondern weil die Bands eine gute Performance ablieferten. Insgesamt lieferten die Veranstalter nämlich neben der Einlassproblematik einige andere Aktionen, die man zumindest als seltsam bezeichnen dürfen wird. So habe ich immer noch nicht ganz durchgeblickt, was genau man sich dabei dachte, nach jeder Band in bester Jugendzentrum-Manier auf die Bühne zu kommen um nochmal Applaus für die jeweilige Truppe zu fordern – wenn das Publikum findet, einen Auftritt genug beklatscht zu haben, dann ist das eben der Stand der Dinge, der durch erzwungenen Zuspruch einfach auch nicht aufgewertet wird. Ähnlich fragwürdig war die Platzierung des Merchandise-Standes, der im schmalen Flur zwischen Konzerthalle und Eingangstür ein halbwegs bequemes Durchkommen annähernd unmöglich machte. Die angebotenen Artikel waren dabei unspektakulär, aber durchaus in Ordnung und bezogen sich beinahe ausschließlich auf das Festival und die auftretenden Bands. Einzig ein kleiner Karton mit CDs anderer Künstler, sowie ein Album, in dem man übergroße Logo-Patches begutachten konnte, wichen davon ab. Hier bot sich dann auch der witzigste, weil irrsinnigste Schnitzer der Verantwortlichen, zudem man durchaus gratulieren muss: Bei völlig nichtigem „Metal-Markt“, den man sich vermutlich sowieso hätten sparen können, ließ man es sich nicht nehmen, in diesem Album mit übergroßen Patches auf Seite eins einen Graveland-Aufnäher zu präsentieren. Cool!
Hier dürfte der Veranstalter das nächste Mal gerne etwas sorgsamer prüfen, was am gleichen Tisch wie die Festival-Shirts verkauft wird – sollte dies bei einem externen Merchandise-Anbieter doch im Rahmen des Möglichen liegen.
Grundsätzlich kann man das Bavarian Battle Winter 2010-Festival jedoch durchaus als gelungen werten, gab es doch bei den Konzerten keinen einzigen Totalausfall, dafür aber einige wirklich beeindruckende Momente – und am Ende ist es ja die Musik, um die es geht.

Konzertfotos von: Moritz Grütz

Publiziert am von Marius Mutz und

Fotos von: Moritz Grütz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert