Review Agalloch – The White + The Grey (Compilation)

(Neofolk / Ambient / Drone) Bereits auf ihrem Debüt „Pale Folklore“ (1999) hatten AGALLOCH einen unverkennbaren Stil entwickelt. Obwohl ihre einzigartige Kombination aus Black Metal, Doom Metal, Post-Rock und Folk den Amerikanern ihre gesamte Laufbahn hindurch mehr als genug kreativen Spielraum bot, ließen sie es sich nicht nehmen, mit ihrer Musik zu experimentieren. So setzte sich „The Grey“ (2004) aus sperrigen Drone-Interpretationen zweier Instrumental-Tracks von „The Mantle“ (2002) zusammen. Auf „The White“ (2008) wandten AGALLOCH sich hingegen dem Neofolk zu. Nachdem die zwei vergriffenen EPs 2011 schon einmal unter dem Titel „Whitedivisiongrey“ gemeinsam veröffentlicht wurden, ist über Eisenwald inzwischen eine weitere Compilation der beiden Kurzalben mit jeweils einem Bonustrack erschienen.

Während die EP von anderen Bands oft bloß als belangloser Lückenfüller zwischen zwei Alben eingesetzt wird, nimmt „The White“ in der Diskographie von AGALLOCH eine Schlüsselrolle ein. Hiermit bewies die Band, dass sie auch abseits des Metal-Genres zu Großem imstande war. In den relativ kurzen Stücken steht die luftige, melancholische Akustikgitarre ganz und gar im Vordergrund („The Isle Of Summer“), John Haughms trübsinniger Gesang und die organische Perkussion kommen lediglich ergänzend zum Einsatz. Besonders interessant wird die EP durch die in diese solide Basis eingearbeiteten Zusätze.

So lassen AGALLOCH auf „Birch Black“ ihre Post-Metal-Einflüsse in Form von langgezogenen Gitarrenleads durchscheinen, „Hollow Stone“ fasziniert mit seinen stimmungsvollen Ambient-Klangflächen und das Akkordeon auf „Birch White“ verleiht dem Track einen urigen Charakter. „Summerisle – Reprise“ berührt hingegen durch Don Andersons gefühlvolles Klavierspiel und zwischendurch hört man immer wieder stimmige Natursamples und Spoken-Word-Ausschnitte aus dem in Neofolk-Kreisen beliebten Filmklassiker „The Wicker Man“ (1973). Die Liste fantastischer Einfälle, die AGALLOCH hier verarbeitet haben, ist trotz der kurzen Laufzeit von einer guten halben Stunde nahezu endlos.

Selbiges lässt sich von „The Grey“ leider nicht behaupten. Die über 13 Minuten lange „Dismantled“-Version des im Original kaum 5 Minuten langen „The Lodge“ verliert mit ihren gefühlt endlos wiederholten, hochtönigen Gitarrenmelodien furchtbar schnell ihren Reiz und endet mit einem viel zu langen, ausdruckslos krachenden Noise-Part. „Odal (Nothing Remix)“ zerrt mit seiner tief dröhnenden, teils metallenen Geräuschkulisse zwar nicht gar so sehr an den Nerven wie der erste Track, der Sinn dieser kryptischen Neuinterpretation erschließt sich aber ebenso wenig. Von der mitreißenden Komposition des Originals ist hierin jedenfalls nichts mehr zu erkennen.

Wie sehr sich die beiden EPs in ihrer Stilsicherheit unterscheiden, lässt sich anhand der für die Compilation ausgewählten Bonustracks verdeutlichen: „Where Shade Once Was“ fügt sich mit seinem herzergreifend schwermütigen Cellospiel nahtlos in die Tracklist von „The White“ ein und bereichert diese zugleich auf eigenständige Weise. Mit der quirligen Techno-Nummer „ShadowDub“ irritieren AGALLOCH hingegen ebenso sehr wie mit dem Rest von „The Grey“. Für Fans, die ihre Sammlung bislang noch nicht vervollständigen konnten, ist der Release dennoch zu empfehlen. Während AGALLOCH mit „The White“ ein herausragendes Stück Neofolk kreiert haben, ist „The Grey“ als fehlgeschlagenes Experiment zumindest ein interessantes Zeitdokument, das den künstlerischen Wagemut der Band belegt.

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Publiziert am von Stephan Rajchl

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