Review Autumn – Altitude

Neue Stimme – neues Glück. Das könnte das wenig aussagekräftige Motto der niederländischen Gotiker AUTUMN sein, die im letzten Jahr nach fast einer Dekade den Ausstieg ihrer Frontfrau Nienke de Jong verkraften mussten. Marjan Welman heißt die neue und nach allem, was man so über die Holländer so hört, ist das Erbe ein schweres. Vorteil für mich, „Altitude“ ist mein Erstkontakt, so gehe ich völlig frei von Vorbelastungen an das mittlerweile vierte Album der Band ran.

Wenn man sich fragt, womit man beginnen soll, wählt man im Zweifelsfall doch einfach den Anfang. Das hat bei „Altitude“ einen guten Grund, denn der Opener „Paradise Nox“ rockt gleich mal ordentlich nach vorne, symphonische Keyboards, treibenden Rhythmen und eine schnörkellose Gitarrenarbeit wissen erstens zu Gefallen und zweitens machen sie Lust auf mehr. Der Refrain hält das Tempo hoch und hat obendrein eine recht eingängige Melodie zu bieten. Alles in allem eine sehr verheißungsvoller Start, wenngleich man schon sagen muss, dass hier wirklich jede Erwartung an einen (Eröffnungs-) Song einer symphonischen Gothic-Metal-Band mit Frauengesang erfüllt wird. Im Stile von „Paradise Nox“ hat man zwar schon hunderte Lieder gehört, andererseits sollte man nicht zu hart sein, das Lied ist dennoch gut, nur einfach etwas vorhersehbar.

Wer ahnt denn jetzt, wie es weitergeht? Ich denke, dass der Hinweis im zweiten Abschnitt schon befürchten ließ, was auch tatsächlich eintrifft. Nach „Paradise Nox“ kommt soviel Gutes gar nicht mehr. Die Dreiviertelstunde vergeht und man fragt sich, was man in den letzten 45 Minuten eigentlich gemacht bzw. gehört hat. Nur sehr selten horcht man noch mal auf, fast durchgehend versinken die Songs in einem ziemlich grauen Mittelmaß, was um so trauriger ist, da die Band sich wirklich redliche Mühe gibt, festgefahrene Schemata aufzubrechen. Das geht los bei den ambtionierten Texten, die nicht viel mit gängigem Gothic zu tun haben, sondern neue Tiefen ausloten. Weiterhin überzeugen die Songstrukturen, die zwar einige Strophe-Refrain-Abfolgen aufweisen, insgesamt aber durchaus in differenzierte Richtungen gehen. Ein wenig ahne und vor allem befürchte ich, dass sich AUTUMN damit selber einen Strick gedreht haben, möglicherweise verhindern diese Umstände auch, dass sich die Songs mal etwas zügiger im Ohr festsetzen. Paradebeispiel dafür ist die wunderbare Halbballade „Synchro-Minds“, die auf jeden Fall noch eine Erwähnung verdient hat, darf man beim auschen dieser Nummer doch gerne mal mit einer Träne im Augenwinkel an die Ex-Freundin zurückdenken. Leider dauert es um die 5-10 Durchläufe, bis dieser, im Kontext der CD sogar als kommerziell einzuordnende, Song sein Potential entfaltet. Gut möglich, dass man nach dem 25. Kompletthören das ganze Album zu einer Mitsingnummer wird, aber wenn man sich der Folter nicht zu schade ist, würde das wahrscheinlich auch bei DJ Ötzi und Co so sein.

Beenden wir den Einkaufsbummel im niederländischen Warenhaus „Gothic“ und schreiten zur Kasse. Eingebongt werden zwei sehr gute Lieder und neunmal durchschnittlicher Durchschnitt, der zwar will, aber irgendwie nicht so recht kann. Gesetzt den Fall, dass die musikalische Ausrichtung sich im Gegensatz zu den älteren Alben mit der neuen Sängerin nicht um 180 ° geändert hat, dürfte „Altitude“ für Fans, die sich auch mit der neuen Frontmieze identifizieren können, auf jeden Fall empfehlenswert sein. Alle anderen nutzen die Möglichkeiten im Netz und hören mal Probe.

Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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