Review Evereve – Regret

Wenn ich so zurückschaue, wundere ich mich schon, dass EVEREVE in den Jahren 97, 98 und 99 jeweils ein Album herausgebracht haben. Lagen da wirklich immer nur zwölf Monate dazwischen? Es muss wohl so gewesen sein, umso erstaunlicher wirkt dieser Umstand, wenn man sich die drei Alben „Seasons“, „Stormbirds“ und „Regret“ einmal anschaut. Das Debüt noch voll wilder Emotionen, „Stormbirds“ eine bereits gereifte Chronik eines angekündigten Selbstmordes – Gründungsmitglied und Sänger Tom Sedotschenko stieg nach der Produktion aus und nahm sich wenige Monate später das Leben – und dann eben „Regret“.

Zeigten die ersten beiden Alben die Band noch in einem ausufernden, gotischen Gewand mit Songlängen jenseits der sieben oder acht Minuten, insgesamt zunächst wenig zugängliche, dafür aber mit fortlaufender Zeit großartige Epen, die sich lohnen, dass man Zeit in sie investiert. Mit „Regret“ läuteten die Südbadener einen Umbruch ein, der sich quasi in diesem einen Album manifestierte – wobei ich hier zugeben muss, die weiteren Werke nicht zu kennen, zu lange dauerte es, bis ich mit „Regret“ warm wurde. EVEREVE, das wird schon klar, ist keine Band, die man im Vorbeigehen aufnimmt. Und wenn man die beiden ersten Alben liebte, fällt es zunächst auch etwas schwer, sich auf „Regret“ einzulassen. Musikalisch, lyrisch, songwriterisch und produktionstechnisch ist das hier eine ganz andere Hausnummer. Keine höhere, keine niedrigere, einfach eine andere. Die Songs sind grundsätzlich eher in „Radiolänge“ gehalten, dazu legt man viel wert auf Wucht, aber auch Tanzbarkeit. Konnte man es sich noch wenig bis gar nicht vorstellen, Lieder wie „The Phoenix – Spring“ oder „Fields Of Ashes“ in einer Diskothek zu hören, eignen sich nun beinahe alle Lieder dazu. Den freien Platz am Mikro hatte für diese Produktion Benjamin Richter übernommen, meiner Meinung nach machte er seine Sache sehr gut. Seine tiefe, klare und auch charismatische Stimme gefiel mir nicht nur live damals sehr gut, auch heute gibt sie den Songs den entscheidenden Esprit. Auf massive Songs legt er seine Melodien und veredelt somit die von elektronischen Rhythmen und teilweise harten Gitarrenriffs geprägt sind. Unter dem Strich kamen dabei einige fatal unauslöschliche Ohrwürmer heraus, an dieser Stelle seien nur ultraeingängige „Kolyma“, das an die schwedischen Gotiker Sundown erinnernde „Misery`s Dawn“ und das zögernd beginnende „Redemption“ genannt. Und nicht mal über die aus heutiger Sicht ausgelitschte Coverversion zu dem Animals-Klassiker „House Of The Rising Sun“ kann man meckern, EVEREVE drücken dem an sich schon coolen Song einen neuen, eigenen Stempel auf und lassen ihn fast wie einen eigenen klingen.

„Regret“ ist anders und vielleicht nicht ganz so gut wie die beiden Vorgänger. Dazu fehlt ein wenig das bedrückende Feeling von „Seasons“ und „Stormbirds“, aber wie gesagt war das auch nicht das Ziel. Man sollte sich an einem gewissen Maß Elektrik nicht stören und kann dann eine Menge Spaß haben, gerade die Autofahrt im frühsommerlichen Sonnenschein lässt sich bestens mit der Platte versüßen. Ob man sich an die folgende „Cyber Goth Rock Metal“-Phase herantraut, muss jeder für sich entscheiden, ich bin da auch noch sehr unentschlossen.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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