Review Borknagar – Empiricism

Liegt es an der türkisen Grundfarbe, den üblen Poserbildern oder der Latex/Leder-Gewandung der Musiker, dass diese CD bisher nicht besprochen wurde? Ich kann es mir nicht erklären, immerhin hat sie schon fünf Jahre auf dem Buckel und bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt.

Für den mittlerweile fünften Output hat sich Mastermind Øystein G. Brun eine ganze Reihe hochklassiger Musikern ins Boot geholt. Allen voran ist die Besetzung von Vintersorg als Sänger, der den zu Dimmu Borgir abgewanderten Simen Hestnaes ersetzt, ein absoluter Geniestreich. Seine sehr eigenständige und variable Stimme fügt sich wunderbar in das Klangbild von Borknagar ein. Aber auch Tyr (Ex-Emperor) am Bass und Asgeir Mickelson an den Drums verleihen der Musik ihre ganz eigene Note. Der Drumsound ist zwar sehr dünn ausgefallen, trotzdem schafft Mickelson es immer wieder die progressive Grundausrichtung nochmals zu betonen.

Die Musik an sich zu beschreiben ist kein leichtes. Wer Vintersorg kennt, hat vielleicht einen ganz guten Ausgangspunkt, auch wenn die musikalische Ausrichtung von Borknagar viel weniger vom Folk-Metal beeinflusst ist. Gleich zu Beginn legt man erstmal mit einer Black-Metal Attacke los um aufzuzeigen, dass man sich immer noch diesem Genre verbunden fühlt. Doch schon der sehr epische Mittelteil macht deutlich, dass die Musik von Borknagar weitaus mehr zu bieten hat. Immer wieder kommen ganz ruhige Teile mit verspielten Melodien vor, Hammondorgelteile wechseln sich mit Blast-Beat-Passagen ab und über alledem thront die Stimme von Vintersorg. Mal fies keifend, mal ganz ruhig und klar singend. Das Ganze nicht nur hintereinander sondern auch gern mal parallel oder in schnellem Wechsel. Mit Black-Metal hat das oft absolut nichts mehr zu tun.
Erhaben, archaisch und episch sind vielleicht die besten Adjektive um die Musik treffend zu beschreiben. Die Strukturen der einzelnen Lieder sind so komplex gehalten, dass ich das Album nach wie vor sehr gerne höre und sich keinerlei Abnutzerscheinungen (außer denen am Digipack) bemerkbar machen. Hier ist dem Sextett wahrlich Großes geglückt. Man hat während der Gesamtspielzeit von 50 Minuten das Gefühl sich auf einer musikalischen Achterbahnfahrt zu befinden, was auch recht zum Konzept der Platte passt. „Empiricism“ soll eine Vertonung der Landschaft Skandinaviens darstellen und dies gelingt auch eindrucksvoll. Schroffen Klanggebirge („The Black Canvas“) bauen sich vor dem inneren Auge auf und treffen auf liebliche grüne Täler und endlose Weiten wie z.B. im letzten Track „The View Of Everlast“ der schon fast Balladencharakter hat und von einer unheimlich schwermütigen Atmosphäre getragen wird.

Aufgrund der relativ kurzen Spielzeit der einzelnen Lieder (lediglich „Soul Sphere“ überschreitet die 6 Minuten) ist das Album trotz der recht anspruchsvollen Kost, überraschend leicht zugänglich, auch wenn der ein oder andre Teil erst nach mehreren Durchläufen seine volle Schönheit entfaltet.

Borknagar bauen mit diesem Album ihren Stand im Progressiven Black-Metal erheblich aus und haben mit Vintersorg endlich auch den passenden Sänger für ihre sehr eigene Musik gefunden. Lediglich die Produktion lässt noch Wünsche offen, da der Drumsound wie bereits erwähnt um Weiten zu dünn ausgefallen ist und die Musik an sich sehr glatt gebügelt wirkt. Wenn diese Punkte noch vermieden worden wären, hätte das Intro zu „Gods Of My World“ – welches mich übrigens bisher auf nahezu jede Klausur an der Uni eingestimmt hat – sinnbildlich für das komplette Album stehen können: „All Gods are great, I am the greatest…“

Borknagar gehen sehr selbstbewusst ans Werk, zu Recht!

Wertung: 9 / 10

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