Review In Slumber – Scars: Incomplete

Während es um Third Moon zur Zeit recht still geworden ist, liefert deren Frontmann Wolfgang Rothbauer mit seinem Projekt IN SLUMBER Nachschub. Projekt ist hier mittlerweile falsch, denn aus dieser Anfangsidee wurde eine ernst zunehmende Band mit einem festen Line Up, die mit ihren 2003 erschienen Debütalbum „Stillborn Rebirth“ sowie vielen Festivalauftritten in und außerhalb ihres Heimatlandes Österreich sowohl die Fans, als auch viele Medienvertreter zufrieden stellen konnten. Umso spannender ist also der Blick auf den mit „Scars: Incomplete“ betitelten Nachfolger.

Verdammt noch mal, wie machen die das? Der erste Titel ein richtiger Brecher. Mir klappt die Kinnlade herunter. Mit „Seduce My Sentenced Pain“ scheint man eine wahre Definition abgeben zu wollen, wie unverbrauchter melodischer Death Metal mit ordentlich Wucht dank wirklich cooler Thrash-Anleihen zu klingen hat. Das Lead ist einfach himmlisch, die Breaks sitzen auf den Punkt genau und wie nicht anders zu erwarten lässt Wolfgang beim Gesang rein gar nichts anbrennen. Ja, er klingt sogar noch ein Stückchen aggressiver, frischer und unverbrauchter. Was soll nach so einem Beginn nun noch schief gehen beim Rest des Albums. Höchstens, dass man vom Opener nicht mehr los kommt und erstmal den eine Stunde in der Dauerschleife anhört, bevor man sich den Rest des Albums widmet und der hat sich ebenfalls gewaschen. Gekonnt streut man hier und da, ähnlich wie bei Third Moon, kurze Akustik-Passagen ein, die das Gemisch aus treibenden Drumming, nackenbrechenden Riffs und göttlichen Hooklines (vor allem in den Refrains) auflockern und bereichern. Das Songduo „My Pain Shall Be Done“ und „All Demons Entwine Me“ ist das Beste, was emotionsgeladener, harter Melodic Death Metal in den letzten Monaten zu bieten hatte. Das Tempo wurde zwar im Vergleich zum schon sehr viel versprechenden Debütalbum „Stillborn Rebirth“ gedrosselt, aber die Intensität dafür um das Doppelte erhöht.

Inhaltlich befasst man sich mit schon vom Vorgänger und Third Moon gewohnt komplexen Thematiken. Das Konzept des Albums baut auf den inneren Monologen eines fiktiven menschlichen Wracks auf, die jedoch durchaus auch real existieren könnten. Fast erschreckend nachvollziehbar gelingt die musikalische Umsetzung eines viel zu oft totgeschwiegenen Abgrunds der Seele, der bis zur Selbstverletzung reicht. IN SLUMBER sind trotz aller Aggressivität in einem gewissen Sinne hier gefühlsbetont und erschaffen neben wie schon erwähnt über jede Kritik erhabenen Death Metal, einen sowohl glaubwürdigen als auch beabsichtigt provokanten akustischen Streifzug durch ein menschliches Innenleben.

Vor allem, aber nicht nur, auf dem Titeltrack „Scars: Incomplete“ gelingt dies Wolfgang durch seinen sehr variablen Gesang. Herausstechen kann kein Song wirklich, denn nach mehrmaligen Durchhören des Albums kristallisieren sich immer wieder neue Details heraus, die jeweils verschiedene Songs leicht hervorgehoben erscheinen lassen, was aber keineswegs eine Kritik darstellen soll, da man sich durchgängig am oberen Level bewegt. Ein wahrer Glücksgriff sind hier die Produzenten Peter „Ziggy“ Siegfredsen (Illdisposed, Mercenary,…) und Tue Madsen (The Haunted, Mnemic, Sick of it All,…), die der Scheibe einen druckvollen, perfekten Sound verpassen.

IN SLUMBER liefern mit „Scars: Incomplete“ das für mich bis dato beste Album im Bereich Melodic Death Metal in diesem noch recht jungen Jahr ab. Man stellt hiermit sogar die „Hauptband“ Third Moon von Frontmann Wolfgang Rothbauer in den Schatten. Ein solches Verständnis, extreme Emotionen in dieser Form hörbar zu machen erinnert mich sogar leicht an die für mich bisher unerreichten beiden letzten Alben der Deutschen von Path of Golconda, auch wenn man sich stilistisch natürlich unterscheidet. Man mag nur hoffen, dass die Jungs aus der Alpenrepublik über den Status eines Geheimtipps hinauskommen und somit auch in Deutschland öfter zu sehen sind. Mit diesem Album liefern sie jedenfalls eine mehr als zuversichtlich stimmende Grundlage.

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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