Konzertbericht: Deathchant w/ Hidas

04.06.2024 München, Feierwerk (Kranhalle)

Underground ist ein hartes Geschäft. Das müssen auch die US-Amerikaner DEATHCHANT auf ihrer aktuellen Konzertreise in Europa lernen: Während der gut ausgeräuberte Merch darauf schließen lässt, dass die Tour durchaus auch erfolgreiche Stationen hatte, finden sich heute nur rund 40 zahlende Gäste im Feierwerk ein, um an diesem Dienstagabend dem Hard Rock und Doom zu frönen.

HIDAS 2024 in MünchenEntsprechend wenig kann das Publikum bei HIDAS zur Atmosphäre beitragen. Das macht zum Glück insofern wenig, als die Show der Münchner gar keine Interaktionen mit dem Publikum vorsieht: Stoisch wuchtet das Trio Riff um Riff seines sludgeigen Stoner/Doom Metals aus den Boxen. Das hat seinen Charme und sorgt bei den Anwesenden schnell für wohlwollendes Kopfnicken. So ganz begründet die Musik aber nicht, warum die Band auf Gesang gänzlich verzichtet. Egal, ob Heavy-Vocals, Screams oder Growls: Etwas Stimme würde den Songs definitiv guttun. So hingegen verschwimmen die Stücke schnell zu einer sehr homogenen, aber leider auch etwas zähen Masse. Das ist schade – denn schlecht sind die Songs wie auch deren Darbietung keinesfalls.

DEATHCHANT 2024 in MünchenIn quasi allen Aspekten gänzlich anders sieht es dann bei DEATHCHANT aus: Die Truppe kommt zwar aus Los Angeles, Kalifornien – mit ihren Tattoos, den Lederwesten und den langen Haaren wirken sie jedoch eher, als wären sie aus dem Trailerpark mit der Harley zum Flughafen gecruist. Dieser Hillibilly-Eindruck wird durch die Videos, die DEATHCHANT über die Leinwand flimmern lassen, noch unterstrichen: Zu sehen sind Biker und Cops, psychedelische Farben und immer wieder Videos von Reptilienmessen – wohlgemerkt keinen Verkaufsbörsen, sondern Gottesdiensten, bei denen mit Giftschlangen hantiert wird, eine Praxis die als „Serpent Handling“ bezeichnet und nur noch in wenigen pfingstkirchlichen Gemeinden in West Virginia betrieben wird.

DEATHCHANT 2024 in MünchenWas DEATHCHANT damit zum Ausdruck bringen wollen, bleibt etwas nebulös – vor der bizarren Szenerie liefert das Quartett jedenfalls eine mehr als amtliche Rock-Show ab: Von der geringen Besucherzahl herzlich wenig beeindruckt, spielt die Truppe um den singenden Gitarristen T. J. Lemieux mit ordentlich Energie und Dezibel ihren teils sludgeigen, teils doomigen Rock. Auffällig ist dabei, wie gut die Musiker aufeinander eingespielt sind: Immer wieder zögert Lemieux einen Einstieg oder Songanfang unerwartet lang hinaus – ein kurzer Blickkontakt zwischen den Bandmitgliedern reicht jedoch stets aus, um dann doch alle auf einen Schlag losbrettern zu lassen.

DEATHCHANT 2024 in MünchenDie Dynamik, die diese Spontaneität einerseits, der perfekte Groove andererseits den Songs verleihen, bleibt nicht ohne Effekt: Obschon die Besucher in der Kranhalle sehr licht stehen, gehen einige Fans voll mit – und zwischen den Songs bekommen DEATHCHANT fast schon euphorischen Jubel zu hören. Das steigert sich nach dem eigentlich finalen Track nochmals, sodass DEATHCHANT kurz darauf nochmal zurückkommen und ihr 60-Minuten-Set (nach einem kurzen Geburtstatgsständchen, für wen, bleibt leider unklar) noch um einen weiteren Track und damit rund zehn Minuten verlängern.

DEATHCHANT 2024 in MünchenSo richtig neu und innovativ ist an Songmaterial und Performance natürlich nichts – und doch hat man, nicht zuletzt beim Blick ins Publikum, das Gefühl, dass DEATHCHANT die Sache bei allen Reminiszenzen an den guten, alten Rock ’n‘ Roll mit einem modernen Ansatz angehen: Der rohe Vibe, der in den Songs mitschwingt, lässt eher an Bands aus dem Post-(Sludge-)Metal wie die Doomriders als an klassische Rockbands denken – kein Wunder also, dass sich auch im Publikum beinharte Stoner-Rocker mit Hipstern und hippen Post-Metallern mischen. Wenn aus allen Lagern noch ein paar mehr gekommen wären, hätte diese Show das Potenzial für einen ordentlichen Abriss gehabt – so ist es eben „nur“ eine sehr gute Underground-Show.

DEATHCHANT 2024 in München
DEATHCHANT 2024 in München

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