Review Borknagar – The Olden Domain

Ich würde zwar nicht sagen wollen, dass die Metal-Welt im Jahre 1996 in ihren Grundfesten erschüttert wurde, als die Mannen um Mastermind und Multiinstrumentalist Øystein G. Brun ihren Zweitling „The Olden Domain“ auf den Markt warfen, ein gewisses Aufsehen erregte die Scheibe jedoch gleichwohl. Nach nunmehr zehn ins Land gegangenen Jahren muss man konstatieren, dass die CD als eines der ganz großen Meisterwerke des Genres zu bezeichnen ist.

Die Tatsache, dass BORKNAGAR auch außerhalb der Szene zu einer festen Institution geworden sind, haben sie nicht zuletzt zwei Dingen zu verdanken: zum einen verzichten sie seit Anbeginn auf das auf viele Menschen lächerlich wirkende Corpsepaint, zum anderen haben sie es nicht nötig, eigene musikalische Unzulänglichkeiten hinter einem (gewollt) miesen Sound zu verbergen. So ist über die Tonqualität auf „The Olden Domain“, welches im renommierten Hagener Woodhouse-Studio (damals noch von „Eroc“ gemischt, der heute beinahe nur noch Mastering-Aufgaben übernimmt) aufgenommen wurde, keine Diskussion notwendig. Sicher ist der Sound noch nicht so transparent, wie oftmals heutzutage, aber man darf da auch einfach mal bedenken, dass die technischen Möglichkeiten inzwischen um einiges besser sind.

Nun, 15° Celsius Ende November sind nicht unbedingt die richtige Voraussetzung, um diesen Klassiker des Viking Metal, der ja im Grunde genommen Kälte versprühen soll, zu rezensieren. Tatsächlich entfalten sich Songs wie „The Winterway“ oder „To Mount And Rove“ sicherlich besser, wenn es draußen schneit und stürmt; hartnäckige Gerüchte besagen jedoch, dass die CD selbst im Sommer bei 35° Grad gefallen kann. Bei genauem Hinhören kann sich die latent vorhandene Wärme, die den Songs innewohnt, aber auch nicht wirklich verbergen. „Aggression ja, Hass nein“ wäre vielleicht eine der vielen Formeln, unter die man „The Olden Domain“ stellen könnte. Denn ein Album ohne Hoffnung ist es sicher nicht.

Interessanterweise gelingt BORKNAGAR hier ein seltenes Kunststück in Form einer nahezu perfekten Balance zwischen Eingängigkeit und Abwechselungsreichtum. Ein Strophe-Refrain-Schema sucht man (praktisch) vergebens und mit jedem Hördurchlauf kann man neue Details für sich entdecken, dennoch hat man schon nach wenigen Durchgängen nicht mehr das Gefühl, eine „neue“ CD zu hören. Vieles kommt bekannt vor, trotzdem ergibt sich zwischen schwarzmetallischem Keifen, klarem Gesang, rasenden Gitarren- und Schlagzeugparts sowie extrem effektiv eingestreuten Synthies immer wieder etwas überraschendes. Da trifft es sich gut, dass die Songs vereinzelt durchaus epische Ausmaße annehmen, so geht der vermutlich beste Track „The Winterway“ fast acht Minuten, die aber wie im sprichwörtlichen Fluge vergehen. Aufgelockert wird das Output durch zwei Instrumentalstücke („Om Hundrede Aar Er Altiny Glemt“ basiert auf einer schönen Klaviermelodie, „Ascension Of Our Fathers“ wird durch harmonische Gitarrenläufe geprägt), welche sich nahtlos in das Gesamtwerk einfügen.

Abwechslungsreich wie die Musik ist auch das lyrische Konzept. BORKNAGAR war schon immer, und ist es auch heute noch, durch die Nähe zur Natur geprägt. Um selbige drehen sich konsequenterweise auch die Texte, das Artwork des Booklets zeigt Bilder der vier Elemente und macht so die Symbiose perfekt.
Es sollte fast verwundern, dass eine Band, deren einzige Konstanz von Anbeginn bis zum heutigen Zeitpunkt die Inkonstanz des Line-Ups ist, so homogen zu Werke gehen konnte. Praktisch seit jeher ist BORKNAGAR quasi in Allstar-Projekt der norwegischen (Black-) Metal-Szene, immerhin tummelten sich Musiker von ENSLAVED, DIMMU BORGIR, ARCTURUS, VINTERSORG (okay, sind Schweden, sollten aber trotzdem Erwähnung finden) und anderen bei BORKNAGAR oder tun es noch heute, wer soll da noch durchblicken ;-)

Unter dem Strich bleibt ein in allen Facetten ehrliches Album, dem man abnimmt, dass die Musiker es tatsächlich für sich und nur für sich geschrieben haben, glücklicherweise aber die Möglichkeit ergriffen haben, Andere an ihrem Wirken teilhaben zu lassen.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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