Review Element Of Crime – Immer da wo du bist bin ich nicht

  • Label: Vertigo
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Rock

Fast vier Jahre, nach „Mittelpunkt der Welt“ steht nun das neue Album der Herren um „Herr Lehmann“-Autor Sven Regener in den Regalen: „Immer da, wo du bist, bin ich nie“ – ein Titel, wie er passender für eine ELEMENT OF CRIME-CD kaum sein könnte – wohlklingend, einprägsam und dabei immer auch ein wenig verquer.
Die Band als solche genießt bei mir einen gewissen Sonderstatus, da ihre Musik (zumindest für mich) bisher nicht immer von zentraler Bedeutung war – vielmehr waren es Regeners lyrische Ergüsse, die mich beispielsweise zum Kauf von „Mittelpunkt der Welt“ brachten – dass die Musik dabei durchaus auch Spass machen kann, war damals Nebensache.

Dass „Immer da, wo du bist, bin ich nie“ abwechslungsreicher ausgefallen ist als der Vorgänger – schon die Liste der verwendeten Instrumente ist bezeichnend – kommt dem Album natürlich nur zu Gute: Ob Mandoline, Ukulele, Melodica, Mundharmonika, Trompete, Geige, Streichquartett, Akkordeon oder der Chor – die instrumentale Vielfältigkeit könnte kaum größer sein. Und so stellt man bereits beim ersten Hördurchgang zufrieden fest, dass diesmal wirklich jeder Song seinen ganz eigenen Stil hat – wie man diesen dann auch immer bezeichnen will – egal ob Rock, schunkelbarer Schlager, Jazz, Country (Bottleneck-Action…yeah!) oder Folk Rock: Alles findet sich zu gewissen Anteilen mal mehr, mal weniger in den zehn Songs (plus Coversong), die es diesmal auf das Album geschafft haben.
Doch auch dieses Mal kann die Musik so gut sein, wie sie will – das Beeindruckende an einem ELEMENT OF CRIME-Album ist immernoch Regeners Umgang mit der deutschen Sprache, den er, wie wohl kaum ein Anderer beherrscht: So mancher Schriftsteller würde wohl dafür sterben, in seinem Leben einmal einen Regener-Satz aufs Papier zu bringen:
„Dass das Bier in meiner Hand alkoholfrei ist, ist Teil einer Demonstration gegen die Dramatisierung meiner Lebenssituation – doch andererseits sagt man, das Schweinesystem ist auf nüchterne Lohnsklaven scharf, darum steht da auch noch ein Whiskey, weil man dem niemals nachgeben darf.“ (aus „Kaffee und Karin“)
Ob die Liebeserklärung, die er aus einem, beim Schaukeln weggeflogenen Schuh über (mindestens) fünf Ecken entwickelt, oder Reime wie „Immer wenn ich Lieder sang und dabei auf und nieder schwang an Bändern die elastisch war’n in Ländern die fantastisch war’n“ (aus „Immer da wo du bist…“) , in denen er wortgewand wie kaum ein Anderer mit der deutschen Sprache jongliert – Regener beweist ein weiteres Mal, dass er der ungekrönte ((Ex-)Spargel)König der deutschen Gegenwartslyrik ist.
Dabei wirkt die Gesamtstimmung im Vergleich zu dem teilweise relativ depressiv-melodramatisch anmutenden Schlechtwetter-Album „Mittelpunkt der Welt“ trotz einiger besinnlicherer Songs wie „Bitte bleib bei mir“ eher draufgängerisch und aufgeweckt: Sowohl musikalisch als auch von der Gesangsperformance her strahlt das Album weit mehr Dynamik als der Vorgänger aus. Allein die Vielfältigkeit von Sven Regeners Stimme, die von Rio Reiser in „Kopf aus dem Fenster“ bis hin zum romantisch, melancholisch („Am Ende denk ich immer nur an dich“) reicht, ist beeindruckend.

So lebensnah war Herzschmerz noch nie: Denn auch wenn es, wie schon auf dem Vorgänger, bei den Texten immer wieder um Thematiken wie Einsamkeit, Liebe, und Sehnsucht geht, verkommt kein Song auf „Immer da wo du bist, bin ich nie“ zu einer platten Schnulze oder gar Kitsch. Zu verdanken hat man das Sven Regeners einzigartiger Fähigkeit, Bilder und Inhalte zu einem Text zu vereinen, die andere nichteinmal in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen sinnvoll zu verbinden in der Lage gewesen wären – man denke bloß an Phrasen wie „Was für Cloppenburg Pfanni ist, bist du für mich“.

Wertung: 9 / 10

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