Review Griftegård – Psalm Bok (Re-Release/EP)

  • Label: Ván
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Doom Metal

„Na holla, was ist das denn?“, dachte ich mir, als mir aus der letzten Promolieferung ein ziemlich schickes, schwarzes, schmales Digipack (mach einer sagt „Digisleeve“ dazu, aber die hatte ich immer etwas anders in Erinnerung) entgegenpurzelte mit einem auf den ersten Blick etwas unleserlichen Namen. „Grifte“ konnte ich am Anfang gerade noch so ausbaldowern, der Rest war dann doch etwas zu kompliziert und ich musste auf Promoschrieb und Internet zurückgreifen. Da fand ich dann raus, dass die Band sich GRIFTEGÅRD nennt, aus Norrköping, Schweden, stammt, Doom Metal spielt und ich mich tatsächlich völlig freiwillig dafür meldete, die Promo zu übernehmen. Sachen gibt’s. Egal.

Kurzzeitige Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis sollen mich jedenfalls nicht davon abhalten, den ersten und bislang einzigen Output der 2004 gegründeten schwedischen Doomster zu besprechen. Der kam eigentlich schon 2007 heraus, die Band warf das gute Stück in einem selbstgebastelten Digipack und limitiert auf 80 Einheiten auf den Markt, noch im gleichen Jahr wurde das Ganze als 12″ Vinyl neu aufgelegt, diesmal vom Label Nachtgnosis und limitiert auf 500 Stück. Da das gute Stück dann aber bald schon wieder ausverkauft war, erbarmte Van sich letzten Endes den Knaben, zimmerte dieses Digisleeve zusammen und brachte „Psalm Bok“ (so der Titel) als MCD noch mal neu raus.

Und dafür könnte ich die Leute bei Van echt knutschen. Denn „Psalm Bok“ ist eine ziemlich grandiose Sache. Geboten werden hier nur zwei Tracks mit etwas gewöhnungsbedürftigen Titeln, beide zusammen knappe 18 Minuten lang, aber trotzdem haben GRIFTEGÅRD mich damit schon ziemlich umgepustet. Los geht’s mit „Charles Taze Russell“, einer Hommage an den gleichnamigen amerikanischen Bibelforscher. Verhaltenen Mönchsgesängen folgt ein heftig sägendes Brett aus verzerrten Stromgitarren, wuchtigem Drumming, ein paar gesampelten Glocken und absolut intensivem Gesang aus der Kehle von Frontmann Thomas Eriksson, der auch bei den Prog/Alternative Rockern von Bokor aktiv ist. Von den ersten Augenblicken an knallt „Charles Taze Russell“ ganz heftig, das Riffing treibt sich am ehesten in den Sphären rum, in denen My Dying Bride, Candlemass und Evoken aufeinander treffen, also irgend was in der Schnittmenge zwischen Epic Doom, Doomdeath und Funeral Doom, und diese Soundmelange kommt mit einer Heftigkeit von Hammerschlägen durch die Boxen, so dass die Mischung tatsächlich weh tun könnte.
Wenn sie nicht so geil wäre. Der größtenteils klare und sehr theatralisch vorgetragene Gesang von Eriksson, der einfach nur unter die Haut geht. Im Mittelteil des überlangen Songs gesellen sich noch ein paar Chöre dazu, die – der Vergleich mag etwas hinken, aber egal – mich doch mehr oder weniger stark an die Großtaten von Bathory erinnerten. Dazu passend auch wieder Erikssons Organ, ähnlich wie Quorthon ist er absolut kein perfekter Sänger, aber seine technischen Unzulänglichkeiten macht er locker mit Hingabe wett und das macht Freude. Kurzum, das Ding hier rockt von vorne bis hinten. Naja, fast. Kleiner Wermuthstropfen: Der Text des Songs ist etwas halbgar, vor Allem bei den Zeilen „Christ comes through the window/Christ comes through the roof“ winde ich mich innerlich ein klein wenig, aber das coole „Man can not suffer enough for his sins“ gegen Ende holt das locker wieder raus.

Und dann kommt auch schon Track 2, eine Hommage an den französischen Maler und Grafiker, der da denselben Titel wie der Song trägt: „Paul Gustave Doré“. Auch hier holen GRIFTEGÅRD wieder alles aus sich und ihren Instrumenten heraus, brachiales Zeitlupendrumming trifft auf coole Riffs und Erikssons variablen Gesang. Die Mittel, aus denen gekocht wird, sind immer noch in etwa dieselben, allerdings hebt der Song sich trotz seiner stilistischen Ähnlichkeit wohltuend genug vom Vorgänger ab, so dass man den Knaben keine große Stagnation vorwerfen muss. Etwas ruhiger geht es hier zu, als beim brachialen Vorgänger, melancholischer, obwohl die Axtschwinger Blomkvist und Broddesson sich gegen Ende noch mal zu einer extrem stimmigen Soloattacke hinreißen lassen. Auch die Textlapsi (ist das die Mehrzal von Lapsus?) des Vorgängers bleiben aus, dafür wird hier Epik nicht mehr so groß geschrieben. Trotzdem ein sehr starker Song.

Kurzum: Das erste Lebenszeichen von GRIFTEGÅRD ist eine höchst geniale Angelegenheit geworden. Zwei Tracks die einerseits spürbar zusammen passen, aber beide ihren eigenen Reiz haben, „Charles Taze Russell“ eher durch seine intensive Epik, „Paul Gustave Doré“ durch seine grollende Bedrohlichkeit und sein geniales Solo. Beide toll und damit wohl auch die ganze MCD „Psalm Bok“ toll, oder? Eigentlich schon, aber über eine Sache muss man sich dann wohl doch ärgern. Denn die 18 Minuten, die das Ding geht, sind absolut prima. Aber danach will man mehr und… naja, das gibt’s leider nicht. Also hoffen wir, dass GRIFTEGÅRD bald nachlegen und eine Full-Length-Scheibe rausbringen, ich werd einer der Ersten sein, der da zuschlägt.

Wer jetzt immer noch nicht vollends überzeugt ist, der schaut halt einfach mal auf die Myspace-Seite der Band, da kann man sich beide Tracks in voller Länge anhören. Und wem gefällt, was er hört, dem werden auch die paar Euro relativ locker sitzen, die es ihn kostet, diese geniale Band zu unterstützen. Kaufen.

Keine Wertung

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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