Great Cold Emptiness - Immaculate Hearts Will Triumph Cover

Review Great Cold Emptiness – Immaculate Hearts Will Triumph

Black Metal hat oftmals etwas Performatives an sich. Abgesehen von ein paar berüchtigten Mitbegründern des Genres ist in der Szene kaum jemand im Privaten wirklich so böse, wie es auf der Bühne den Anschein hat. Corpse Paint ist nüchtern betrachtet eben auch nur düstere Schminke. Spätestens seit Deafheavens Durchbruch mit „Sunbather“ (2013) ist es jedoch auch im Black Metal salonfähig, Gefühle zu zeigen und Persönliches zum Thema zu machen. GREAT COLD EMPTINESS ist ein weiteres Kind dieser Bewegung. Ehemals das Soloprojekt von Nathan Guerrette, zeichnet der Output der inzwischen zum Trio herangewachsenen Band Guerrette zufolge seine Abwendung von politischem Extremismus, seine spirituellen Erfahrungen und seine Entwicklung als Mensch nach – so auch sein drittes Album „Immaculate Hearts Will Triumph“.

Inspiriert von den Marienerscheinungen von Fátima im Jahr 1917 und einem spirituellen Erlebnis unter dem Einfluss psychedelischer Pilze schließt Guerrette mit „Immaculate Hearts Will Triumph“ seine Albumtrilogie „The Becoming Of A Man“ ab. Inhaltlich dreht die Platte sich um Vergebung, freundschaftlichen Zusammenhalt, Selbsterkenntnis, das schwierige Verlassen des trauten Heims und das Heranreifen eines Jungen zum Mann. So breit gefächert wie die Einflüsse und Themen des Albums ist auch die musikalische Palette, derer GREAT COLD EMPTINESS sich bedienen. Von Black Metal kann man hier nur noch im weitesten Sinne sprechen.

Der harsche Schreigesang, das Blasting und die Gitarrenriffs, die die vier zwischen neun und über 14 Minuten langen Tracks zumindest zeitweise beinhalten, gehen auf dem Papier zwar als genretypisch durch. Von der ungewöhnlich optimistischen Grundstimmung der Musik abgesehen, sprengt diese jedoch auch stilistisch oft den Rahmen dessen, was man auch nur im Entferntesten unter Black Metal versteht. Träumerische Post-Rock-Passagen finden sich hier ebenso wie euphorische Gitarrenleads („The Patron Saint Of Whalewatching“) und sanfter, hintergründiger Klargesang. Die auffälligste Eigenart der Platte stellen jedoch die Keyboards dar, die GREAT COLD EMPTINESS ungeniert in all ihrer kitschigen Pracht in den Fokus rücken. In „To Die For The Ideal“ und „With Friends Like These“ stößt die Band mit pumpenden Beats und schimmernden Synthesizern sogar in Trance-Gefilde vor.

Und doch ist „Immaculate Hearts Will Triumph“, so spannend und berührend es in seinen besten Momenten auch sein mag, in seiner Umsetzung ein Desaster. Die Instrumente sind schlampig eingespielt, klingen mitunter schief und die Tonspuren sind völlig unausgewogen abgemischt, sodass im Mix vieles verlorengeht. Mit ästhetisch fragwürdigen Einschüben wie den grob pluckernden Gitarren in „With Friends Like These“ haben GREAT COLD EMPTINESS sich ebenfalls keinen Gefallen getan.

Wer stilistisch wagemutige Projekte wie Violet Cold, Unreqvited und Sadness für ihre emotional offene und vielfältige Neuinterpretation von Black Metal schätzt, sollte bei GREAT COLD EMPTINESS Vorsicht walten lassen. Zwar steckt im dritten Album der Band aus Quebec ein ähnliches subversives Potenzial, offenbar fehlt es Guerrette und seinen Mitmusizierenden aber noch an der technischen Raffinesse, um seine Ideen stimmig in Szene zu setzen. Guerrettes persönliches Erwachsenwerden mag damit nun vollendet sein, als Musiker hat er aber offenbar noch einen weiten Weg vor sich. Das großspurige Versprechen seines Titels kann „Immaculate Hearts Will Triumph“ leider nicht einhalten.

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Wertung: 4 / 10

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3 Kommentare zu “Great Cold Emptiness – Immaculate Hearts Will Triumph

  1. Hi Stephan, danke für das Feedback!

    Ich gebe dir Recht, „Gefühle zeigen“ meint natürlich umgangssprachlich eher das sanftmütige. Aber auch Dieses finde ich persönlich tatsächlich spätestens seit der zweiten Welle im Black Metal bereits.

    Deafheaven sind definitiv vom (Post) Black Metal inspiriert. Der Sänger meinte glaube ich mal Lantlos sei am Anfang ein großer Einfluss gewesen. Inspiriert von etwas sein ist für mich aber nicht das Gleiche wie dann auch das selbe Genre zu bedienen. Die Black Metal Musiker die das Genre geprägt haben waren auch von allerhand verschiedener Genres beeinflusst (auch außerhalb des Metal Kosmos). Heraus kam dann aber natürlich der dem genre ureigene Sound.

    Interessant das du Samsas Traum ansprichst. Da war ja letztendlich die Heiliges Herz Platte auch im Kern Black Metal, mit einigen Songs die schon stark nach den 90ern klangen und ein paar Songs die eher mehr Richtung Melo Death und Gothic Metal geschielt. Die schwarzmetallische Kälte und Raserei war dann aber tatsächlich in jedem Song (auch den eher softeren) vertreten. Dort kam ja auch das Auftreten und die Thematik der Misanthrophie und Naturverbundenheit dazu. Nur halt Samsas Traum typisch etwas eigen interpretiert.
    Und das stellt für mich dann schon einen krassen Unterschied zu beispielsweise Deafheaven dar oder die hier besprochene Platte. Die haben zwar noch gewisse Elemente der Musik, sind aber ansonsten meilenweit davon entfernt und machen was ganz Anderes.

    Peace! :)

  2. Wann haben denn Deafheaven je Black Metal gespielt oder waren teil dieser Szene? Soweit ich weiß haben die sich selbst noch nie da inbegriffen.
    Gefühle und Black Metal würde ich sagen gehen eh seit jeher Hand in Hand. Gefühle müssen ja auch nicht zwangläufig sanfter Natur sein…Hass und Verachtung sind ja Grund-DNA des Black Metals…

    1. Das kommt halt darauf an, wie puristisch man Genres betrachtet. Es mag schon sein, dass Deafheaven eine andere Ästhetik und ein anderes Mindset als Black-Metal-Bands im engeren Sinn haben, aber es ist nicht zu leugnen, dass sie von dem Genre inspiriert wurden und dass ihre Musik viele der gängigen Stilelemente aufweist (bzw früher aufgewiesen hat). Außerdem sind Genres nie ganz sauber abgrenzbar – es gibt immer wieder Verschiebungen und Ausreißer. Dass Deafheaven sich selbst nicht als Teil der Szene betrachten, halte ich auch nicht für entscheidend – The Cure haben sich auch immer gegen den Begriff Gothic verwehrt, My Chemical Romance wollten nicht als Emo bezeichnet werden und Samsas Traum hat sich als Black-Metal-Projekt verstanden, obwohl die Musik das kaum hergegeben hat. Und man muss ja auch nicht Teil einer Bewegung sein, um eine bestimmte Musikrichtung zu interpretieren.

      Ich bin allerdings dahingehend ganz bei dir, dass Gefühle natürlich auch solcherart sein können und demnach auch in düsterer Musik eine Rolle spielen. Ich habe die Phrase „Gefühle zeigen“ bewusst im umgangssprachlichen Sinn verwendet, was üblicherweise im sanftmütigen Sinn verstanden wird. Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass Sanftmut im Black Metal ursprünglich selten bis gar nicht vermittelt wurde.

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